Die Inszenierung des Sakralen
Das theatralische Raum- und Ausstattungsprogramm süddeutscher Barockkirchen in seinem liturgischen und zeremoniellen
Leitfaden
Die theatrale Pracht der katholischen Sakralbauten, wie sie zwischen 1700 und 1780 im süddeutschen Raum entstanden, ist seit langem ein beliebter, jedoch selten hinterfragter Topos der kunstgeschichtlichen Forschungsliteratur. Tatsächlich lassen sich die Bühneneffekte des barocken IllusionsTheaters auch im zeitgenössischen Kirchenbau nachweisen: Seine ephemer erscheinenden Kulissendarstellungen, seine luminaristischen Wirkungsmittel, seine suggestiven Perspektivkünste und Maschinenwunder, die sinnliche Inszenierung abstrakter, transzendenter Vorstellungen, das Verwischen der Realitätsgrenzen über das Real-Kontrollierbare hinaus. Die Kirchenräume verweisen dabei nicht nur in ihrer Raumkonzeption auf das Theater, sondern auch in der Gestaltung der Fresken, der Altäre, der Kanzel und anderer Ausstattungselemente. Bühnenhaft ausgegrenzte Chorprospekte, Altarszenarien nach Art lebender Bilder, an die Decke gebannte Bühnenfiktionen und logenartig dekorierte Oratorien bestimmen den Raumeindruck. All diesen Entwicklungen und Erscheinungsformen spürt die Autorin des vorliegenden Titels nach. Sie untersucht dabei vornehmlich die Barockkirchen im süddeutschen Raum und bringt in ihren Analysen und Betrachtungen Erstaunliches zu Tage. “Ursula Brossettes umfangreiche, sorgfältig redigierte Dissertation [stellt] vor allem für die Kontextforschung eine gewichtige und weiterführende Publikation von hohem Rang dar.” Erik Ernst Venhorst, Journal für KG 9, 2005, Heft 3
- VORWORT
- EINLEITUNG
Problemstellung
Forschungsstand
Thematische Eingrenzung, Struktur und methodischer Ansatz der Arbeit
- A. DIE STELLUNG DER CHRISTLICHEN KIRCHE ZUM Theater
- Theater und Schauspieler als sinnenbetörendes Blendwerk des Teufels.
Die frühchristliche Ausgangsposition und ihre Bedeutung für die Frühe Neuzeit
- Scheidung der sacrae repraesentationes von den ludi theatrales et inhonesta.
Symbolisch-dramatische Messallegorese und Liturgiegebundene Spiele vom Mittelalter bis zum 18. Jahrhundert
- Theater als Streitobjekt und Medium des Glaubenskampfes in Reformation, Gegenreformation und Aufklärung
- Das geistliche Theater der Gegenreformation als kirchenpolitisches Mittel zur Propaganda fidei und als unverzichtbares Element klösterlicher Festkultur
- Das SchulTheater der Jesuiten
- Kirchliche und klösterliche Spielkultur anderer Orden
- Klostereigene Theatersäle
- Zusammenfassung
- B. DAS THEATRALISCHE RAUM- UND AUSSTATTUNGSPROGRAMM SÜDDEUTSCHER Barockkirchen DES18. JAHRHUNDERTS
- Die Fassade: Schauprospekt, Festkulisse und Vorspiel der sakralen Inszenierung im Innenraum
- Die theatralische Raumdisposition
- >Bühne< und »Zuschauerraum<
Die Kirche als ein »der Christlichen Andacht [...] wolverordnetes Amphi-Theatrum«
- Der Chorbogen als >Proszenium< und ästhetische Grenze
- Das Vorhangmotiv am Chorbogen
- Die Vervielfältigung des Bühnenprospekts und Furttenbachs Vierbühnenentwurf
- Das Kulissenprinzip der Wandpfeilerkirchen
- Das Zentralraumschema Johann Michael Fischers und die Dreipunktperspektive der Galli Bibiena
- Der Kirchenraum als RanglogenTheater.
Theatralische Rauminszenierung und Publikumshierarchisierung
- Die Platzordnung. Parterre und Logenränge
- Herrscherempore und Proszeniumslogen:
Der privilegierte Blick auf Altarszenarium und liturgische Schaubühne
- Die Proszeniumslogen und ihr Personal: Rollenträger ewiger Anbetung
- Der Altar als Schaubühne
- Das Retabel als praktikables theatrum
- Wechselbildaltäre und Drehtabernakel
- Kulissen-Heiliggräber und apparati für die Orazione delle Quarant’ore
- Vom »Quem quaeritis«-Dia!og zur barocken Heilig Grab-Inszenierung.
Das Liturgiegebundene Passionsspiel und sein künstlerischer Reflex in der Säbener Kirchenraumausstattung
- Die Altarbühnen in Dillingen an der Donau, Landsberg am Lech und Dießen am Ammersee
- Das Altarszenarium
- Bühnenformen
Altararchitektur als Bühnenrahmen
Das Retabel als zentralperspektivische Kulissenbühn
Die scena per angolo im Altaraufsatz
- Theatertechnik
Vorder- und Hintergrundsvorhang. Offenbarung und Verhüllung des Transzendenten
Flug- und Hebemaschinen: Mariä Himmelfahrt und Inthronisation am Hochaltar und in zeitgenössischen Prozessionsspielen
- Die Lichtregie
Verdunklung des >Zuschauerraums< und verdeckte >Bühnen<-Beleuchtung
Spiegel als göttliche Schein-Werfer
Die Inszenierung Gottes als Lichterscheinung: Das gelbgetönte Fenster im Altarauszug und Furttenbachs »Herrlichkeit Gottes am Berg Sinai
- Die dramatische Aktion
Prologsprecher und kommentierender Chor
Die Inszenierung lebender Bilder 2
Das Gebärdenspiel und Franciscus Langs Dissertatio de actione scenica
Die Aktfolge: Das Schauspiel ereignet sich in der Betrachterbewegung
- Stoffund Inszenierung. Das Altarszenarium im liturgischen Festkontext
Das Rorate-Spid und die Darstellung Mariä Verkündigung in Brühl und Sandizell
Vorbilder aus dem Bereich der Prozessionsspiele
Das Triumphspiel: Das Altarszenarium in Weltenburg und der Drachenstichbrauch an Fronleichnam
Das Märtyrerdrama. Reliquienaltäre, Triumphzüge und Salutationsspiele für die neuen Heiligen
- Die Gewölbeschaubühne
- Fresken als imaginäre Schauplätze
- Schefflers Gewölbefresken in Baumburg - eine »ob unseren Häubteren durch die Kunst eröffnete Schau=Bühne«
- Das Bekehrungsdrama auf der Ordensbühne und in der Freskomalerei.
Dramenstruktur und Inszenierungspraxis
- Formale Anleihen an die szenischen Kunst:
Bühnenstaffagen, Flugmaschinen, Schauspielergebärden
- Architektur- und bildimmanente Regieanweisungen.
Die Rolle des Betrachters
- Die Freskenschaubühne im Dienst gegenrefbrmatorischer Propagandafidei.
Das Triumphspiel des römisch-katholischen Glaubens in Oberaltaich
- Die Gewölbe-Inszenierung und ihr Herrscherbild:
Ein »an den bayerischen Herzog adressiertes Staatsdrama mit Fürstenspiegelambitionen«
- Die Vermischung fiktiver Schaubühnenillusion und historischer Realität.
Zum typologischen Geschichtsverständnis des 18. Jahrhunderts
- Die Gewölbe-Schaubühne als glaubensdidaktisches Medium
- Gewölbe und Fresko im Kontext Liturgiegebundener Inszenierungen
- Das liturgische Brauchtum der Himmelfahrts-Inszenierung
- Die handelnden Bilder: Himmelfahrts-Christus und Engel
- Die Hintergrundkulisse: Zur Gestaltung des Himmellochs
- Der Kirchenraum als Simultanschaubühne.
Die Inszenierung weiterer liturgischer Handlungsschauplätze
- Der Orgelprospekt
- Die Kanzel. Aktionsbühne des Predigers
- Der Beichtstuhl. Bühnenpodium für eine Bekehrungsszene
- Die Kreuzwegstationen: Die Passion Christi als Stationendrama
- Das Chorgestühl: Schaubühne der Ordensgeschichte
- C. DIE THEATRALISIERUNG KATHOLISCHER SAKRALRÄUME DES 18. JAHRHUNDERTS IN IHREM ZEREMONIELLEN UND LITURGISCHEN KONTEXT
- Ein Einblick in die dramatisierte Gebetspraxis und das Liturgieverständnis der Barockzeit
- Die Heilige Messe als dramatischer Nachvollzug der Passion Christi.
Zur Meßallegorese der Frühen Neuzeit
- Jesuitische Gebetstechnik: Meditative Andacht als mentales Schauspiel.
Der Einsatz von Heilig Grab-Kulissen und Altarbühnen als Imaginationshilfe
- Dramatische Liturgieeinschübe und geistliche Spiele.
Die Verfestigung ephemerer Dekorationen zur dauerhaften Ausstattung
- Der Part von Priester und Gemeinde.
Der Sakralraum als Monumentalkulisse für ein realitätstranszendierendes Rollenspiel
- Die zeremonielle Inszenierung Gottes und des weltlichen Herrschers.
Verholung des Kirchenraums - Sakralisierung des Fürsten
- Der Sakralraum als irdischer Thronsaal Gottes.
Liturgie als Gottes-Dienst und Herrscher-Zeremoniell
- Der Sakralraum als Schauplatz fürstlicher Repräsentation
- Die Inszenierung des Fürsten als imago
Dei, Heiliger, triumphierender Kämpfer und gottgleicher Herrscher
- Theatrum sacrum und theatrum mundi.
Der Auftritt des Herrschers im Gottesdienst
- Der Sakralraum als Festkulisse des WeltTheaters.
Die Rolle des Kirchenbesuchers
- Das Theater als Medium zur Inszenierung des Sakralen
- Sakrales IllusionsTheater zur Apotheose des Königs der Könige
- Realitätstranszendierendes Rollenspiel im Simultanschauplatz Kirche
- D. SCHLUSS. ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE
- E. AUSBLICK:
DAS ENDE DES KIRCHLICHEN ILLUSIONISMUS IM AUSGEHENDEN 18. JAHRHUNDERT
- Die allgemeine Obsoleszenz zeremonieller Formen und künstlicher Inszenierung von Macht im aufgeklärten Absolutismus
- Liturgiereformen, Spielverbote und Kirchenbauvorschriften derAufklärungszeit.
Die gottesdienstliche Versammlung als Aufklärungs- und Sittlichkeitsschule im Dienste des Staates
- Das veränderte Theaterverständnis der Aufklärung.
Abschaffung der geistlichen Spiele -Etablierung des NationalTheaters als »moralische Anstalt«
- Literaturverzeichnis
Quellen
Sekundärliteratur
- Abbildungsnachweis
Originalaufhahmen
Reproduktionen aus der Sekundärliteratur
- ABBILDUNGEN: im zweiten Band dieser Publikation