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Märchen

Eduard Mörike

Titel Märchen
Untertitel Eduard Mörike
Autor:in Mörike Eduard
Verlag Lothar Birowsky
Buchart Gebundene Ausgabe
Seiten 264
ISBN/B3Kat 00128095
Regierungsbezirk Oberbayern

Sein Reich sei in den Wolken, nicht auf der Erde, schrieb die Mutter Goethes in das Stammbuch Clemens Brentanos (1778-1842). Seine Märchen entstanden unter dem Einfluß der Grimmschen Sammlung. Obgleich er teilweise auf uralte Motive zurückgeht, ist ihm nicht zu tun um das Sammeln und Bewahren volkstümlichen Erzählguts, sondern einzig um die freie Entfaltung seiner schöpferischen Phantasie. Hierin unterscheiden sich Brentanos Märchen von denen anderer Romantiker. Seine Märchen sind frei von der mystischen Schau eines Novalis, und das abgründig Hintergründige von Tieck und E. T. A. Hoffmann sind ihm fremd.

Das Wunderbare vollzieht sich beim Erzählen selbst, nicht in einer magisch-mystischen Dimension dahinter. Er bemüht keine symbolisch-philosophische Sinndeutung; frei schwebt seine Fabulierkunst zwischen Ernst und Heiterkeit, Spiel, Andacht und Groteske, die tiefer und wahrer die Grundformen des Lebens deutet und begreift als nüchterne Vernunft.

 

Im sandigen Lande, wo nicht viel Grünes wächst, wohnten einige Meilen von der porzellanenen Hauptstadt, wo der Prinz Wetschwuth residierte, ein Töpfer und seine Frau mitten auf ihrem Tonfeld neben ihrem Töpferofen, beide ohne Kinder, einsam und allein. Das Land war ringsum so flach wie ein See, kein Baum und kein Busch war zu sehen, und es war gar betrübt und langweilig. Täglich beteten die guten Leute zum Himmel, er möge ihnen doch ein Kind bescheren, damit sie eine Unterhaltung hätten, aber der Himmel erhörte ihre Wünsche nicht. Der Töpfer verzierte alle seine Gefäße mit schönen Engelsköpfen, und die Töpferin träumte alle Nacht von grünen Wiesen und anmutigen Gebüschen und Bäumen, bei welchen Kinder spielten; denn wonach das Herz sich sehnt, das hat man immer vor Augen.