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Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern

Titel Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern
Autor:in Schwierz Israel
Verlag Bayerische Landeszentrale für politische Bildung
Buchart Broschiert
Erscheinung 1992
Seiten 368
ISBN/B3Kat 3870523980
Kategorie Geschichte 
Serie Bayerische Landeszentrale für politische Bildung (0)
Suchbegriff Juden 

VORWORT

In der Nacht zum 10. November 1938 wurden in Deutschland die Synagogen in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte zerstört und Gewalttätigkeiten gegen jüdische Mitbürger vor den Augen aller begangen. Dieser Rückfall in die Barbarei ist auch nach 50 Jahren Anlaß zur Mahnung: Wir müssen aus unserer Geschichte lernen, wozu der Mensch fähig ist, um nicht anfällig zu werden für neue Ansteckungsgefahren. Weder ein Schlußstrich unter die Vergangenheit noch das Aufrechnen- oder Vergessen-Wollen des Geschehenen können Methoden des Umgangs mit der Geschichte sein. Erinnerungsarbeit ist zu leisten durch die Erforschung der lokalen Ereignisse. Mit dem Buch „Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern" legt die Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit eine landesweite Dokumentation vor. Das große Interesse an der gleichlautenden Publikation über das Gebiet von Unterfranken ermutigte die Landeszentrale, einen ersten Versuch zur Erfassung aller steinernen Zeugnisse in den sieben Regierungsbezirken zu unternehmen. Diese Dokumentation will ein Nachschlagewerk und eine Arbeitshilfe für die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit auf lokaler, regionaler und überregionaler Ebene sein. Kritik und Ergebnisse aus der Beschäftigung vor Ort werden von der Landeszentrale gern entgegengenommen, um so das gesamte Vorhaben weiterführen zu können. Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Werner Nachmann S.A., bezeichnete in einem Gespräch wenige Monate vor seinem Tod diese Publikation des Freistaates Bayern als einen ermutigenden Anfang für eine ähnliche Dokumentation in allen Bundesländern. Er äußerte sich enttäuscht über den Umgang mit den jüdischen Kultstätten in den bundesdeutschen Städten und

Dörfern. Das Anbringen von Gedenktafeln müßte seiner Meinung nach zur selbstverständlichen Pflicht den ehemaligen Mitbürgern gegenüber werden. Gerade die Deutschen müßten dafür Verständnis haben. Wenn wir Deutsche Böhmen, Schlesien oder Ostpreußen besuchen, so schmerzt es uns, daß in den Straßen alle deutschen Namen verschwunden sind und die Friedhöfe verwahrlost aussehen. Diese Erfahrung sowie die Pietät den ehemaligen jüdischen Mitbürgern gegenüber müssen allen Gemeinden Anlaß sein, ihren entsprechenden Beitrag zu leisten. Dieses Buch weist viele erfreuliche Beispiele auf.

„Gerade die Synagogen können den Anstoß geben, daß Schüler danach fragen, was sich unter den faschistischen Machthabern in ihrem Ort abspielte. Die Ermordung von sechs Millionen Juden - als abstrakte Zahl unfaßbar - verliert an Unwirklichkeit, wenn in der unermeßlichen Menschenzahl Gebäude und Namen auftauchen, Namen, die zu Mitbürgern des Heimatortes werden." (Zeit-Magazin vom 26. 2. 1988).

Bayern ist ein Kulturstaat: „Der Staat schützt die natürlichen Lebensgrundlagen und die kulturelle Überlieferung." (Art. 3 Bayerische Verfassung). „Staat, Gemeinden und Körperschaften des öffentlichen Rechts haben die Aufgabe, die Denkmäler der Kunst, der Geschichte ... zu schützen und zu pflegen, herabgewürdigte Denkmäler der Kunst und der Geschichte möglichst ihrer früheren Bestimmung wieder zuzuführen." (Art. 141 BV). Das vorliegende Buch soll anregen, diesem Anspruch gerecht zu werden. Der Stein überdauert Feuer und Wasser, Licht und Dunkel, Liebe und Haß. Der Stein läßt nicht zu, daß der Holocaust das letzte Wort in der Geschichte der Juden in Bayern spricht.

Dr. Heinrich Wackerbauer

Direktor der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit