Münchner Sagen & Geschichten

Von allerlei anderen Wahr-, Merk- und Denkzeichen.

Trautmann - Die Alt-Münchner Wahr- und Denkzeichen (Seite 159)


len ab, ſo möchte ich nun gern von den Monumenten verhan deln, welche als Zeug niſſe der Liebe und Verehrung Land Bayerns auf den verſchiedenen Pläßen ſtehen . Aber es gebricht an Raum ; zudem können fie Nie mand in Sinn und Bedeutung entgehen . Viele andere Dinge können aber das wohl – des halb will ich auf Verſchiedenes und im berſchiedenſten Sinn aufinerkſam machen und jeder Zeit das Nöthige zum beſſe ren Verſtändniſſe beifügen. Nun muß ich aber ſogleid wegen des Erſten , wovon

 

verhandelt wird, zum Voraus kurz bemerken, daß viele Leute nicht recht wiſſen , was denn urſprünglich die HandwerkB Standarten bei den Umgängen, beſonders bei der Fron leichnams- Prozeſſion zu bedeuten haben. Dieß iſt aber ſo . In früheren Zeiten rückten die Meiſter der Handwerke und ihre Geſellen zum Vortheil der Stadt oder der Her zoge in's Feld , und es hatte jeder Haufe fein Fähnlein. Als nun ſpäter der Kriegsdienſt nad Auſſen den eigent lichen Wehrleuten überlaſſen wurde, wollten die Bürger der früher bewieſenen Tapferkeit und Ordnung der Dinge nicht uneingedenk bleiben , auch der Nachwelt davon Zeugniß geben , und ſo veränderten ſie allgemach die Fähnlein in große Fahnen und Standarten und ſepten zum Bilde eines Heiligen und zum Namen des Handwerfes die oder jene Auszeichnung, welche ihnen die Herzoge, oder gar der Kai ſer verliehen hatten . Es ſei nun hier zuerſt der Standarte der Tud mader Erwähnung gethan , beſonders aud des alten Schlachtſchwertes und der Hellebarden , welche bei der Fron= leichnams - Prozeſſion mitgetragen werden. Dieſe legten fchreiben ſich nod) vom Jahr 1422 her und wurden , wie fich von ſelbſt verſteht, nebſt nodh viel mehr anderen , den Kriegsleuten Herzogs Ludwig des Gebarteten abgenom men, als er München überfallen wollte, und es beim heu tigen Blutenburg zur Schlacht fam . Eine andere Nachricht ließe fich ſo auslegen , daß gerade dieß Sdwert und dieſe zwei Hellebarden den Mannen des Ludwig ſdon viel früher,

 

nemlid zur Zeit des böfen Bürgermeiſters und des Ein zuges des böſen Vetters durch das Angerthor, im Zwinger entriſſen worden ſeien, und zwar von den Luchmachern, welche den wahren Herzogen Treuc gehalten . Dieß will mir aber des wegen nicht redit in den Sinn, weil der herzoglide Vetter ein ſolches Vorgehen wohl nicht unbeſtraft gelaſſen hätte und darüber nirgends eine, auch nur leiſe , Nadzricht vorkommt ; abgeſehen davon , daß in dem Vielen, was nachher geſchah, die Waffenſtücke gewiß der Vergeſſenheit anheim gefallen wären. Ich bleibe alſo bei der deutlichen Nachricht, daß fich das Tuchmacherſwert und die Hellebarden von der Sdladt bei Blutenburg herſchreiben , wie die Tudmacher andrerſeits das vom Kaiſer Siegmund erwirkte Recht, den Reidheadler zu führen, als Belohnung von den Herzogen erhielten, welchen fie in der Schlacht bei Blutenburg, Aling und Hoflach bedeutende Dienſte erwieſen hatten , beſonders weil fie dem Herzog Ernſt halfen ſeinen Sohn Albredyt aus der Gewalt der Feiude zu befreien . Das Recht, zwar nicht den Reichsadler, aber das Münchener Stadtwappen im Banner zu führen , hatten ſich andere Zünfte, zumal die ehrfamen S duhmacher, ſchon früher errungen. Das fchreibt fid von Ao. 1295 her , zur Zeit der ſpätere römiſche Kaiſer Ludwig der Bayer unmündig war und zu Wien am kaiſerlichen Sofe erzogen wurde , ſein älterer Bruder Rudolph aber zu München lebte . Zu ſelber Zeit entſtand eine große Fehde zwiſchen

 

dieſem Rudolph und dem Biſchof von Augsburg Wolfart . Denn der Leştere hatte ein auf dem Kaltenberg am Þarfluß erbautes Schloß niedergeriſſen , dagegen dann der Rudolph ſeinen Feldobriſten Conrad von Haltenberg ausſchidte, welcher das Scloß Margarethen oder Mer getben einnahm . Das wollten die Augsburger wieder erobern , was ihnen aber nicht gelang . Drauf ging es an ein Brennen und Sengen im Bayeriſchen und hinwieder Schwäbiſden . Im Kampf bei Mergethen aber , wo Die Bayeriſchen mit den Augsburgern vor dem Schloffe fochten , gingen alle Fähnlein zu Grunde ; denn obwohl ſich die Bayri fchen im Schloß drin hielten , und auſſerhalb demſelben den Feind zurücbrängten, ſo hatten ſie doch zuerſt viel Arbeit und wurden dann ganz und gar überwunden ; nur ein Panner , das der Mündiner Schuhmacherzunft, ward gerettet . Da für bekamen ſie dann , als der Ludwig ſpäter Kaiſer wurde , das Recht zum Münchner Stadtwappen und dazu noch das , ihren Jahrtag in der Lorenzkirche in der Ludwigos burg halten zu dürfen . Mit dem Reichsadler und mit noch Anderem dazu wurden aber durch Kaiſer ludwig den Bayer die Bäder für den Muth und die Aufopferung belohnt , welche ſie in in der Mühldorfer Zwei -Raiſer - Solat Ao. 1322 bewährt hatten . Das „ Andere" iſt Etwas , was auch noch heute vor Augen ſteht, wenn auch ſeine Beſtimmung verändert wurde. Der Kaiſer baute ihnen nemlich im Thal, vom Rath haus kommend, unmittelbar über der Hochbrücke drüben

 

links ein kleines Haus, worin ein alter, dienſtunfähig ge wordener Bäckergeſelle verpflegt werden ſollte, und geneh migte ihnen eine Bruderſchaft. Die fragliche Verpflegung wurde von Alters her bis um Anfang dieſes Jahrhundertes richtig an dem Ort gehalten , worauf aber das kleine Haus berkauft , die Bäckerherberge verlegt wurde, und der je treffende , alte Gefelle fortan in derſelben ſeinen Austrag bekam . Es wurden aber beim Verkauf des kleinen Bäder Bruderſchaftshauſes auch die Bilder und Aufſdriften über tűncht. Wenn man nun wollte, ſo könnte man den An wurf leicht wieder entfernen und da würde ſich Folgendes finden : Erſtens einmal ein Bild, welches darſtellt, wie Kaiſer Ludwig den Bädergeſellen einen Gnadenbrief ertheilt, und drüber den faiſerlichen Adler, welder auch die zum Gottes dienſt gehörigen Gefäße der geſammten Bruderſdaft zierte . Zweitens fände man drei lange , alte Sprüde, welche dort und da ſchon zu finden ſind, aber hier nicht fehlen dürfen. Unter dem Bilde ſtünde zu leſen : Kaiſer Ludwig der treue Höldt Ein Fürſt in Bayern auserwöhlt Hat der Bechen - Bruderſchaft Beſtehlt mit Briefen großer Kraft Von wegen ihrer ritterlichen that , Weil ſie Laiſerliche Majeſtat In einer Schlacht erröttet haben . Thät ſie auch mit dem Haus begaben ,

 

und Teßt ihnen in ihr Panier Den Adler ſchön mit großer Bier. Man thet in alten Briefen leſen, Der Becken - Knecht reynd fünf geweſen, ſo die Bruderſchaft haben aufgericht, Gott geb allen Bruedern und Schweſtern Glick . Zur Linken ſtünde zu leſen : Als man zehlt ein tauſend drey hundert Und drei ( zwei) und zwanzig auch beſundert Mad Chriſti Geburth auſſerwöhlt thet regieren der treye Höldt Kaiſer Tudwig ganz offenbahr, Ein frommer Fürſt von Bayern mar, Wider ihn zog gewaltiglich Herzog Friedrich von Defterreich, Mit einer großen Höres Macht, Bei Milldorff da geſchach die Schlacht, Unglidkh thet ob den Kaiſer ſchweben, Der Feind thet ihn gar hart umgeben. Da ſolches die Becker Knecht erſachen, Theten ſie ſich den Kaiſer nachen , triben mit ihrer Gegenwöhr Burudkh das öfterreichiſche Hör, und errötteten den Kaiſer baldt, gewunnen die Schlacht mit großer Gewalt. Darauf der Kaiſer ihnen mit Bier den Adler ( eßet in ihr Panier, Beftelt ihnen auch mit großer Kraft unſer Tieben Frauen Bruederſchaft, bauet ihnen zu München und auch zumahl ein Haus, welches liegt in den thal, Hängt an der Hofbruckmill darneben,

 

Gott geb den Kaiſer das ewig Leben Wünſchen all Brueder und Schweſter eben. Zur Rediten : Als man ain tauſend drey hundert Jahr und zwey und zwainzig zöhlen war, Nach der Geburt Chriſti hinforth Hat ſich begeben an den Drth. Weit die ſtatt noch war ſchmal und klein, ſtund an der ſtött ein Linden fein . Gar oft die Beckhen - Knecht beſunder Hielten die Verſammlung darunter, Bradyten ihren Rathſchlag zu hauff, Eine Bruderſchaft zu richten auf In der Ehr unſer lieben Frauen, Thetten die ſach fleißig anſchauen , Legten die ding dem Kaiſer für, Und als er verſtund ihr begür, verwilligt er ihnen herzlich gehrn, Thet ſie auch noch darzue hoch verehrn. Als der ſo ihn vergünſtigt war, dieweil ſie ihn aus der gfar Erſt in der ſchlacht erröttet haben, thet fie darzue noch mehr begaben , Ließ ihnen pauen das häuslein klein, gab ihnen Brieff und figl drein, vergunnt ihnen auch darneben ehrlich zu fiehren des Reichs Adler herrlich, den ſonſt kein Handwerk fiehren darf, ob es gleich künſtlich und ſcharf, ſo thet die Bruderſchaft pauen zum Lob Gottes und unſer Frauen , und ſich hernach erſtrecken thet, bis auf dreyhundert Märkt und ſtätt.

 

So lauten die Reimſprüche unter dem Anwurf. Daß fie nicht ſogleich Anfangs auf das Häuslein geſchrieben wurden , ſondern um Vieles ſpäter , geht aus der Sprach weiſe und Anderem , ſo vor Allem aus den legten vier Rei men hervor, denn man konnte Anfangs noch nicht wiſſen , daß fich dreihundert Städte und Märkte anſchließen würden. Die Sadie war vielmehr wahrſcheinlich ſo , daß fich die Bäderſchaft ſpäter an einen hochehrſamen Münchner Schullehrer und Boetenmeiſter, wahrſcheinlich um Ao . 1500 herum, wandte und ihn erſuchte , ſich auf das Muſenroß zu feßen und etwas Bebeutendes vom Olymp herab zu holen, was er auch offenbar that -- und nachdem er es ge than und die obigen drei Poemata zuſammengeſcribirt hatte, wurden ſie auf das, zu gleicher Zeit mit Bildern gezierte Häuslein hinauf geſchrieben, das iſt meine Anſicht. 3ch möchte dabei geweſen ſein , wie der Mann den Bädern fein Reimwert zuerſt in Vortrag brachte und wie oft er dann, als die ganze Scriptur wirklich an der Wand des Häusleins befindlich war, fdheinbar zufällig des Weges um die Stadt berum beim fjarthor herein und im Thal daher fam und hinaufblinzte, denkend : das hab' ich abge faßt und ſteht jeßt da droben für alle Zeiten ! Und wenn er Mehre ſah , die daſtanden und feſt hin: aufſdjauten, wird's ihn innerlich ganz wohl erfreut haben. So viel ſage idy, und in dieſer ſtillen Freude wird der tapfere Schulmeiſter dann über die Hochbrücke hinüber durch’s Thalbrucker Thor hindurch , dann am Weinſtadel am Ed vorbei über den Marktplaß, hinüber in die Wein

 

ſtraße, dann links in das Sporergäßlein und um die Rüd feite des Lieb Frauendomes herum , am Meßnerhaus vorbei, zum kleinen Haus an der Ede rechts geſchritten ſein, wo das ganz kurze Gäßlein zur Schäfflergaſſe führt. In dem kleinen Haus wird er wahrſcheinlich logirt haben, der Schullehrer und Poet, denn daſſelbe war die alte Poetenſchule der lobſamen herzoglichen Stadt München, und es iſt ſehr wenig Zweifel vorhanden, daß darin ſeiner Zeit der Nürnberger Poet Hans Sachs einen Beſuch abſtattete, als er auf der Wanderſchaft aus dem Fränki ſdhen zu uns kam, oder ſchon wieder auf der Heimkehr. Wie dem ſet, die beſagte Poetenſdule —in welder wohl beſonders den Söhnen der wohlhabenderen Bürger Unter richt ertheilt wurde und worin die domizilirenden Sdul regenten ſich als eben ſo gute Pueten ausgewieſen haben mußten, wie fich die Thürmer über gehöriges Poſaunen blaſen auszuweiſen haben - iſt ſchon allein dieſes Sdul: meiſter und ſeiner treuherzigen Reime wegen ein ganz feſtes Denkzeichen , ungezählt den baulichen Behelf zur Erinnerung an ſämmtliche andere, frühere und ſpätere Colle gen , welche wahrſcheinlich nicht ininder regelrecht in die Leyer zu greifen vermochten , als fie den Taßenſtod zu ſchwingen verſtanden. Später veränderte ſich nun allerdings mit Vielem audi die Beſtimmung des Poetenhauſes , welches fich bei Ver mehrung des Unterrichtes bis an das Meßnerhaus aus dehnte, und es lebten bann ganz andere Leute darin , nachdem die Schulen wo andershin verlegt worden waren.

 

Weil aber gerade von dieſen Schul- und Poeten Wahr- und Denkzeichen die Rede iſt, fällt mir eine tapfer fromme Wittfrau ein , die ſpäter einmal in dem Theil des Hauſes lebte, welcher ſich gegen das Meßnerhaus hinc ſtredt, und zwar in der Stube mit dem großen Fenſter. Dieſe fromme Frau hieß Petronella Stro mair , war vom Mann ber ſehr wohlhäbig, und wie es eben in der Welt geht obwohl ſie ſchon faſt ehrwürdig an Jahren war, ſo fanden fidy doch noch ein Paar, welche ihr begreiflich machen wollten , ſie ſollte noch einmal hei rathen , und es handle fich dabei gewiß nicht um ihr Geld, ſondern rein und allein um den Beſig ihrer werthen Perſon. Nun war die Frau Wittib Petronella Stromair ein ſichtig genug,, daß dieſe Angabe ganz verkehrt ſei , und weil ſie fab , daß man ſie zum Beſten halten wolle, nahm fie fich in fromm (dalkhafter Weiſe dasſelbe heraus –wes halb fie dem Einen wie dem Anderen , welche von einan der nichts wußten, erklärte : Sie wolle ſich noch beſinnen , und wenn ſie ihr drei Bitten gewährten , ſo werde ſie die Sache hoffentlich auf Beſte entſcheiden , die unweigerliche erſte Bitte aber , ſagte ſie zu Jedem , ſei dieſe : „ Er möge ihr ein Jahr lang Ruhe gönnen, damit ſie recht freien Entſchluß faſſen könne, und nach Verfluß der Zeit folle er dann kommen und fic anfragen ." Da nun die Zwei nichts weiter thun fonnten, als dieſe unweigerliche Bitte erfüllen , blieben ſie weg und nach

 

Verlauf der Zeit kainen fie, jeder Einzeln, wieder an zwei verſchieden beſtimmten Tagen. Da waren ſie nicht wenig erſtaunt, als die fromme Wittib ſagte , fie habe fich die Sache ſo ziemlich überlegt, aber doch nod nicht genug, und ihre zweite unweiger lidhe Bitte ſei: „ Sie möchten wieder ein Jahr wegbleiben und dann fragen – und, " ſagte ſie zu dem Zweiten , ſo viel ihr bes dünke, ſei dann für ihn ein bedeutendes Hinderniß beſeitigt ." Sie ſagte das, weil ſie an der Geberde des Erſten wohl ſah , daß er das zweitemal nicht mehr fomme und frage . Das traf auch ein , und übers Jahr kam nur der Zweite. Als nun Dieſer fragte, wozu ſie ſich entſchloſſen habe, ſagte fie : Ste ſei ſchon zwei Drittelweit entſchloſſen , aber ihre britte unweigerliche Bitte ſei die : ,, Daß er ihr noch ein Jahr Bedenkzeit gönne, worauf ſie dann ihren Entſchluß völlig bekannt geben werde ; jeben falls könne fie ihm ſagen, es ſei das beſagte große Hinderniß für ihn weg geräumt, und ohne dieſen Umſtand könnte er ſein Ziel wohl nicht leicht erreichen .“ Da nun ber heiraths- oder vielmehr gelbluſtige Herr dieſen Umſtand kennen lernen wollte, ſagte ſie ihm : ,,Er habe einen Nebenbuhler gehabt, welcher aber ſeiner Probe untreu geworden ſei, und ſie fönne fid nichts anderes denken, ale , er habe befürchtet, fie möchte ihn zum zweiten-,

 

dann etwa zuim drittenmale auf die lange Bant fopen, wie fie ihn vermeintlich " zum erſtenmale darauf gefeßt habe. Von ihm, der jeßt wieder gekommen ſei, erwarte ſie nun dieſe Untreue, Schwädıc und ſonderlich dieſen Argwohn nidt, denn da ſie jest icon wieder zwei Jahre in den grauen Schei teln vorgerüđt ſei, ſo werde er gewiß glauben, daß arge Liſt ihrem noch ehrbareren Sinn und ihrer nun noch größeren Fe= ftigkeit widerſpräche, wie denn ſie anderſeits für gewiß halte, daß fie, troß ihres neuen Fortſchrittes im Alter, nicht ihres Geldes wegen verlangt werde. Es wäre ihr aber gleidjwohl lieb, wenn er dieß lepte nochmals ganz feierlich und heilig be theuere , und wenn er das thäte, ſo könnte es ſogar ſein, daß ſie wirklich vom dritten Jahr abſehen und ſich ſogleich zur Ehe bereit erklären möchte. “ Da nun der Bewerber dieß ganz feierlich und überaus ſelig betheuerte, ſagte ſie: ,, Das ſei ihr das Liebfic, was ihr begegnen hätte kön nen . Sie ſei zu Allem bereit und ſie wolle ihm auf der Stelle einen Blick in all ihre Habe und in ihren lezten Willen für ihn gewähren, denn man müſſe denn doch für alle Fälle Vorſorge tragen , und wenn er damit zufrieden fei, ſo werde ſie vor ſeinen Augen das Document von ein paar Zeugen unterſchreiben laſſen , fiegeln und ſchließen und es dann zu Gerichtsbanden geben ." Auf dieß ging ſie zum Schrein , nahm ein Papier heraus und gab es dem Bewerber, welder es mit wenig verborgener Begierde zur Hand nahm und zu leſen anfing. Die ganze erſte Seite , auf welder ein Verzeichniß

 

ihrer Habe ſtand, ſchien einen ſehr guten Eindruck auf ihn zu machen, weshalb er nicht verſäumte, ihr etwas zum großen Lob ihrer Sparſamkeit zu ſagen, und hierauf ganz froh umwendete. Als er aber ganz froh umgewendet hatte, wurde er mit einemmale ganz bewegt und dann ganz ſtarr und wech ſelweiſe roth und bleich im Antliß denn er ſah , daß nicht er der Erbe fei, ſondern zur einen Hälfte ihre alte, treue Schaffnerin , zur anderen die Armen der Stadt Nürnberg, von da ſie urſprünglich her war. ,, Weshalb zittert und ſtarrt 3hr denn hinwieder ſo ? " fragte ſie. „ Soll cs Guch etwa doc nidst lieb ſein, daß ich über meine Habe nicht für Eudy, ſondern für Andere verfügte ? 3hr wolltet ja nicht mein Geld, ſondern mich . " ♡ ſehr lieb nur Euch" ſtotterte der Schelm „ und 3hr foult den Beweis haben ! 3d laſſe Eudy aber dennoch ein Jahr Ueberlegung und dann komme ich erſt – ja – das heißt, ich würde Euch ſchon jegt beim Worte nehmen , o ſehr gerne, aber ich ich habe eine Reiſe zu machen, welche es mir augenblidlich nicht thunlich macht mich in in die Bande der Gbe - zu — zu begeben – ! " , Da will ich Euch nicht drängen und hinderlich ſein, " ſagte Frau Petronella Stromair - ,, lebt wohl und auf Wiederſeh'n wenn eben nicht hier doch jenſeits ! " ganz lieb Der Schelm verbeugte fidh tief, betheuerte alles Gute,

 

madyte fich davon und kam am Tage des dritten Jahres nicht rieder. Das hatte die Petronella Stromair wohl zum Voraus ge wußt, und ſie war darüber ſicherlich nicht betrübt . Vielmehr hatte ſie eine ſtillfromme Freude, daß fie ihre Sache fo wohl angeſtellt habe , die zwei argliſtigen Geſellen zum Beſten zu halten , ſtatt daß es ihr widerfahren wäre, fie er zählte die Sache auch Der oder Jener von ihrer Baſenſchaft, und ſo kam das Ganze unter die Leute . Danach lebte die Petronella noch ein ganzes Halbbußend Jahre , bis fie Ao. 1601 gottſeliglich in den Herrn einging und ſchräg berüber von ihrer Behauſung begraben wurde – an der Stelle ſieht noch heute zu Tage Jedermann ihren ſchwarzen , langgeſtrecten Grabſtein an der Wand außerhalb der Sa kriſtet. Auf dem Stein iſt ſie abgebildet, und wenn die Zeit auch , wie an Allem , Gewalt verübt hat, ſo viel erkennt man gleidwohl noch am Antliß , daß die Frau Petro nella Stromair ein recht gutes Leut" geweſen ſein müſſe. So iſt es mit Dem beſchaffen . Nahe bei dieſem Stein an derſelben Sakriſteiwand befindet ſich ein Grabſtein mit hoch erhaben geäßter Schrift, welcher deshalb bemerkenswerth iſt, weil man ſagt, er habe die Veranlaſſung zur Steinzeichnungskunſt gegeben. Wieder fromme Erinnerung erwedt der, jegt neu her geſtellte, Brunnen, geradeüber von der obengenannte Poe tenſchule. Dieſer wurde zu Ehren des heil. Benno, von welchem ſchon die Rede war , errichtet, und das Waſſer

 

deſſelben ſoll ſich in Betreff der Augen oft ſehr nüßlich erwieſen haben. Was Grabſteine betrifft, ſo find um den Dom Unſer lieb Frauen herum noch gar manche, welche Veranlaſſung gäben, auf Manderletzu kommen, wodurch die ſtummen Steine zu geiſtigen „ Merk's Dir, " alſo zu nach Innen wirkenden Wahrzeichen würden, und ich kann Eudy für gewiß ſagen, daß dies manches Mal gerade bei jenen der Fall wäre, welche ſchon recht herabgekommen ſind , ja es ließe fich über ein' und den anderen ein ganzes kleines Buch ſchreiben . Es kann aber hierorts nicht ſo weit darauf einge gangen werden, und ſei nur bemerkt, daß viele ſolcher Steine nicht zu überſehen ſind : Beiſpielsweiſe der des Canonicus Pettenbed , welcher knieend dargeſtellt iſt; der des Patriziers Guſta chius Liegfalz , welcher in ganzer Geſtalt vor Augen ſteht; weiters, nach dem ſchon erwähnten Grabſtein des Meiſters Conrad und jenſeits der Sonnenuhr, der Grabſtein des Mufikus Bandinellt - der des Baumeiſters Fiſcher, welcher ſo viele Kirchen und Klöſter aufgerichtet hat u. m. A. Um nun , obwohl ſdon von Mandem innerhalb des Lieb Frauen Domes verhandelt wurde, noch von An derem dortſelbſt zu ſprechen , was an früher Dageweſenes , an große Werke, eigenthümlich ſagenhafte Ereigniſſe oder ſonſt Bemerkenswerthes mahnt und uns das Gedädytniß einzel ner Menſchen, die fdon ſo lange nicht mehr da ſind, leben-= dig auffriſcht, will ich zuvörderſt auf diejenigen Abtheilun

 

gen der ſchönen, alten Glasmalereien in den Kirchenfenſtern aufmerkſam machen , weldie allein ſtehen, oder in ihrer Abgrenz ung Jedem erkenntlich, nicht zu den großen, gegen Ende des fünfzehnten Jahrhunderts von Eginhard Trauten wolf gemalten Fenſtern gehören, mit denen fie zuſammengeſeßt find, ſondern noch von der kleinen, erſten Marienkirche her ſtammen . Weiters ſprechen die runden Todtenfilde an den Wänden ernſt mahnungsreich; desgleichen der ſchöne, fromm anmuthende Grabſtein des ehrwürdigen Freiſinger Biſchofes Tulpekh, welcher bei der Grundſteinlegung des jebigen Domes zugegen war, nach etlichen Jahren ſeine hohe Würde ablegte und bis zu feinem Scheiden zu München als Pfarrer zu Unſer Lieben Frauen lebte ; desgleichen ſein Marienbild und die knieende Geſtalt des Dr. Johannes Neu hauſer , welcher der erſte Stiftsprobſt des Domes war. Recht beſchaulich macht auch die Schnedentreppe an der alten Sakriſte i hinter dem Hochaltar, weil da vorerſt die Herren Land Bayerns am grünen Donnerſtag das Allerheiligſte in Prozeffion hinauf und herab begleite ten zum früher dort oben befindlichen Salvator- oder Andreas altar. Dieſer iſt ſelbſt merkenswerth, weil die Sage geht, er ſei als Hauptaltar in dem Kirchlein geweſen, welches in Mitte des Raumes ſtand , worauf ſich gegenwärtig die Jeſuiten- oder Michaelskirche befindet.

 

Des Grabſteins des Dombaumeiſters wurde ſchon gedacht; ich mag aber gerne beiſeben , was unter ſeinem und des 3 immer meiſters Bildniſſen , welche zur Seite des Drgelhauſes hängen, geſchrieben iſt. Unter dem des Baumeiſters ſteht das Nemlidhe ge ſchrieben, was ſich auf ſeinem Grabſtein gemeißelt findet. Unter dem des Zimmermeiſters, welcher der Tradition nach Heimeran hieß, ſteht geſchrieben : Suſt 300 Jähriges wahrhafftes Contrafait des Zimmer Intaiſters allhieſiger Stadt , welcher bei dieſer Weltberiem ten Baſilica ſein Maiſter Stuck dargethan in dem Kunſt reichen Dher Zimmer oder Dach , 311 melchem 1400 floß jeder von 15 und 16 Baum verwendet worden , Nebit hinterlaſſung eines jugerichteten an ein Sicheres orth gehörigen Dram oder Balken , da doch keiner abgehet. Herr gib ihm die ewige Ruhe. Den beſagten Balken kann jeder ſehen, der den einen Frauenthurm beſteigt. Auch iſt die Abbildung des jüngſten Gerichtes von Mida el Angelo merkenswerth , welche dem Lieb Frauen Dom einverleibt iſt und ſich urſprünglich in der Franziskanerkirche zur Linken am Eingang befand . Hans Mielich der Mündner Meiſter, hat es feiner Seit ge malt, und es war das Grabbenkmal des Kanzlers Leona hard Ed. Unſer trefflicher Geſchichtſchreiber Lipowsky rettete 8 Ao. 1802 gerade nods, als es unterm Hammer ſchlag vielleicht um ein paar Thaler veräußt worden und wer weiß wohin gekommen wäre

 

Weiters kann fich Einer wieder Gebanken machen, wie weit man es ſchon früher in der mechaniſchen Kunſt gebracht und wie frumm finnreich man ſie anwandte, wenn er die Perpendikel-Uhr bei u. L. Frauen betrach tet. Denn, ſchrieb Giner: Wann's Zwölfe ſchlagt zudet der himmliſche Vater das Schwert, unſer Herr Jeſu und Maria aber bitten für die Welt, und da ſteckt er das Sdwert wiederumb ein ; auch bewegen ihrer vier Figuren ſämmtlich Mund und Händt, als ob ſie dann Buß predigten ; auch iſt ſelben ein ſtehender Hahn zu öberſt, der vor dem Stundenſchlag mit denen Flügeln zuſammenſdlägt und ein Krädyzen erhebt, unter ihm aber ruckt St. Petrus von drenten heraus und weint bitterlich, weil daß er Chriſtum verläugnet hat ; hin wieder nahet pon enten unſer Herr und ſchaut ganz lieb reich zu ihm , da er dann ſelbſt zu Caiphas geführt wird.“ So ſchrieb Einer um Ao. 1780 von derſelben Uhr mit ihrem Gang-, Spiel- und Schlagwerk, und wer recht in die heutige Zeit ſchaut, der mag erkennen , es ſei in der großen Welt, wie in demſelben kleinen Uhrwerf. Denn Gott möcht' wohl zeitweiſe das Schwert züden und dreinſchlagen , wenn ihn nicht die Erbarmniß zurückhielte , weil die Schuldigen nicht allein büßten , ſondern die Anderen auch leiden würden, die nid te berbrochen haben . Wenn's ihm aber zu lange währt, könnte es doch ſein , alſo mögen die Einen bald ablaſſen von ihrer Feindſchaft gegen Recht und Treue, und die

 

Andern fich nicht zaghaft erzeigen, ſonſt wird Gott etwan grimmig und ſdlägt dennod darein . Mehr ſag ich nicht, ich habe Eudy die gute Lehre gegeben. In u. 2. Frauen Dom iſt auch noch ein anderes, ungemein wichtiges Denkzeichen , welches gewiß nicht zu überſehen iſt. Dieß iſt die Erinnerungstafel an Pabſt Pius VI., welcher Ao. 1782 am 3. Mai bei Gelegenheit ſeiner Durchreiſe nach Wien am linken Altar nädyit dem Hochs altar Meſſe las . Die Inſchrift lautet: Pius VI. Pontificum max . primus ad hanc urbem invisit , Caroli Theodori Ducis Electoris amicus et gratissimus hospes , ipsoque hoc loco sacra pe regit III. Cal. Maii MDCCLXXXII. Außerdem befinden ſich in der Frauenkirdye noch etliche mehr in das wirkliche Wahrzeichen hineinſpielende Dinge. Ich will aber nur einige derſelben andeuten. So nenne ich denn ein , meines Wiſſens gegenwärtig in der Sakriftet befindliche Gruzifir von Metall, das „ fdwarze " genannt. Es heißt, ein um 1730 verſtorbener Locotenent habe es früherhin im Krieg auf der Bruſt getra gen und ſei dadurch vom Tode errettet worden, indem die Kugel nur die Füße des Bildes verlegt habe. Als man das fdwarze Gruzifir ſpäter in Silber faßte , wurde zweimal ein Verſuch gemacht, es zu rauben , es mißlang aber beide

 

Male, und die böſen Geſellen ſollen mit heiligem Schreden entflohen ſein. Weiters das Votivbild der Stadt Braunau we gen Brandunglüdes. Dann aber den Sinn zu den Thürmen des Domes wendend, find da zwei dem Ohr recht vernehmbare Wahr zeidien der Frömmigkeit vergangener Zeit, die in unſere Zeit hereinhallen . Damit iſt Zweierlei gemeint. Für's Erſte das Ave Maria - Geläute, welches 1390 von Pabſt Bonifaz auf Bitte der Herzoge Ste phan und Friedrich genehmigt wurde , und dann das glorreiche Geläute der großen Salvaglode an hohen Feſttagen und der kleineren , welche an den Marientagen ertönt. Vielleicht möchte Mander , obwohl es auch in ande ren Gedriften zu finden iſt, beigefeßt haben, was etwan auf dieſen Gloden geſdrleben ſtehe, und wie viel ſie wiegen. Auf der kleinen Salvaglođe ſtehen nur die zwei Zeilen : Im Jahr MDCXVII von Gottes gepurt hat mich gegoſſen Meiſter Barthm. Wengle von München onfedroſſen. Auf der großen ſteht aber viel mehr : Suſanna Gais id. in Theſus und (ukas, markus, matheus und johannes namen gos man mich , der durchleuchtig hoch: geborne fürſt und Herr Gerr Albrecht pfalzgrade bei rein und hertog in obern und niedern pairn was ſtifter meer. von regenspurg her pracht man mich . die poſen weter ver treib ich . den tod er peere ich. Ganns ernſt gos mich als

 

man gält von gottes gepurt tauſend vier hundert und drei dem neunzigſten jar tetragamatan . Dieſe große Salvaglode wiegt 12,500 Pfund , die kleine aber 6060. Nun habe ich genug von dem und jenem in und auf dem 2. Frauen Dom für Gemüth, Sehen und Hören Mah nungsreichen berichtet und in die achtundzwanzig Wahr-, Denk- und Gedenfzeichen genannt. Ich will mich aber jeßt dort und da in der Stadt umſehen , was da weiters zu finden iſt. 29ſtes iſt ein Wahrzeichen das Thörlein von der Burg in die lederergaſſe hinab. Das, heißt es, mußten die Bürger den Herzogen zum Aus- und Eintritt errichten, als die Münchener ſeiner Zeit angehoben hatten , rebelliſch zu werden, wofür fie fich dann beugen mußten . Bald darauf ging dann erſt der rechte Tanz los , wie Ihr in der Hiſtoria vom Fauſtthürmlein vernommen habt. Bei Veranlaſſung des beſagten Thörleins kommt ein Hofnarr in's Spiel ; Der fah , wie es kommen werde, ſeine Herzoge wollten es aber nicht glauben , ſondern droh ten ihm für ſeine ſchlechte Meinung von den Münchenern mit dem Einſperren, wenn er die Münchener verläumde. Durch dieſen Gefellen hat in Betreff des Fauſtthürm leins und des dort eingeſperrten , falſchen Bürgermeiſters öfters eine Verwechslung ſtattgefunden und ich bin deshalb mit einem in ſeiner Sache nicht wenig tüchtigen Doctor gehörig in Streit gekommen, der aber gut ausging, weil mir ſelbiger berühmte Doctor recht ließ. 1

 

Wer weiß, laſſe ich noch über das genannte Thörlein eine ganz eigene Geſchichte ausgeben, weil ich den ganzen Vorfall fagenwelle gut kenne . Jeßt kommen dagegen mehre, redit düſtere Wahrzeichen. 30ſtens, iſt da das erſte eines des finſterſten Schidſals, das T auf einem Haus in der Kaufingerſtraße zur Linken pom Marienplaß her . Dieſes T bedeutet nämlich Tod und das treffende Haus iſt eines der vielen Häuſer , welche zur Peſtzeit 1634 — 35 ganz und gar ausſtarben. Dieß eine aber iſt ſonderlich deßwegen merkenswerth und tiefdeutſam , weil die Sage geht : Ein geldgieriger Erbe habe ſich in ſeiner Ungeduld zu früh hineingewagt und ſei als leßtes Opfer der Peſt gefallen , als ſie ſchon für ganz erloſchen galt. 31ſtens, das zweite dient ſo recht zur Betrachtnahme der Grauſamkeit und des Haſſes vergangener Jahrhunderte. Damit iſt das untere Gewölbe des Bäckerhauſes in der Gruftgaſſe gemeint. An dieſem Orte war vordem eine Synagoge , und in dieſer wurde Ao. 1285 cine Sahl Juden den Flammen vom Volk preisgegeben , weil es durch das Gerücht em pört worden war , die Juden hätten ein Chriſtenkind er mordet. Deber viel ſpäter ward an dem Orte und aus dem ganzen Gebäude, in welches ſchon damals Stufen binab gingen, eine Art Kirche errichtet und oben und unten ein kleiner Altar aufgeſtellt, aus welch legter Veranlaſſung man es da zur Gruftkirche nannte. Alle Aufføreibungen

 

und Inventare, welche zu dieſer, bis in unſere Jugendzeit be ſtandenen Kirche gehörten , befanten - fidh bis vor wenigen Jah ren im Landgerichtsarchiv zu Starnberg, find aber dann glaublich in das Reidsarchiv nad München gebracht worden. 32ſtens. Das dritte iſt eines , welches auch auf die unglückſeligen Zeiten des Religionshaſſes und zwar unter den Chriſten ſelbſt hindeutet und uns ungemein ernſt warnt, während es an ſich nur die Leiden Einzelner zur Zeit des dreißigjährigen Krieges in Erinnerung hält . Zwar befindet ſich der Gegenſtand zu Ramersdorf auſſerhalb der Stadt ; aber die Betroffenen gehörten eben herein , und es iſt damit das Gedent- und Dankbild gemeint , auf welchem die weltlichen und geiſtlichen Herren abconterfeit ſind, die 1632 vom Guſtap 5 Adolf als Geißeln weg geführt wurden und dann nach vielen und ſchweren Erleb niſſen wiederkehrten . 33ſtens. Das vierte iſt auch ein recht ernſtes, wür dig anſprechendes Denk- und Wahrzeichen , nemlich opfer willigſter Vaterlandsliebe. Das iſt das auf dem Münchener Kirchhof befindliche Monument der Oberländer Bauern, welche in den Wechſelfällen des ſpaniſchen Succeffionskrieges, zu Zeiten der öſterreichiſchen Dccupation Münchens, in der Sendlinger Sdhlacht Ao. 1705 für ihren landesabweſenden Churfürſten Mar Emanuel tämpften und den Tod fanden. Das eigentliche Grab, auch mit einem ſchlicht- ſchönen Monument geztert , iſt ,, wie jeder weiß , auf dem Send linger Kirchhof.

 

34ſtens. Ein anderes iſt ernſt, aber doch idon milder. Nemlich die Auguſtiner - Sonnenuhr im Hofe des Münchener Bezirksgerichtes. Dieſe Sonnenuhr galt in dem legten Drittheil des vorigen Jahrhunderts gleich als ein Wahrzeichen propheti ſcher Natur, weil ſie ohne allen Sonnenſchein genau die Zeit angegeben habe, in welcher dann Churfürſt Mar III. von hinnen fchied. Und jeßt wird die Sache wieder ganz mild, denn 35ſtens handelt es ſich um die Johanniskirche in der Sendlingergaſſe. Die iſt denn doch ein recht tüchtiges Wahrzeichen, ein ganz erfreuliches Zeugniß der Opferwilligkeit zweier Brüder, genannt Aſam , welche beide tapfere Meiſter in der Kunſt waren, der Gine ſonderlich in der Malerei, der Andere in der Bildhauerei und Studador-Arbeit ; aber ganz abgeſehen von den Zweien, iſt dieſe Kirche ein recht glanz volles Wahrzeiden damaliger Bauart und überreicher Zier. Dieſe zwei Brüder bauten ſich ſpäter zu Maria Einſiedel nächſt Thalkirchen an und verbrachten da thre älteren Tage. 36ſtens. Ganz gute Wahrzeichen früheren Wettſtrei tes und der Feſtfreude der alten Zeiten bis in die neue ren herein find auch die verſchiedenen Scheiben, welche draußen in den Gängen der Schüßenhalle auf dem þügel der Thereſienwieſe aufbewahrt werden ; denn unter dieſen Scheiben iſt gar manche, welche ungemein viel fagt, man muß fie nur recht aufmerkſam betrachten !

 

Uebrigens ſagt 37ſtens ein ſtets neu lebendiges Wahrzeichen, welches die Münchener Geſellenſchaft zeitweiſe ausführt , auch nicht wenig . Damit meine ich den Schäfflertanz, ein ganz frohes ,, Denkt- und Merkts- Euch“ des guten Muthes, wel chen die frumm - tapfere Schäfflerſchaft in böfen Läuften bergangener, altergrauer Jahrhunderte bewahrte und damit Andere ermuthigte. Nun meint da vielleicht Mancher, ich ließe es bet den vielen Wahr- und Denfzeichen in dieſem Kapitel be ruhen . Dem iſt aber keineswegs ſo, vielmehr folgen ſchon noch mehre, nur daß ich von dem nichts weiter berichte, was bom hochlöblich weiſen Rath der Stadt ſchon durch die ſteinernen Gedenktafeln aller Orten angedeutet iſt, und daß ich etwa irgend Etwas als nicht ſonderlich wichtig be zeichne, Wie das 38ſtens der Fall iſt mit dem zerbrochenen Holz, welches in der Gde unweit des Chriſtophſteins nächſt bem Rapellenhof der Reſidenz hängt. Darüber haben ſich Manche ſchon die größten Gedan fen gemacht; es iſt aber weiter nichts damit, als daß die Hofdiener früher barin ihre Windlichter auslöſchten . 3m Uebrigen kommt bei dem Löſchlegel einmal der Hofnarr Pranger in's Spiel. In leßten Zeiten des Churfürſten Carl Theodor

 

ſtand nemlich ein ficherer, fremder Edelmann in ziemlicher Gunſt und nahm ſich viel heraus . Wie nun einſt Abends die Hofdiener ihre Windlichter ausgelöſcht hatten, ſtellte ſich der Pranger gegen die Ecke und rief zu öfteren Malen ungemein laut: „Noch eines ! " Da nun kein Windlicht mehr brannte, und ſich alle Cavaliere verwunderten, trat der fremde Edelmann hin und fagte : „ Pranger, ſdrei' nicht ſo, es gibt nichts mehr aus zulöſdien !" Rief der Pranger : „Das wirſt jeßt du wiſſen! Aus mit dem Windlicht!“ Sagte der Ebelmann : ,, Du biſt ein rechter Narr !" Antwortete der Pranger : „ Und du ein rechtes Hof windlicht ! " Rief der andere vol Zorn : „ Was willſt du damit lagen ?" Rief der Pranger: „ Heut nimmer frag' mich morgen. Wenn's dir nidit recht iſt , verklag' mich beim Sereniffimus !" Damit drängte er fich durch und machte ſich davon. Der Edelmann aber rannte voll Zorn die Treppe hinauf und bat um Audienz, weil ihn der Pranger be leidigt habe. Da ward ihm geſagt, der Churfürſt habe keine Zeit ; als er am nädſten Morgen wieder kam , hieß es wieder ſo , und als er zum drittenmal Nachmittags kam, empfing er ein Schreiben -- und als er es las, fah er,, daß man ſeiner Dienſte aus guten Gründen nicht mehr bedürfe, demnach ſein ganzer Stolz wirklich ein Windlicht geweſen ſei,

 

welches abeglöſcht war , und daß der Pranger am jüngſten Abend ganz recht gehabt habe - denn Der hatte vom Stand der Dinge Beridt. 39ſtens. Mit dem bekannten Stein unter- und dann ſeitwärts der Damenſtiftskirche, auf welchem zwei Hünd Tein mit einer Kugel zu ſchaffen haben, geht es aud auf kein etwa großes Greigniß hinaus. Es giebt darüber verſchiedene Meinungen. Die Einen nehmen an : es ſei einmal eine Kanonen kugel hereingeflogen, mit der die Hunde ſcherzten. Die Anderen behaupten , es ſeien einmal da die Jagd hunde und andere dergleichen Vierfüßler gefüttert worden, die ſchöne Sprad -weiſe des Volkes babe das Worte Küche in das äußerſt anmuthige Wort ,, Kuchel" verändert, ſpäter, als die Sache längſt beendet und ihr Grund nidt mehr erinner lich war, habe dann Einer etwas von einer Kugel und von etlichen beſagten Vierfüßlern gehört, ſich vorgenommen , ſein Haus zu zieren, und ſich an einen Steinmeß gewendet und ſo ſei dann das Bild entſtanden . Und ſo gibt es nod mehr hochgefahrte Meinungen. Ich glaube nun zwar auch an ein ähnliches Vergeſſen des ſpäteren Hausbeſißers und will da am ungemein ſchö nen Volksausdruck nicht mädeln. Aber das Wort Kugel rührt wahrſcheinlich nicht von da, ſondern von Gugel her. Der Tradition nach war nemlich nach Ende des engen Gäßleins von der Sendlingergaſſe her ein Aufenthalt für ganz arme Leute, welche da nothdürftigſt verpflegt wurden

 

und dafür die Aufgabe hatten, den Begräbniſſen der übrigen Stadtarmen als Kläger beizuwohnen eine andere Runde ſagt, Derer, die ſich ſelbſt entleibten -- und dabei in ſchwar zen Leinröcken mit Gugeln über den Häuptern zu erſcheinen. Jeßt mag fich Männiglich das Beſſere über die welt berühmte Hundslugel oder Gugel herausſuchen . 40ſtens war früher ein höchſt mahnungsvolles Wahrzei dhen für böſe, recht habgierige Geſellen – am Anger, vom Dultgäßlein herab rechts herüber an dem erſten Hauſe, der ans gemalte Engel mit der Wage, in deren einer Schale eine kleine, fromme Seele ſaß und in der anderen ein kleines Teufelein , wobei dann die Seele im Werthe ſchwerer wog. Dies Bild hatte ſagenweiſe ſeinen Grund darin, daß ein alter, barter Gläubiger feinem durch Unglück herab gekommenen Schuldner, vielmehr der Wittwe deſſelben , das fragliche Haus auf dem „ Gantſtuhl am Fiſchbrunnen" erſter ſelbſt ein Wahrzeichen alter, ſtrenger Rechtspflege in Schuldverhältniſſen verganten ließ , fie forttrieb und felbſt in das Haus zog . Darauf , heißt es, habe die Wittwe ihr Leben in Armuth fromm und driftlich buldſam fortgefeßt, bis ſie ſeliglich zum Sterben kam und da noch für den früheren, harten Gläubiger betete. Ueber das habe Der viel Spott getrieben und ſet gegen Andere ein paarmal eben ſo hart geweſen. Als er dann endlich, auf ſein Geld und Recht ſtolz, zu wieder einem Anderen ſagte, er müſſe ihm ſeine ſchöne Tochter zur Frau geben, oder er treibe ihn von Haus und Hof , Zener aber thn bei Gottes Barmherzigkeit anflehte,

 

rief er, heißt es : Was Gott , Geld zieht hin ! " Auf dieſe Worte habe ihn der Schlag an ſeiner Hausthüre getroffen, und man daraus Anlaß genommen, das Bild an's Haus zu malen . 41ſtens. Von der Schaß fammer war fdon früher die Rede, als es galt, den ehrenfeſten Syndicus, Lazari Ritter, Anthoni Wilhelmus Ertel zu berühmen, der Vieles treu verwunderlich aufſchrieb. Was nun die einzelnen, merkwürdigen und mehr oder minder koſtbaren Dinge betrifft, welche ſich ſowohl in die ſer Scapkammer, als in der reichen Kapelle , in der Staatsbibliothek und im bayeriſchen National Muſeum befinden , ſo muß ich da wohl faſt ganz Umgang nehmen ; leider, denn wenn man ein und den anderen Gegen ſtand mit dem rechten Blid betrachtet, findet ſich, daß gar Man ches an Pracht und Gewalt, ſo hinwieder an die Hinfällig feit derſelben mächtig erinnert, ein Anderes an ſtrenge Fröm migkeit und gute Geſinnung, während wieder Anderes nur überhaupt das Andenken an das und jene früher Dage weſene auffriſcht, und es iſt ſolcher einzelnen Dinge eine ſo gute Zahl vorhanden, daß man drüber wieder gar Vieles foreiben könnte. Das habe ich auch gethan , und es kommt dabei na mentlich Lektgenanntes in's Spiel. Aber nur ganz Weniges anzubeuten, erwähne ich , an= geſehen die Shapkammer, beiſpielsweiſe Die böhmiſche Königskrone Friedrich & V., welche unſerm großen Churfürſten Mar I. nach der berühmten Schlacht am weißen Berge bei Prag in die Hände fiel. —

 

Im reiden Schaß der Staatsbibliothek, ber fogenann ten Gimelien - Sammlung, finden ſich, zur Seite vie les anderem Merkwürdigen, einige mehr auf die Frömmigkeit und den , keine Koſten fdeuenden, Kunſtfinn unſerer früheren Fürſten hindeutende Gegenſtände als etwa das Gebetbuch Kaiſer Lud wigs und dann die, mit dem ſchönſten Darſtellungen und den herrlichſten Waſſermalereien von H. Mielid gezierten , heiligen Pfalmgeſänge Orlando's di Laffo , des berühmten Tonſeßers, welcher nach vielen Wechſelfällen des Lebens in der zweiten Hälfte des ſechszehnten Jahrhunderts an den herzoglichen Hof nach München fam, dort in hohen Ehren gehalten wurde und uns mit ſeiner Kirchenmuſik noch heutzutage erhebt . Der Grabſtein des Orlando di Laſſo befindet ſich im National Muſeum . Das neue Gebäude dieſer Sammlung bietet an ſeiner Auſſenſeite durch die eine bäuerliche Geſtalt mit der Fahne auch ein Wahrzeichen für alle Zeiten dar. Dieſe Geſtalt fol nemlich an Balthaſar Mayr, den ſtarten Schmied von Kochel, und beziehungsweiſe an den, in der Sendlinger Schlacht bewährten Patriotismus des Gebirgs Volkes überhaupt erinnern, welcher, wie früher erwähnt, zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts bewieſen wurde. Wie geſagt, auch von jenem an Kenntnißnahme der Vergangenheit unerſchöpflichen Muſeum mit ſeinen Altären, Heiligengeſchnißen und Bildern, Conterfeien , Waffen, Rüſt= ungen , Gegenſtänden der Hauseinrichtung und unzählig

 

Anderem kann ich bis auf Weiteres und anderswo nicht in's Längere ſprechen und nur ein paar ſo recht hieher gehörige Gegenſtände berühren. Der erſte iſt das echte, alte, ſteinerne Marienbild aus der alten Angerkirche, welches erſt vor etlichen Jahren in einer Art Holzlege in ſchlimmem Zuſtande wieder ent deckt wurde. Die guten Kloſterfrauen, nahe gegen Anfang dieſes Jahrhunderts , wollten es einmal in Einigem her ſtellen laſſen, es fehlte ihnen aber an Geld, das Verlangte zu bezahlen. So fam es nicht mehr an Drt und Stelle, wurde vielmehr, wer weiß von welchem gleichgültigen Menſchen, bei Seite geräumt, verſchoben , erlitt manche Verlegungen, und ward weiters nahe zu vergeſſen ; bis es der Vorſtand des National- Muſeums, Freiherr von Aretin , wieder aus feinem erſted erheben, ſo wohl ausbeſſern ließ, daß man kein Fehl mehr entdeckt, und es in der Sammlung aufſtellte. Dieſes Marienbild iſt an fich merkwürdig genug, weil es ſich bis aus der uralten Zeit Herzogs Otto des Er lauchten herſchreibt, welcher zuerſt an die St. Jakobskapelle Barfüßermöndie ſepte. Dieſe hatten ihr Klöſterlein etlidie ſechzig Jahre inne , bis ihnen dann Herzog Ludwig der Strenge achttauſend Gulden ſchenkte und ihnen auftrug, in der Nähe der von ihm begonnenen Ludwigsburg eine Kirche und ein Kloſter zu bauen , nemlich da , wo jeßt das Hof theater ſteht. Nad dieſer Veränderung ihres Aufenthalts war das Klöſterlein am Anger ganz verődet, deshalb ließen die reichen Sendlinger aus Ulm Klariſſinnen kommen,

 

und ſo begann am St. Gallustag Ao. 1284 das Anger Frauenklöſterlein. Anderſeits iſt das fragliche Steinbild noch um ſo mahnungsvoller, als Kaiſer Ludwig der Bayer und ſeine erſte Gemahlin Beatrir , wie auch ſeine zweite Margarethe öfters vor demſelben ihre Andacht ver richteten ; beſonders aber eine Tochter der erſten zwei, die ſchöne Prinzeſſin Agnes , welche unſäglich fromm und fehn ſüchtig nach beiliger Einſamkeit war. Alſo betete dieſe ungemein gerne im Kirclein und wollte oft gar nicht mehr fort, bis fich zulegt herausſtellte, daß ihr Sinn vom Welt lichen gar nichts wiſſen wolle, und daß fie ihr Alles , ihr Verlangen auf das ſtille Kloſterleben reße. Da wollte der Kaiſer nach vieler Prüfung nicht mehr nein fagen, und ſo wurde die Agnes Klariffin und führte ihr heiliges Leben fort, bio Ao. 1352. Da fchied fie im März von hinnen . Ihre Gebeine ruhen jeßt in der Gruft u. 2. Frauen in einem Sarg mit den Gebeinen der Barbara , Tochter Herzogs Albrecht III. , welche früh in's Kloſter am Anger ging und dort , nachdem ſie ein franzöfiſcher Prinz vergeblich zu ehelichen wünſchte, im Alter von ſiebenzehn Jahren Ao. 1472 ſtarb , - und mit denen der Maria Anna Carolina Joſepha Dominika , einer Schwe ſter des Neuburger Pfalzgrafen Philipp Wilhelm , welche Ao. 1719 in Gegenwart des Churfürſtent Mar Emanuel und ſeines ganzen Hofes in der Angerkirche eingekleidet wurde und Ao. 1750 in Gott einging. Der Sarg, in welchem die drei beſagten Fürſtinnen

 

1 ruben, trägt die Hauptaufſchrift: Ossa Clarissarum in An gere D. B. Der zweite Gegenſtand hat Bezug auf die Churfür ſtin Adelheid von Savoyen , Gemahlin Ferdinand Maria's und Mitſtifterin der Sheatinerkirche, und es iſt ihr rauher Bußgürtel. Sie trug ihn wohl zumeiſt in der Charwoche und auſſerdem zu jenen Zeiten, in welchen es ſich um die An dachtsübungen der ,, Sclavinen " oder des Ordens der Dies nerinen der Himmelskönigin Maria " handelte, alſo an den Marienfeſttagen. Dieſen Drden ſtiftete die Adelheit und trat ſelbſt als Oberin ein. Das Ordenskleid war ein hellgrau ſeidenes Kleid mit einem Gürtel von Stahl , das Scapulier war dunkelblau, über dem Haupt hing ein weißer Nonnenſchleier und auf der Bruſt ein goldenes Kreuz an einem goldenen Kettchen. In dieſem Gewand empfing die Adelheid von Sa voyen nebſt den übrigen Ordensſchweſtern an allen Marten tagen in der Theatinerkirche das heilige Abendmahl, am Charfreitag aber gingen fie ſämmtlich zum Beſuch der Gräber in München umher , wobei das Rapitelfreuz vor ausgetragen wurde, und hielten in allen Kirchen Andacht. In dem genannten Ordenskleide wurde ſie auch nach der fich, wie allen Drdensſdweſtern , gegebenen Vorſchrift be graben . Sie war eine fromme, gute Fürſtin , welche allen Ar men unſäglich wohl wollte.

 

von ihr ſchreibt fich auch das dreifache Geläute und Ausſeßen des Sanktiſfimum her , vor welchem , wenn Je mand ſeinem Ende nahte, dazumal zwei Theatiner beteten. So gerne ich nun hier von dem beſagten Muſeum län ger geplaudert hätte, ſo gerne möchte ich es auch vom Bürgerlichen Zeughaus auf dem Anger , worin fich Vieles findet, was an ganz merkwürdige Zeiten, hoch fürſtliche Perſonen und Vorfälle erinnert, wie etwa das S dwert des Churfürſten Marimilian I. und andere Waffen - von ein paar Rädern werdet ihr ſpäter hören Und von einem oder dem anderen Gegenſtande in den Vereinigten Sammlungen am Hofgarten. Aber ich muß doch bald wieder zur Stadt als ſolcher zurückkehren und ſage deshalb von legteren hier nur ſo viel : Daß zur Seite derſelben im zweiten Treppenhaus der rieſige Suh der Bavaria aufgeſtellt iſt, welcher ſeiner Zeit beim Bavaria - Feſtzuge durch die Stadt München ge fahren wurde . Es iſt wohl keine Frage, daß dieſer größte aller Schuhe in der Welt ſeiner Zeit in das Nationalmuſeum kommen und dort fünftigen Geſchlechtern ein Wahrzeiden freudig feſtlicher Zeiten der Vergangenheit bilden werde. Und jeßt gehe ich wieder auf mancherlei Anderes über , wobei ich zuerſt noch auf ein gewiſſed metallenes Grabbenkmal und eine Sakriſtei zu reden komme, dann aber auf ein paar Gebäude , von deren einem noch etwas Wenige$ da iſt, vom anderen aber gar nichts mehr.

 

Mit dem Grabdenkmal aber meine ich 42ſten die ritterli de Geſtalt unter der Drgel zu 61. Geiſt im Thal. Dieſe ſtellt Herzog Ferdinand, den Bruder Herzogs Wilhelm V. oder Frommen bar ; eben Den, welcher Ao . D. 1588 ſeinen Erbfolge - Anſprüchen entſagend , die ſchöne Maria Bettenbed zur Gemahlin nahm und von da an mit ihr in ſeiner fürſtlichen Behauſung am Rinder markt lebte , da, wo man durch die Höfe in das Roſen thal hinabkommt. Beim Hinaustritt zu legterem waren geradeüber die Gärten des Herzog8 ; zur Linken am Thor weg aber war die, zur Hofhaltung gehörige St. Sebaſtians Kirche. In dieſer wurde beim ſeinerzeitigen Scheiden des edlen Herzogs das genannte Standbild errichtet und blieb da felbſt, bis die Kirche weichen mußte, worauf es in die HI . Geiſtkirche übergeſeßt wurde. Die Gebeine des Her zogs und ſeiner Gemahlin aber ruben in der L. Frauen kirche. Bekanntlich hießen die acht Söhne, adyt Töchter und weiteren Nachkommen des Ferdinand und der holden Maria Pettenbec, oder des Peter - Bed - Töchterleins, von deren Liebesangelegenheit im „ Münchener- Stadtbüdılein“ mehr zu finden iſt , Grafen und Gräfinnen von Wartenberg, welches Wartenberg in Niederbayern zwiſchen Freifingen und Landshut gelegen iſt an ſich aber nannte man dieſe Descendenz kurzab die Ferdinandiſche, im Gegenſaß zur Wilhelminiſchen, aus welcher die regierenden Herzoge hers vorgingen.

 

ene, rothgefrönte , gehende Löwe , der Schild ſelbſt iſt durdaus in Silber und blau geweckt, der gekrönte Helm hat einen zweifach gewedten, mit Blättern gezierten Flug, in Mitte deſſen der pfälziſche Löwe fißt. Das Geſchlecht dieſer Wartenberger erhielt ſich übrigens nicht gar zu lange, ſondern ſtarb ſchon Ao. D. 1736 mit einem achtzehnjähri gen Grafen, des Namens Marimilian Emanuel, aus, wel der auf der Ritter - Akademie zu Ettal über einem Pfirſch kern ſein junges Leben verlieren mußte. Wieder auf jenes erzene Denkmal zu kommen , ſo iſt es gewiß ein rechtes Wahrzeichen, wie viel mächtiger oft die Liebe im Herzen der Menſchen ſet, als aller zu hof fende Glanz und alle etwaige Hoffnung auf Herrſchaft; außerdem aber, inſoferne man auf die Zeitläufte und die kriegeriſchen Thaten des Ferdinand ſchaut – beſonders in Betreff ſeines Zuges gegen einen ſicheren Gebhard, wel cher gerne Cölner Erzbiſchof geblieben wäre, aber zu glei cher Zeit verheirathet ſeyn wollte iſt es gleichfalls ein Merkzeichen , daß die Ratholiſchen da durchaus anderer Mein ung waren, und fie find es noch heute. So viel von dieſem Erzmonumente. Was aber die erwähnte Sakriſtet betrifft, ſo meine ich damit 43ſtens jene der Alten Reſidenz - Kapelle. Die iſt in einem Umſtande recht mahnungsreich, und zwar wegen unſeres früheren , vielgeprüften Churfürſten Garl Albert, der als deutſcher Kaiſer Carl VII, hieß.

 

Dieſer tam während ſeines legten Feldzuges gegen Deſterreich Ao. 1744 am 17. Dezember in ſeine wieder frei gewordene Hauptſtadt München zurüc und zog da mit der Kaiſerin, ſeinen zwei jüngſten Prinzeſſinnen und dem ganzen Hofſtaat ein, und darauf legte ihm die Stadt Mün chen am 26. Dezember den erneuten Eid der Treue ab, welcher eigentlich ganz überflüſſig war , denn bei einem Bayern verſteht fich die Treue ganz von ſelbſt. Wie dem ſei , der Kaiſer war da, bewohnte in ſeiner bedeutenden Rräntlichkeit und bei ſtets leichter Ermübung die Gemächer rechts am Kapellenhof und gab fich der Hoffnung hin , im kommenden Frühjahre die Oberpfalz und das Donaugebiet wieder unter ſein Regiment zu bringen, denn dieſe Landſtriche waren noch in öſterreichiſchen Handen. Da ließ der Himmel mit einemmale neue Wolken heranziehen . Das heißt, der edle, kaiſerliche Herr wurde am 15. Jän ner 1745 ernſtlich krank und immer kränker, worauf dann die Aerzte zwar ihr Beſtes thaten – aber das Bodagra fiegte, und ſo kam die Zeit der unläugbaren Lebensgefahr immer näher. Wie nun der Kaiſer bas gar wohl merkte, Iteß er fich, heißt es , zunächſt an - und Einer, der es wiffen konnte, ſagt gar - in die Sakriſtei der, an ſeine Gema cher ſtofſenden, Hoffapelle bringen, wo er von ſeinem Lager aus auf einen kleinen Hausaltar ſehen konnte. Nächſt Iteß er am 20. Jänner Morgens feine ganze Fa milte zuſammen kommen, erklärte ſeinen Sohn Mar 30

 

feph III . für großjährig , nahm von allen herzinnigen Abſchieb, ſprach noch etliche Zeit mit den beiden Herzogen von 3 weibrüden , verlangte dann die regte Delung, welche ihm der päſtlide Nuntius Stoppani ertheilte und um Mittag gab man dem Kaiſer eine Goldtinktur, die ihm ſo wohl anſchlug, daß man ſich während ein paar Stunden Hoffnung auf ſeine Geneſung machte aber man täuſchte fidh. Und ſo kam es denn um ſieben Uhr Abends doch zum Scheiden aus dieſer Welt, in welcher der edle Fürſt ſo viel Bitteres für ſein wohlvermeintes Recht ausgehal ten hatte. Die, welche in ſeiner Zeit lebten und von ihm Nach ridit geben, ſagen, daß er viel Verſtand, ein ungemein gutes , großmüthiges Herz und viel Tapferkeit beſeffen habe, daß er über Ergözlichkeiten und große Pracht, welche er allerdings liebte : ,, Denen Regierungsangelegenheiten alle Zeit tapfer und ausdrüdlich vorſtand, auch bei ſeinem keineswegs ge ringen Aufwand in Finanz und Cameralibus Alles ſo wohl in Stand und Gleichgewicht zu halten wußte, als daß da keine Frrung und zu großes Unverhältniß erſicht= lidy ward . That ſich auch jeder Zeit, dann ohngeachtet er gute Räthe um fid hatte , nicht zu ihrem Werkzeug herab ; hinwieder nicht gänzlich geläugnet werden könnte, daß er rem franzöſiſchen Miniſter Chevalier de Chavigny leider Gott in lepteren Jahren mehr Gehör geben mußte, ale

 

ihm ſicher ſelbſten lieb geweſen. Aber das kam von denen gottsleidigen Kriegsläuften und Allianzen ." Vielleicht iſt es Euch genehm, wenn ich Euch in Kur zem twas von des Kaiſers Leichenbegängniſſe melde. Das fand am 25. Jänner Abends um 5 Uhr unterm Geläute aller Glocken ſtatt, und dabei trugen abwechslungs weiſe vierundzwanzig Rammerherren den Sarg . Vor dieſem dritten die Münchener Bruderſchaften und Ordenegeiſtlichen, laut betend und in den Händen brennende Wachskerzen , weiters famen die Trauermuſik, der geſammte, weltlice Clerus, die kaiſerlichen Hofkapläne und der Kirchprobſt zu u. l. Frauen Franz von Betten dorf in Pontificalibus nebſt den Chorherren und Caplänen. Nach dem Sarg ſchritten die Edelknaben mit brennen den Wachskerzen und ſämmtliche, faiſerliche Miniſter und Räthe, aud Alle mit brennenden Wachskerzen . Die Theatiner, wieder ſo, übernahmen den Sarg am Gingang ihrer faſt ganz ſchwarz ausgeſchlagenen Kirche, auf deren Altären überall Lichter brannten , und geleiteten ihn bis zur Mitte zum ſchwarzen Katafalk, welcher von hundert großen, brennenden Wachskerzen umgeben war. Auf dieſen Ratafalt wurde der Sarg gelegt und auf neun weißen Kiſſen lagen die kaiſerlichen und die durfürſt lichen Inſignien , ſowie der goldene Vließ- , der Georgius und andere hohe Orden des Raiſers umher. Als das Requiem geſungen war und dann das Kriegs = volt vor der Kirche am Sdwabinger Thor eine breifade Salve gegeben hatte, wurde der Sarg, von acht Kammer

 

herren in den Chor getragen , ben faiſerlichen Truchfeffen übergeben , vom Probſt der Theatiner übernommen , und, nach Ausſtellung der Reverſalien unter dem Geſang Bene dictus Dominus Israel in die Gruft geleitet. Am Tage nach den eigentlichen Erequien hielt der Hofprediger $ ofreiter eine Leichenpredigt, welcher dann eine muſikaliſche Trauermeſſe folgt, und während derſelben machten der junge Churfürſt Mar Joſeph III . , ſeine Mut ter und Geſchwiſter nebſt dem ganzen of den üblichen Opfergang. Nun geräth die Rede auf die beſagten Gebäude und zuerſt auf das , von welchem faum mehr etliche Spuren vorhanden ſind. Damit iſt 44ſtens die Neubeſte gemeint. Es gibt noch immer Manche, welche nicht genau wiſſen , wie die Burgen in München der Reihe nach ent= ſtanden ſind, und von wem ſie herrühren. Dies könnte ich hier nun ganz genau berichten , wenn ich es nicht im „ Plauderſtüblein" ſchon gethan hätte. Aber von der be ſagten Neuveſte allein zu ſprechen , ſo ſtand fie gerade auf dem jeßt offenen Plaße , an welchen die Allerheiligenkirche und die Rüdſeite der Reſidenz gränzt, und es iſt von ihr Icon Ende des vierzehnten Jahrhunderts die Rebe. Sie war aber da noch Höchſt unbedeutend und beſtand wohl nur aus einem mäßigen Gebäude , unweit deſſen fich ein ſtattlicher runder Thurm erhob ; groß auf wurde ſie erſt zu Zeiten Herzog Albrecht des Weiſen errichtet. Dieſer merkwürdige Herr berließ dann auch die Lud

 

wigsburg, oder den alten Hof – worin weiters einheimiſche und fremde Fürſten, die auf Beſuch kamen , wohnten, und ein und das andere höhere Amt ſeinen Aufenthalt nahm, ungerechnet, daß ſpäter Albrecht V. ſeine große Bibliothek barin aufſtellte – und bezog die Neuveſte, in welcher auch die folgenden, regierenden Herren wohnten, bis ſie einſt durch Brand litt. Um dieſe Zeit bezog Churfürſt Marimilian I. für einige Jahre einen Theil der Burg, welche ſich ſein Va ter Wilhelm V. erbaut hatte, nemlich der Wilhelms oder nun Marburg , und ließ ſids durch den großen Met ſter Peter Candit im erſten Drittel des fiebzehnten Jahrhunderts ein neues , herrliches Shloß bauen, deſſen äußerlich erhaltenen Theil wir die alte Reſidenz nennen , den anderen erneuerten , veränderten oder ganz neuen aber den Königsbau u . f. w . Jene Neuveſte iſt alſo nicht mehr da, indeſſen bilden doch die Gebäude zur Linken und Rechten am beſagten Plaß noch Mertzeichen der nädſten Burgumgebung, obwohl das zur Rechten in neueſter Zeit auſſen ziemlidhe Veräns derungen erlitten hat. Nun wende ich mich zu dem Gebäude , wovon in Wirklichkeit gar nichts mehr vorhanden iſt, nemlich 45ſtens zum ſchönen Thurm , welcher früher am Ende der Kaufingergaſſe, unweit von der Auguſtinerkirche, ſtand. Es finden ſich zwar dort und da und in diverſen Büdern Abbildungen deſſelben und etliche Worte darüber, aber bei allem dem wäre es doch möglich, daß das An

 

denken mehr und mehr für's Allgemeine verloren gegangen wäre, wenn ſich nicht Etwas zugetragen hätte, wodurch er ein richtiges Dentzeidien bekam. Die Sache ging aber ſo vor fich. Als das große Jubiläum des fiebenhundertjährigen Beſtandes der Stadt Münden gefeiert wurde, fiel es einem tapferen Doctor und Zahnarzte bei , das plaſtiſche Bild des Thurmes anfertigen und an ſeinem Hauſe anbringen zu laſſen , und dazu wünſchte er von mir etliche Reime, aber ganz von der alten Art. Da war ich natürlicher Weiſe ſogleich bei der Hand, wie derſelbige Shulmeiſter und Stadtpoet, welcher die Reime für das Bäderhäuslein im Thal concipirte. Item ich ſchrieb die Neime feſt auf, gab ſie dem Anderen , Der ließ ſie auf zwei große Rollen ſchreiben , links und rechts am Thurmgeſchniß aufhängen , und ſo blieb es allüber die Feſtzeit. Nad dem Feſt blieb zwar das Thurmgeſchniß am Hauſe, die Rollen aber kamen wieder von der Mauer und die alten Reime waren nur mehr unter dem Hausthor auf einer Tafel mit dem Bild des Thurmes zu leſen . Was geſchieht ? Faſt gerade über von dem Haus, daran die Reime - waren , befindet ſich das ganz veränderte, frühere Ettaler haus, von deſſen verfommenem Kaiſerbild Ihr ſchon früher geleſen habt . In dieſem Haus an der Ecke hat ein tapferer Raufherr ſein Gewölbe, und Der dachte ſid, eines Tages :

 

Die Erinnerung an Kaiſer Ludwig folt hierorts nicht ganz vergeben. Darauf ließ er ein Bildniß des Kaiſers anfertigen , um es an ſein Haus anzubeften als er aber lange fragte, ob er dürfe, wollte die Sache alle Tage weniger vorwärts. Dieſes ließ ſich bei dem Raufberrn ſo übel an, daß er fich dachte : Wenn man guter Abfidht nicht ſchneller beiſpringt, iſt's auch recht – und wollte die ganze Sache unterlaſſen . Wie fich's nun gibt, kam dieſer tapfere Kaufherr mit dem Doctor und Zahnarzt zu Rede, darüber gerieth der Legtere in Beſit des Kaiſer Ludwig - Bildes , und kaum war es ſein , ſo ließ er es ohne Weiters ober dem von ihm geſtifteten Thurmgeſchnitt anbeften , nächſt auch die beſagten Reime auf die Mauer fahreiben , am Frohnleichnam Ao. 1863 war das ganze neue Denk- und Wahrzeichen vor Augen der Münchner und ſiehe da, es iſt den bei den Gründern und Stiftern keinerlet Böſes widerfahren , weder dem Zahnarzt Meyer, noch dem Kaufherrn Leuze. Wär' wohl auch redyt, wenn uns gar verboten werden wollte, unſere ruhmreichen Fürſten und das Schöne alter Zeiten zu ehren, fo thun wir bei Allem freudigen Gebor ſam gegen die Bau- und anderen hoben Aemter denn body nicht. Damit nun Männiglid das bequem leſen könne, was da neben dem Sdönen Thurm Wahr- und Dentzeiden geſchrieben ſteht, will ich die beſagten Reime hier folgen laſſen :

 

Hier war einſt vor viel hundert Jahr Die Stadt zu Ende ganz und gar, Man hieß es da am obern Thor, Und eine Bruck war auch davor, Und drauſſen, daß die Kund' es meld' , Da war zu ſeh'n ein Haberfeld. Der Kaiſer Tudwig lebte dann, Der edle Held und deutſche Mann. Dann ward die Stadt erweitert mehr, Baut man den ſchönen & hurm anher, Verſchwand der Graben und die Bruck, Dem Thurm, dem ward viel bunter Schmuck . Da war Herold und Zinkenier, Den Kaiſer ſah man auch allhier Und ihm zur Seiten allzumal Churfürſten in geſammter Bahl, Und drunten an dem Thurme da Ein ackernd Bäuerlein man fah. Doch an dem Thurm zu öbriſt war Die Wetterkugel wunderbar, Bei gülden Hälft war Sonnenſchein, Bei blauer fiel ſchlecht Wetter ein, Was war und iſt, in Beit vergeht, Gotts Lieb für Bayern , die beſteht! Ueber den Thurm , welcher nun allerdings nicht ſogleich anfangs ſeinen Beinamen erhielt, aber ſicher ſchon durch ſeine Erſcheinung bedeutſam wirkte, füge ich hier noch bet, daß man es alſo da in allerſten Zeiten, als die Stadt hier zu Ende ging, am oberen Thore" nannte, dann beim ,,Chufringer thor, " daß ſpäter — als ſich der Raum von da bis zu den

 

von Herzog Rudolph , dem Bruder Ludwig’ø, erbauten Stadtmauern durch die Entſtehung der Neuhauſergaſſe mehr und mehr ausfüllte – der ganze Weg eingeebnet,, weiters der Thurm größten Theils abgebrochen , neu auf gebaut und wegen der ſchönen Malereien der „ ſchöne“ ge nannt wurde und ſo fort, bis man Ao. 1777 die Spiß thürmlein wegnahm und Ao. 1807 den ganzen ſchönen Thurm vertilgte. Es gab darüber viel hin und her, aber die eine Par tei fiegte, indem ſie behauptete, er ſei baufällig. Das war gewiß nicht ſo ; ſie wollten nur plößlich nichts ſchönes Altes mehr ſehen ; das iſt es — und ich glaube, der Thurm war noch ſo feſt, daß vielleicht jeßt alle Baumeiſter miteinander nicht mehr im Stand wären, einen ſo feſten Thurmzu bauen. Nun komme ich wieder auf verſchiedenes Andere zu reden , und zwar zuvörderſt 46ſtens auf einen Denkſtein , welcher keineswegs alt, ja , während ich dies ſhreibe, noch gar nicht da iſt, aber hoffentlich bald, und zwar mit einem getreuen Bildniß ge ziert, da ſeyn wird. Das trifft auf das Haus Nr. 12 in der Kaufinger gaſſe. In dieſem , gerade über dem großen Raufgewölbe, wohnte . vierzig Jahre lang unſer Geſchichtſchreiber Lorenz v. Weſtenrieder. Was Treffliches dieſer edle Mann, oft unter den größten körperlichen Leiden , ſchrieb , welchen wohlthätigen Einfluß auf Staat, Kirche und bürgerliches Leben er feiner

 

Zeit ausübte und welchen muſterhaften Charakter er beſaß, das kann von uns Bayern nicht genug erkannt werden . Ich meine deshalb ganz recht zu thun, wenn ich etwas Näheres bon iom melde; nichts von ſeinen Werken , die liegen vor aller Augen, fondern Einiges, was ſeine Her kunft, ſeine Freunde und ſein Scheiden von hienteden be trifft, und ich halte dieß für um ſo mehr begründet, als vor ſeinem Standbild rid Mancher von einer ähnlichen Frage angeregt finden mag. Alſo , am 1. Auguſt 1748 fab der Weſtenrieder zu München das Licht der Welt. Sein Vater war ein ebrſamer Kornfäufler mit Namen Cyriſtian , ſeine Mut ter hieß Margreth , und zu St. Peter ging der Lorenz Weſtenrieder in die Sdule. Als er in dieſem Alter war, ſtarb der Chriſtian , und der Weſtenrieder bekam einen Stiefvater, der aber einer von den Beſten war, ſo daß er den Knaben wohl hielt und fort und fort lernen und ſtudiren ließ , bis Der in die wei teren Jahre kam — und Ao. 1771 am 6. Oktober im Dom Unſer Lieb Frauen Primiß hielt . Nächſt fing der Weſtenrieder als geiſtlicher Herr klein weiſe an, bis er es in viel ſpäteren Zeiten, als Ao. 1807 zum geiſtlichen Rath und Ao . 1821 zum Domcapitular brachte — in eben dem Jahre, in welchem , 31 Folge einer Uebereinkunft zwiſdhen König Mar Joſeph , und dem päſtlichen Stuhle, die, achtzehn Jahre früher aufgehobenen Bisthümer mit ihren Kapiteln wieder hergeſtellt wurden . Weil deſſen eben Erwähnung geſchieht, will ich bei=

 

fügen, daß der zum Erzbiſchof von München und Freiſingen ernannte Freiherr Anſelm von Gebfattel am 1. Nos vember genannten Jahres in der Michaelskirche durch den päbſtlichen Nuntius, Prinzen Serra Caſſano, zum Bi ſdof geweiht wurde und am 5. ſeinen Einzug in den Lieb Frauen Dom hielt . Doch wieder auf Weſtenrieder zu kommen , ſo war er unter den Mitgliedern der von Churfürſt Mar III. ge gründeten Akademie der Wiſſenſchaften in ſeinen lebten Lebensjahren der Aelteſte. Daß er von Alten, die ihn näher kannten, geliebt und geehrt war, verſteht ſich von ſelbſt -ſeine eigentlichen Freunde aber waren der gelehrte Pfarrherr von Engelbrechtsmünſter, Antonius Bucher, der tüchtige Hiſtorikus lorenz $ übner, die bayeriſchen Geſchichtsforſcher Roman Zirn gibl und Hermann Scholliner, der Ingolſtädter Bibliothckarius Joſeph Oegst , der Prieſter und Schul rektor Hueter zu Straubing, der eben ſo gründliche, als ſtets froh gemuthcte Antonius Nagel , Pfarrherr zu Marding und endlich ſein Verleger , der verdienſt- und daraktervolle 3. B. Strobl zu München. Wie nun nach Verlauf vieler Jahre und nach vielen trefflichen Bewährungen und Leiſtungen der Weſtenrieder ganz alt war und eines Tages mit dem noch älteren Gra fen Preyfing von Moo8 ſprach, ſo ſagte Der : „ Ich reis' jeßt in’s Wildbad Gaſtein und feier' dort mein Badjubiläum, denn ich gehießt nicht weniger , als vierzig Jahre jeden Sommer hin . “

 

Darauf ſagte der Weſtenrieder : ,, So lange geb ' ich noch nicht hin , aber doch ſchon vierundzwanzig Jahre hindurch jedes Jahr, und im fünfti gen feiere ich dann inein fünfundzwanzigjähriges Badejubi läum ." Darauf ſagte der Preyſing : „ Das iſt nicht ſo viel, wie das meinige, aber iſt doch was." Als ſich nun der Weſtenrieder auf das Jahr 1829 ſchon des Beſten verfah , war vom Himmel ganz etwas Anberes über ihn beſchloſſen worden. Denn er erkrankte und nach vier Wochen, am 15. März, war ſeine Seele von dannen. Auf dieſe Botſchaft hin war man aller Drte betrübt und begab man ſich in Menge über die drei Treppen bin = auf, um den ,, edlen Weſtenrieder" noch einmal von An geficht zu Angeſicht zu ſehen , welchen der damalige Beſißer des Hauſes in herzlicher Verehrung ſo lange, als möglich, alſo auch im Tode beherbergen wollte. Dazu hatte er den offenen Sarg auf einen ſchönen Katafalk mit vielen Lichtern und Blumenſtöcken bringen und das Gemady, worin erſtand, fowarz ausſchlagen und mit Wandleuchtern verſehen laſſen. Am 18. März Nachmittags vier Uhr kam das Me tropolitankapitel und das geleitete den Verlebten unter Fadelſchein und Poſaunenſchau zur leßten Ruheſtätte. Der Zug ging durch die Kaufinger-, Roſen- und Sendlingerſtraße. Viele Mitglieder der Akademie der Wiffenſchaften und der Univerſität, viele hohe Staatsbeamte , der ganze Rath

 

der Stadt, der Clerus ber drei Stadtpfarren, die Alum nen, eine Menge Bürger und Andere ſchritten mit – und ſo trugen ſie ihn fort und hinaus, den Mann mit ſeinem bieberen Bayerherzen und ſenkten ihn in's Grab, zur Lin ken nächſt dem Anfang der Bogengänge des großen Fried hofes. Der Domdechant Hedenſt aller ſegnete ihn ein und hielt ihm eine ſchöne, rührende Grabrede. Im Gemady, in welchem Weſlenrieder verſchieb , warb vom damaligen Befißer des Hauſes des Verlebten Büfte angebracht, welche vom heutigen gleich hoch in Ehren ge haten wird, und wer immer da wohne , hat die Verpflicht= ung , ſie zu belaſſen und zu bewahren. Noch ein Wort über Bildniſſe von Weſtenrieder. Das eine als Medaillon in Metall veranlaſſte ſein Freund und Verehrer 3. B. Strobl. Dieſes Medaillon ließ er von Scheufele in Stahl dyneiden . Auf der einen Seite iſt Weſtenrieders Conterfei, auf der anderen liegt in Wolken mit der Poſaune des Ruhmes ein offenes Buch. Die Aufſchrift iſt : Lor. Westenrieder. Natus Monachii. I. Augusti. MDCCXXXXVIII. Historiae Boicae Scriptori. Johann Bapt. Strobl, civis et Biliopola Monacensis Fieri . Curavit. MDCCLXXXVI. In dieſem leßtgenannten Jahr gab nemlich Weſten

 

rieder feine Geſchichte von Bayern zum Gebrauch des gemeinen Bürger und der bürgerlichen Shulen in einem Bande heraus , welcher dann Ao. 1798 ein Abriß der bayeriſchen Geſchichte als ein Lehr- und Leſebuch folgte. Gemalte Bildniſſe Weſtenrieder’s gibt es nur drei . Dasjenige von Moriz Kellerhoven , welches ſein milbernſtes Weſen am beſten ausdrückt und fich in Kupfer geſtochen auch in den Hiſtoriſchen Beiträgen befindet, befiße id ſelbſt. Zu dem Bildniſſe ſchaue ich gar oft und lange und denke mir : In, Der iſt ein rechtes Wahrzeichen der Ehren haftigkeit, der unermüdlicykeit im Guten und der Liebe für unſer ſchönes Vaterland ! Und nun wieder zu merkenswerthem Alten - wohin ?? Noch einmal zur Hoffapelle der alten Reſidenz. In dieſer wurde von je , zur Erinnerung an einen beſonders Gottbegeiſterten und in den Glaubensſtreitzeiten für den Kaiſer und die Liga glühenden Mann der Kirche, 47ſtens das Bildniß des Karmeliters Dominicus a Jeſu Maria aufbewahrt, welchem ein weſentlicher Ein fluß auf die Pragerſchlacht zugeſchrieben wurde , indem er unſerem damaligen Herzog und dann Churfürſten Mar I. und dem ganzen Kriegsvolt mit dem Kreuz Chriſti in hoch erhobener Hand ſo heilig begeiſtert zuſprach und aller Orte todverachtend voranging, daß Reiner am vollkom menſten Sieg zweifelte. Da die Rede ſo eben wieder auf unſeren großen Chur

 

fürſten Mar fiel, möchte es wohl Manchem lieb ſein , zu erfahren , wo ſich denn die getreueſten Bildniſſe deſſelben , abgeſehen von ſeiner herrlichen Reiterſtatue auf dem Wit telsbacherplaße, vorfinden , namentlich auch, wie er in ver ſchiedenen Lebensaltern ausgeſehen habe. Da kann ich wohl Beſcheid geben. Als Kind iſt er auf das getreueſte am Ende des kleinen Familien - Conterfei - Buches ſeines Vaters Wila belm V. dargeſtellt, welches Buch im Saal des fechzehn ten Jahrhundertes im bayeriſden Nationalmuſeum bewahrt wird ; als fühn und feſtſchauender junger Mann kann man ihn im breiten Vorplaß der alten Reſidenz, zur Linken nächſt den Steinzimmern, ſehen, wenn man über zwei Trep pen vom Kapellenhof herauffömmt – nebenbei geſagt, fin det man zur Rechten von dieſen Steinzimmern , im ſchmä leren, reichverzierten Corridor, die Wappen fämmtlicher baye: riſchen Städte- als älteren Mann ſieht man ihn im Eins gangsſaale der alten Pinakothek, zur Rechten . Nun gab es oben Bericht von Begeiſterung und Ver trauen auf das allen Chriſten heiligſte Wahrzeichen. Wieder ein anderes des gläubigen Zutrauens iſt 48ſtens das geſchnißte, wunderthätige Muttergottes bild in der Herzogſpitalkirche. Dieſes Bild hat ein ficherer churfürſtlicher Baumeiſter und Bildhauer des Namens Tobias Bauer verfertigt, deſſen Conterfei man in der Sakriſtei genannter Kirche bewahrte, und als Churfürſt Mar III. an ſein Ende kam , wollte er , daß man ihm das Marien-Bild an ſein Krankenbett

 

trage. Das geſchah auch, und well jener Fürſt unſäglich geliebt war , ſo warfen ſich die Menſchen , ſchreibt Einer, welcher dazumal lebte, auf dem ganzen Wege der Ueber tragung auf offener Straße nieder und flehten zum Himmel um Erhaltung ihres theueren , väterlichen Herren. Wie hier Vertrauen zu Tag kam , ſo iſt etwas An deres ba, welchee herzinnigliche Demuth anzeigt , nemlich in der Michaelskirche, gerade über vom ſchönen Denkmal Herzogs Eugen , des Vicekönigs von Italien - 49ſtens der einfache Grabſtein Herzog Wilhelm & V., des Erbauero genannter Kirche. An dieſem Grabſtein be findet fich ein erzener Engel mit einem Weihwaſſergefäß, und die Grabſdrift, hinlänglich die Unterwerfung unter Gottes Gerechtigkeit und die Schnſucht nach Vergebung jeder Seelenfchuld ausdrückend, lautet einfach : Commissa mea pavesco , dum veneris judicare, noli me condemnare. Den Chor der Michaelskirche betreffend , mag hier nebenbei bemerkt ſein , daß am Rande deſſelben urſprüng lich jene zwei erzenen Löwen geſtanden ſein ſollen , welche fidh vor der alten Reſidenz befinden . Nun will ich an etwas Anderes errinnern , was übrigens , wer weiß , wie bald, nicht mehr da ſein wird, das iſt 50ſtens der Erkerthurm des Regierungsgebäudes am Marktplaß. Er iſt deshalb merkenswerth , weil von den vtelen, hodi vornehmen Perſonen, welche früher zur weltbe rühmten Frohnleichnamo - Prozeſſion gen München famen ,

 

die Alteren da herabſchauten , während die Jüngeren und Kräftigeren an dem , überaus lange Zeit währenden, Zug Theil nahmen ; und zwar ſollen da auch gelegentlich Für ſtinnen dabei geweſen fein , ihre Demuth an den Tag zu legen . Die Hauptſache bei dieſem Erker iſt aber, daß der treffende regierende, bayeriſche Herzog oder Churfürſt, wel der das Sanktiſſimum begleitete, an demſelben aus einem vom Bürgermeiſter gebotenen , ſilbernen und mit Wein ge füllten Pokal trank, was einerſeits als Ehrentrunt galt, andrerſeits eine Anſpielung auf das Blut Chriſti in fich barg . Weil nun, wie geſagt, große Gefahr da iſt, daß der Erkerthurm nicht gar zu lange mehr ſtehen dürfte , wollte ich dieß bemerkt haben ; wer weiß , denkt dann ſpäter doch Mancher noch daran, wenn er auf ſeinem Weg zum Markt plaß an die Ede der Dienersgaſſe kömmt , und es wäre doch unrecht, wenn er faſt gänzlid vergeſſen würde. So wiſſen jekt von noch ſo Vielen kaum Etliche mehr, was es auf dem Mar Joſeph- Plaß Nr. 12 mit der Thüre des dortigen Verkaufgewölbes geweſen ſei. Dieſe Thüre oder dieß Thor war aber 51ſtens der Eingang in das uralte Bittrich oder Püttrichtloſter. Nun iſt gar wohl bekannt, daß Herzog Albrecht IV . oder Weiſe des deutſchen Kaiſers Friedrich III. ſchöne Tochter Kunegunde ohne beſſen Wiſſen und Willen zur Gemahlin nahm, und daß daraus viel Zwiſt entſtand, bis ſich

 

der Kaiſer zufrieben gab, und dann die fürſtlichen Ebeleute endlich ungeſtört glüdlich miteinander leben konnten. Ao. Dom . 1508 ſtarb nun der Albrecht. Da wohnte die Kunegunde den Erequten ihres theueren Gemahles in tiefſter Rümmerniß zu U. & . Frauen bei, dann fuhr fic weg, ließ beim Bittrichkloſter anhalten , läu tete an , ging hinein , und als ſie im Kloſter drin war, ging fie nimmermehr herauß – ein oder zweimal ausge als es ihr eine oder die andere Angelegenheit burchaus zur Pflicht machte. Nun meine ich, daß die fragliche Thüre oder das Thor gewiß ein merkſames Wahrzeichen edlen Schmerzes und der Freudenloſigkeit an der ganzen Welt ſet ; und wenn ich auch nicht zweifle , daß es noch viele Geſponſen gebe, welche der Verluſt ihres Gemahls ſo weit treiben könnte, ſo durfte ich doch ſicher da nicht ſchweigen, wo die alte Zeit ein rührendes Beiſpiel aufweiſt. Weil ich übrigens kurz vorher wieder von der Frohns leichnams- Prozeſſion ſpracy, ſo will ich mich zu Dingen wenden, welche jeder Zeit als tüchtige Renn- und Wahr zeichen fromm kirchlicher Verbindungen galten . Damit meine ich 52ſtens die Standarten der Bruderſdaften, beren zu München früher piele entſtanden – als die Con gregation der Geſellen, der Herren Bürger , die des heil. Ifidors, eines Bauern, der hl. Nothburga, einer Dienſtmago, die Engelbruderſchaft, die der ſieben Schmerzen Mariä, die des St. Maurizius, der Maria Magdalena, die Erz

 

bruderſchaft des hl. Michael, bie des hl . Lorenz zur Er löſung der Seelen , die lateiniſche Congregation, die Cor poris Chriſti -Bruderſchaft, die des St. Johann Nepomud, die Altöttinger-Madonnen -Grzbruderſchaft und die des hl . Martyrs Georg. Wie Einzelne dieſer Bruderſchaften auf die Kunſt Einfluß ausübten und ſo ſchöne Merkmale derſelben für die Nachwelt ermöglichten , kann man am Beſten betreffs der Congregation der Herren Bürger wahrnehmen, welche ſich nach der Beſtätigungsbulle Papſt Gregor XIII. Ao. 1584 mit der lateiniſden vereinte und Ao. 1610 als beſonderer Marianiſcher Bund auftrat. Dieſe .Congregation erkaufte nemlich Ao. 1710 unter Mithilfe von bürgerlicher Beiſteuer brei Häuſer, das eines Frhrn. von Lerchenfeld und zwei eines Rechtsanwaltes Biedermann, erbaute den ,, Bürgerſaal" in der Neuhau ſergaſſe, berief dann den berühmten Tiroler Maler Knoller und trug ihm auf , die Himmelfahrt Mariä an die Kirchdecke zu malen, welches Bild noch heute von den bewundert wird . Audy wurde der Landſchaftsmaler Beich beauftragt, die bayeriſchen Wallfahrten für dieſe Kirche zu malen, und es heißt, dieſer treffliche Meiſter habe in Betreff dieſer Bilder zum Zwec des Gangen einen ſo geringen Preis verlangt, daß man eben ſowohl fagen konnte , er habe nichts als ſeine Auslagen bekommen und ſomit feine Bilder gewißermaſſen als Wahrzeichen ſeiner Opferfilligkeit zur Verehrung Mariä dargeboten . Soviel von oft findlich ſchön gemalten Standarten

 

und meiſterhaften, großen , kirchlichen Gemälden. Des und jenen Bildes oder einer Inſchrift an Häuſern wurde audi idon Erwähnung gethan und das kann hier wiederholt geſchehen . Von den etliden ſchönen , bibliſchen Vorſtellungen, zum Beiſpiel an ein paar Häuſern in der Kaufingergaſſe iſt frei lich ganz Umgang zu nehmen, da fie durch ihren hohen Sinn für ſich ſelbſt ſprechen . Was aber ein paar andere betrifft, nemlich 53ſtens die zwei Wandbilder zur Rechten , un mittelbar nach dem Eintritt in das Thal, vom Raththurm her, ſo ſind ſie im Ganzen nur allgemeine Abbildungen der Tracht- und Gewerbeübung früherer, wie noch jepiger Zeit und wenn auch das eine von der in das Spiel kommenden Innung, das Andere glaublich von einem hier zum Bürger Aufgenommenen geſtiftet wurde, was Beides ganz wohl anerkannt wird, ſo iſt doch das erſte Bild vom Rathaus her das bedeutendere, indem das Gebäude, welches man da in der Ferne der Landſchaft ſieht, die alte Burg Unter Wittelsbad, vorſtellen fou . Vom Bilde auf dem, in reiciſt alter Weiſe wieder hergeſtellten , Raththurm darf ich hier im Grunde nichts erwähnen, weil es nicht zu den alten Wahr- und Dent zeichen Münchens gehört aber ſo viel denn doch, daß es der Zukunft als ein ſolches gelten und andeuten wird, eß habe dem wohlweiſen und fürſichtigen Rath der Stadt, dem Himmel Dant, nicht an Geld gefehlt , um dem vielen Nüßlichen auch das Schöne zu verſchwiſtern.

 

Noch etwas Weiteres von Bildern , ſo ſind — abgeſehen von den im kleinen Rathhausjaale und in der Pinakothek befindlichen Anſichten der Pläße und Straßen des älteren Mündiens , gar ſehr merkenswerth die uralten Fürſtenwandbilder, weldie man vor etwa zwölf Jahren im „alten Hof“ oder der ,,Ludwigsburg “ entbedte. Jeder, welcher durch das Thor nächſt dem ſchönen , oben und unten ſpißen Erferthürmlein eintritt und ſich in den Vorplaß hinauf begibt, kann ſie leicht finden . Es ſind dieß übrigens nur etliche von einer ganzen Reihe fürſtlicher Geſtalten nebſt Inſchriften, mit welchen der, früher wohl ganz anders be ſchaffene, Vorplaß geziert war. Die Holzſäule, welche da bei aufgepflanzt iſt, ſchreibt ſich aus der ganz alten Anger kirde her. Nun habe ich aber 54tens weiter oben verſprochen , über ein paar Rä der im bürgerlichen Zeughauſe zu berichten. Die Sache war in kurzem fo : A0. 1709 waren in der St. Jakobs - Vorſtadt zu A ugeburg Etliche beieinander, dabei ward erzählt, daß vor fiebenzehn Jahren ein Wagnergeſelle zu Daſing am frühen Morgen ein Wagenrad gemacht und es denſelben Tag noch bis Dadau getrieben habe. Das ward bezweifelt, und der Wagnermeiſter Johannes Guttmann von Ledaufen behaupte : ,, Er ſei ſelbſt dabei geweſen und er wolle das Stück desgleichen ausführen von Ledhauſen aus gen Münden. " Das wollte der Hutmachermeiſter Chriſtian Ulber

 

nicht glauben, wettete dreißig Gulden , der Andere ging ein , und die Probe ward auf den zwanzigſten Junius anberaumt. Ueber ein paar Tage reute denſelbigen Hutmacher ſeine Wette, der Wagnermeiſter ſtand aber nicht ab , der Andere zürnte und ſagte ihm Böſes nach , ſo daß ihn der Wagnermeiſter beim Bürgermeiſter verklagte, und da wurde in Allem zu des Leşteren Vortheil entſchieden. Nächſt ſpreizte fich der Hutmacher aufs Neue und bot eine Abfind ungsſumme von 10 fl. Der Bürgermeiſter wollte auch, daß die Sache unterbleibe , worauf ſich der Wagnermeiſter beim Notarius Simon Peter Rathe erholte , und Der fagte: Er ſollte fich nur nicht irre machen laſſen, der Ulber habe einmal gewettet, und der Bürgermeiſter könne fagen, was er wolle — warum habe er zuerſt günſtig entſchieden . Alſo war der Guttmann ganz getroſt , wartete den zwanzigſten Junius ab , da ſtand er ganz früh auf , es fanden fidy nebſt vielen anderen zwei Handwerks-Zeugen ſeiner Arbeit ein, Die waren auch Wagnermeiſter, Namens Franz Schmucker und Andreas Bloß , welche ihm das Holz darreichten , und fo fertigte er in ſeiner Hausflur ein hinteres Wagenrad. Um ſieben Uhr war er ſchon fertig, dann ging cr zur Meſle , und über den Guttmann und das Rad ward der Segen geſprochen. Nächſt trat der Gutt mann die Reiſe an, beim Wirth Hans Jakob Weber gab's noch ein Valet mit dem þumpen und hierauf trieb der Andere fein Rab weiter, wobei ihrer Viere von Augs burg mitritten, der Seehofer, Greimbod , der Rutt

 

ner und der Rechelhammer. Zu Friedberg ward beim Brauer bieber zugekehrt, und das Rad-Abenteuer nahm die Leute unglaublich ein, ſo daß der Friedberger Krämer Veit Hörman gar per pedes apostolorum mit fortlief, als es mit dem Rad wieder voran ging. Er wird ſich indeſſen ſchon geſtärkt haben , denn der Guttmann und die vier Reiter ſprachen auf dem Wege noch achtmal zu , wo ein Wirthezeidhen war. Troß des vielen Poculirens kam aber der Wagner Guttmann doch lange vor der Thorſperre zu München an. Da hatte man ſchon Bericht, und war viel Volkes verſammelt, bas ihn zum $ ofmeiſter Brauhauſe , dem jebigen großen Gaſthofe zur Linken, wenn man von dem Neubauſerthor hereinkömmt, geleitete, und dort empfingen ihn die Münchner Wagner , an threr Spiße Meiſter Marr Holzmiller und Philipp Meiſter – der Altgeſelle Cleinens Albrecht aber gab ihm voll Freuden Glüdo : wünſche und Willkomm mit einer großen, bändergezierten Zinnkanne. Nächſt ging es in die Ladſtube hinauf, da ward ban fetirt , den nächſten Tag gab der Guttmann dem Rath genauen Bericht über die ganze Sache, wieder am nächſten Tag mußte • der Guttmann das Rad in die Reſidenz treiben, wo es der damalige faiſerliche Landes - Adminiſtrator Graf Lös wenſtein Wertheim betrachtete, mit dem Meiſter ſprach und ihn beſchenkte, gleich wie es der Rath gethan hatte, nachdem ſelbſtverſtändlich ein Zeugniß richtiger Ankunft ausgeſtellt worden war. Drauf biteb der Guttmann noch

 

zwei Tage zu München, ward von der Genoſſenſchaft gut traktirt, fie gab ihm ein weiteres Zeugniß, kaufte ihm zudem das Nad ab, ließ es vergolden und hing es in der Ladſtube auf , der Guttmann aber kehrte ruhmgekrönt nach Lecis bauſen zurück. Inſoweit wäre nun das Abentheuer mit dem Rade ganz gut abgelaufen. Aber über die Wette von dreißig Gulden ward dann ein zehnjähriger Prozeß los , welcher ,, viel Verdruß und große Unköſten " verurſachte. Es kam gar dahin, daß der Gutt mann leiblich hart angegriffen und ſo faſt verlegt warb, daß er Zeitlebens ein Gebreſten , a18 ,, einen frumben Fuß davon trug, berentgegen ob ſeinem Feind den Hutmacher ulber, die Reichsacht verhängt ward. " So iſt die Sache mit dem Rad beſchaffen geweſen, der Guttmann aber hatte troß ſeines krumben Fußes ſpäter nodi einmal Luſt , ein Rad gen München zu treiben , das vollführte er auch tapfer, und dieß leßte, wie das erſtge nannte wurden dann für weiters im bürgerlichen Zeughaus aufbewahrt. Nun war von Kirchen und manchem daran und darin fromm- oder anders Mahnungsvollen ſchon mehrmals die Rebe. Es iſt aber eine andere Kirche bemerkenswerth, weil ſie mit politiſchen Zeitlagen in Verbindung ſteht, und dieſe iſt 55ſtens die beil . Dreifaltigkeitskirche unweit vom Marimiliansplaß, mit ihrer außen befindliden Dedi cation von Seite der drei » status boici « und den Ge

 

dächtnißtafeln links und rechts unter der Orgel. Sie iſt etne ,, Votiv- oder Gelübdekirde," indem man zu Anfang des achtzehnten Jahrhundertes den Himmel bat , drohende Kriegsgefahr abzuwenden. Nun traf zwar in dem erſten Jahrzehnt von Ao. 1700 bekanntlich manches Böſe ein ; es hätte aber wohl noch ſchlimmer ſein können. Somit fühlten ſich die Votivſteller gleichwohl veranlaßt, ihr Wort zu löſen , und ſo wurde die herzliebe und beſonders in ihrem Innern fromm anmuthende Kirche auferbaut , wie ſie noch jeßt vor Augen ſteht. Unweit dieſer Kirche gegen den Marimiliansplaß her und fdhräg herüber von der Wilhelms - oder Marburg, ſtand das churfürſtliche Ballſpiel oder Ballhau 8 . Wenn nun dieß auch heut zu Tage noch ſtünde, ſchiene es allerdings nur ein baulides Merkmal früherer Beluſtig ungsart. Aber es iſt da doch etwas anderes im Spiele. Nemlich im weiten Saal dieſes Hauſes ſchlug der Schwedenkönig Guſtav Adolph A0. 1632 höchſt eigener Hand mit ſeinen Kriegsobriſten und etlichen anderen, bor . nehmen Herren , welche mit ihm in München eingezogen waren, Ball und zeigte fich überaus geſchickt. Dabei fah Friedrich von der Pfalz , genannt der Winterkönig, deſſen Krone Churfürſt Maximilian, wie Ihr wißt, in Beſis bekommen hatte, zu und ſoll in Schadens freude geſagt haben : ,, & r war in Prag – und wir find jeßt in München - ſein Glück war Federſpiel!“

 

Darauf ſoll der Guſtavus geſagt haben : , mein Fribe, das iſt's noch ! Belf uns Gott in unſerem Ziel, daß wir nicht das Glüc hinſchlagen und Er uns das Unglück zurüđ{ !" Darin hatte er richtig geſprochen. Denn über nicht gar zu lange Zeit kam es zur Shladt und da fiel der Guſtav Adolphus. Nächſt will ich noch recht aufmerkſam machen 56ſtens auf den Grabſtein des Pfarrers Erſin : ger zur Linken unter der Orgel von St. Peter. Denn dieſer Stein iſt ein wahres Zeugniß guter Kunſt ſo früher Zeiten. Uebrigens iſt aber zu wiſſen, daß dem be ſagten Erfinger Herzog Albrecht V. oder der Weiſe äußerſt befreundet und gewogen war und deſſen ſtets mit Weis heit gegebenen Rath gar oft in den wichtigſten Dingen befolgte, während er ſich außerdem eben nicht viel einreden ließ. Dieſer für Bayern, durch die Feſtſeßung der Primo genitur allein ſchon, ſo wichtige Herzog wurde , wie Ihr wift, im Lieb - Frauen Dom begraben. Nun meine ich beinabe, es ſei Dem oder Jenem siel leicht ganz lieb, wenn er etwas Näheres von dem ſpäteren , großen Gedent-Trauergottesdienſt für denſelben im genann ten Dome erfährt, um ſo mehr , als früher der Herzogin Kunegunde und ihrer Hinfahrt zum Pittrichtloſter , nach ſtattgehabten Grequien ihres Gemahles, gedađşt ward. Es ſei deshalb Einiges angedeutet, das Mehre aber ſoll eine Scriptur aus alten Zeiten wortwörtlich befagen,

 

welche Einer unter dem Titel : Herzog Albrecht IV. in Bayern hoch löbliche Gedächtnus Leiden be gängnus Ao. D. im neunten Jar“ ( 1509) abfaßte. Alſo zu fraglichem Trauergottesdienſte waren geboten :" Raiſer Mar I. , der Freund und Sdwager des Dabin geſchiedenen , zwei Churfürſten, eine Menge Herzoge, Land und Markgrafen, Grafen, Freiherrn und Ritter, weiters der Erzbiſchof von Salzburg, die Landesbiſchöfe, Prälaten, Pröbſte und Aebte, dazu die Kapitel von Salzburg, Eich ſtett, Augsburg, Freiſingen und Paſſau, wie auch der Rath der verſchiedenen Städte bis weithin. Von dieſen kamen fchon Sonntag vor Sebaſtian Ao. 1509 eine Menge in eigener Perſon , während die Anderen ſich durch Mehre oder Einzelne vertreten ließen -- ſo der Kaiſer Marimilian, welcher den Domdechant Zillen hardt von Augsburg und den Ritter Adam von Freunds oder Fronsberg ichidte im Ganzen waren es weit über die zweihundert fürſtliche und andere, geiſtliche und weltliche Herren -- ungezählt den großen Begleit. Wie denn der Markgraf Friedrich von Brandenburg mit 180 Bes rittenen ankam, der Erzbiſchof von Salzburg mit eben ſo vielen, und Herzog Ulrich von Würtemberg gar mit 380, die Biſchöfe von Eidſtett, Augsburg, Freifingen und Paſſau, mit 80, 70, 55 und 50 derſelben, und zu alle dem trafen noch über die achtzig hobe geiſtliche und weltliche hohe Herren ungefordert" ein . Mittlerweile war Unſer Lieb - Frauen an den Haupt orten mit gutem ſchwarz wollen Tuch " bedeckt und mit weißen

 

Kreuzen und Schilden Land Bayerns verſehen . Die Bahre, mit ſchwarzem gutten fammt bet vierzig Ellen lang über hängt" darauf ein dreifaches Kreuz mit goldenen Blumen - wurde da aufgeſtellt, wo ießt das Kaiſer Ludwigs Denkmal befindlich iſt , das „Hochgrab" oben im Chor ward mit ſchwarzem Tuch verhüllt, und als es zur Feier ging, brannten auf und ab über ſechshundert ,, Þfünden wädy ſen Kerzen, " ungerechnet die vielen hunderte Wachskerzen der Klagenben . Den Einzug eröffneten Paarweiſe ,,fünfzig Haus Arme Menſchen in langen ſchwarzen Röcken und Klag-Kappen, der jeder ein lang groß Staab licht eines Pfunds ſchwer Wachs mit anhangenden bayeri fchen Wappen in ſeinen Handen getragen hat. " Dann kamen Grafen, Ritter, Hofmeiſter und Hoffrauen, welchen dann die Herzogin Kunegunde folgte, vom Graf von Drtenburg und Hans von Pfeffenhauſen geführt — während die zwei Töchter Sibilla und Sabina, je den Johannes son laitern , Johannes von Aichberg, Herrn zu Hals , und vom Wolf von Frauenberg, Herrn zu Haag und fieronimus bon Stauf auf Ernfele zum Begleit hatten . Hierauf folgten eine Menge Grafen , Freiherrn und Ritter. Nun kam ,, der Herold in ſeinem Klagrođ und Kappen mit einem langen braiten Zipfel, hatt ſeinen Wappenrock am Armb tragen , ſeinen Staab gegen die Erd geſenkt zu einen

 

Zeiden, daß weyland feines Fürſten und Berrn Gewalt Job ſey" darnadh kamen die Fürſten und Botſchafter, ein großer, Achtung gebietender Zug. Der theilte ſich dann nach den zwei Seiten des Domes. In der Mitte blieben die Herzogin Kunegunde, ihre Da men und edlen Jungfrauen, wie aud die aus dem Land umher Entbotenen in eigenen Betſtühlen knieten -hinter ihnen „ ſechzig erberger Frauen und Jungfrauen von den Ge ſchlechten zu München, darnach bei vierzig geregelter Bets idweſtern -im Chor find geſtanden die Aebbt und Bröbſt der Landſchaft mit ihren Infuln und pontifikalten und zunächſt unterhalb der Par iſt geſtanden der Herold in ſeinem Klagrod. " Alſo hob die Feier an, und das erſte Amt hat geſungen : Herr Philipp 8 , Pfalzgraf bei Rhein , Herzog in Bayern, Biſchof zu Freifing, und ſeine Diener waren Graf Jörg von Drtenburg , evangelier und Herr Degen hard von Weichs, epiſtler – das ander Amt hat ge ſungen Herr Leonhard Erzbiſchof zu Salzburg , ſein Diener waren der Bildhof von Chiemſee, evangelier , und Herr von Irautmannsdorf, epiftler." Beim Opfergange war die Ordnung ſo : Zuerſt opferte der Herold einen Guldenen Ducaten, welchen Herzog Albert A0. 1500 hatte ſchlagen laſſen. „ Nach ihm zween Klagbrüder mit brinnenden Staab lichtern .“

 

Soldie „zween Klagbrüder " begleiteten auch die nächſt folgenden, alo den Ritter Sigmund von Rorbach und Wendl von Haun burg , nach denen Graf Chriſtoph von Ortenburg das Pannier trug, dann den Johan= nes von Degenberg , welcher das Shwert trug, den Hieronimus von Stauf, welcher den Schild, wie auch den Hofmeiſter Gregor von Eglofſtein und Wolf gang von Frauenberg zu Haag , welche den Helm trugen . ,, Darnach ſeind ſechs Roß mit ſchwarzen wullen Tudy bis auf die Erd bedeckt und durch die bernad Genannten um den Fronaltar gangen und gefirt worden ; hat jegliche drei wädyſene brinnende Kerzen an der Stirn ſtehend, dar unter auch an beiden Seiten jedes ein Sdild des Baier lands gehabt. Das erſte Roß haben gefiert Graf Franz von Þaſing , Graf Wolf von Montfurt. Das ander Roß Graf von Urych und ein junger Herr von Lichtenſtein. Das dritte Roß Herr Däsko , Würfel genannt, ein böh miſcher Herr und Herr Chriſtoph von Laiming , Ritter. Das pierdt Roß Herr anns son clofen , Ritter und Herr Bernhard von Seiboltſtorf, Ritter . Das fünft Roß Herr Wilhelm von Paulſtorf, Ritter und Herr Wolf von Weichs. Das ſechſte Roß Serr Peter von Altenbaufen und Herr Kaſpar Winger , Ritter. " Nach dieſen kamen vier vornehme andere Herrn, denen dann der faiſerliche Botſchafter, die Herzoge Wolf gang , Bruder des Albertus und Wilhelm , des lep

 

teren älterer Sohn nebſt einer langen Reihe von Herzogen, Land- und Markgrafen, Aebten, fürſtlichen und Städte-Ab geordneten, darunter der edle Willibald Pirkheimer , Rathsherr von Nürnberg und des großen Meiſters Al brecht Dürers Freund. Hierauf folgten die Abgeſandten von acht Städten im Land, Dieſen eine Menge anderer Botſchafter, Grafen, Ritter und Edelleute, hierauf die Brälaten in Pontificalibus, die Pröbſte, Dechanten und das Kapitel Unſer Leben Frauen, nächſt folgten ſechs Ritter Land Bayerns, dieſen folgte Ritter Hieronimus $ on Seiboltsdorf mit einer großen brennenden , mit hundert rheiniſchen Gulden beſtedten , Wachskerze - nach allen Dieſen erſt ging die Herzogin Kunegunde und nad ihr die geſammte Zahl der Fräulein und Frauen zum Opfer. Ich habe das ausführlicher berichtet, damit Jeder er kennen möge , wie es bei ſolchen fürſtlichen Trauerfällen früherhin gehalten worden .ſei . Dem Allen füge ich nur bei, daß unter dem Amt ein Pater Auguſtiner die Pre digt hielt, welche ſich über das ganze Leben und die Ver dienſte Albrecht des Weiſen verbreitete und auch vieler Fürſten aus dem Haus Bayern und Habsburg gedachte, die früher dahingegangen waren und dem Gebet der Chriſten em pfohlen wurden – und daß nach Ende des Trauergottes dienſtes die Herzogin Kunegunde wieder in ihr Pütt rich kloſter von dannen fuhr. Die Fürſten, jungen Fürſtinnen und alle anderen Vorneh men, Chriſtlich und Weltlich, kehrten dann in gleicher Drd

 

nung, wie ſie gekommen waren, in die Neuveſte, " zurüd, die jungen Fräulein und die Dienſtfrauen aber begaben fid in den alten Bof “ oder in ihre Herbergen. Damit könnte ich ſchlieſſen . Weil aber nad dem Morgenmahle und Trauergottes dienſte um ein Uhr Mittags für die Fürſten , fürſtlichen Botſchafter und Räthe in der „ Neuveſte," und zwar an vier Tiſchen, Hoftafel gehalten wurde - die Uebrigen Alle wurden in den Herbergen mit aller Notturft heimgeſpeiſt," das heißt, dortfelbſt aus der herzoglichen Hoffüche bedient — ſo möchte ich doch noch etwas hinzufügen , nemlich den Speiſezettel. Wer weiß, iſt damit Manchem und Man cher ein ganz guter Gefallen erwieſen , ſowohl wegen der gewöhnlichen Speiſen, als der Schaueſſen, welche die fieben Alter der Welt vorſtellten . Selbiger Speiſezettel lautet aber fo : Das erſt Eſſen War das erſt Alter der Welt , nemblich Adam und Eva in einem Garten , und ſtund zwiſdjen ihne ein griener Baum , darum fich ein Schlang gewunden hat , ein Apfel im Maul, und neiget ſich damit gegen Eva, dabei Maurachen und Pfiif ferling von Zucker und Mandl gemacht. Das ander Eſſen war ein geſottner Sweinkopf auf einem Roft abgetrüknet. Das dritt Effen war geſotten Fleiſch mit Rapaunen, Hüneren und gedruchendem Fleiſch. Das vierdt Eſſen war ein Figur des anderen Alters der Welt, nemblich die Arch Noe mit beiliegenden Oblatten von Zucker gepachen.

 

Das fünft Effen war ein haiß Effen Fiſch von Lachsförchen, Aeſchen, und an deren gutten Fiſchen . Das ſe dy ſt Eſſen war ein Zetſkraut, und was darauf gehört. Das ſiebende Effen war das dritt Alter der Welt, nemblich die Figur wie Abraham ſeinen Sun hat opfern und enthaupten wollen , anbei ein Thurn von Zucker und Mandl gemacht. Das acht Eſſen war ein durchſichtig hoche Sulz mit Fiſchen. Das neunt Eſſen war grün, und geſalzen Wiltpret in einem Pfeffer. Das ze hend Eſſen war das vierdt Alter der Welt, nemblich wie David das klein Königl gegen Goliat der in Geſtalt eines Rieſen gemacht, da ſtunde und ſein Schlingen in der Hand hette, dabei fiefie Kräpfl von Zucker und Mandl gemacht. Das eilfte Eſſen war ein Gemüs. Das zwelft Eſſen war ein eingemachter Hauſen. Das dreizehnt Eiſen war das fünft Alter der Welt , nemblich der Thurn 311 Ba biloni, ftunde mit etlichen Häuſern in einem Gemüs. Das vierzehnt Effen war ein Baftet mit eingemachten Vöglein. Das fünfzehent Effen war ein Reheſchlägl mit einem Zyſeindl.

 

Alter der Welt , nemblich die Menſchwerdung Chriſti, Maria mit ihren Kindlin, auch mit Joſeph, dem Gje lein, Dechſelein und Krippen in ein weiß Mandelmus gemacht. Das fiebenzehend Eiſen war ein Paſtet mit Birn und anderen Gemüs. Das achtzehend Effen war von eingemachten Vöglen. Das neunzehend Effen war das ſiebend und lezt Alter der Welt, nemblich das jüngſt Gericht, wie der Salvator unter einem Regenbogen fißt, zu der rechten Seiten die Jungfrau Maria als eine getrene für: bitterin, und zur linken Seiten St. Johannes kniend nieder Dabei ein Marzipann von Zucker, und Mandl. Das zwanzigiſt Effen war von eingemachten Karpfen und Wallern. Das ein und zwainzigiſt Eiſen war ein Bratens von Faßanen, Haſelhünern, rephüneren , Vög len, und anderen guten Wiltpret. Das zwei und zwainzigiſt Effen war unſers gnädigen Herrn Herzog Albrechts hochlöbl. Ge: dächtnus Begräbde , nemblich der Form des Grabs mit allen Fändlen oder Pannieren des Lands und Herrſchaft, wie dann das wirklich gemacht und geziert in unſer lieben Frauen Kir: chen ſtehet auf dem Grab nach ſeiner Bildung ein geharnſch: ter Mann am Nuken ligend in der gerechten Hand ein Pan: nier, und in der linken ein blos Schwerd, bei den Füeſſen zween Schild, einer mit Baiern , der andere oſterland gemalt, dabei gefülte oblat. So war es mit der Mittags -Hoftafel am Trauertage. Es war aber ſchon Tage zuvor Tafel und kommenden

 

Tages noch einmal , und es iſt da ausdrüdlich bemerkt, daß man beim legten Morgenmahle ,, ein Badens von Radlen eines Ofen Form" auftrug , daraus lebendig Vögel ge laſſen wurden.“ Welche Speiſen man aber bei den verſchie denen anderen Tafeln , während des Aufenthaltes der Gäſte, unter die gewöhnlichen einreihte, hierüber iſt gleichfalls Be richt zu finden. Nemlid : Ein Galern mit ihren aufgerichten Segelbaum . Unſer lieben Frauen Bild in der Sonnen, darüber ein Tabernakl auf vier ſäulen ſtehend. Ein Paſtet mit etlichen Thüren, darine ein Tor und dar : auf ein Hirſch mit einem Vergülten gehürn. Ein Pelikan, der ſich ſelbſt in ſein Bruft fticht, daraus Blut fleußt auf ſeinen jungen in ihren Neft ligend. Ein Brun mit etlichen Rörren, daraus Rainfal floß, und fiel wieder in ein Käſtlin. Ein brauner Igl in einem weißen Gemüs. Der Samſon auf einem Löwen fizend, wie er ihin ſein Maul aufreiſt. Drei Löwen in einem Gemüs. St. Johannis Enthauptung. Item etliche gegoſīne Gjchlöſſer. Das Abendeſſen Chriſti. ein ſchöner Pfab. ( Pfau .) ein Luftig gejaid. und etlich gegofine Mandlmödl. Schließlich wird berichtet, daß alle Fürſten und Für ſtenbotſchafter nebſt ihrem Geſinde und alle Anderen, welche des Gottesdienſtes wegen gekommen waren, in allen Her

 

bergen freigehalten und ausgelöſt wurden , wozu bemerkt wird : „ Noch darüber ſind aus unſer gnedigen Herrn Kuchen gekocht und Keller täglich ausgeſpeiſt worden ob : 2500 Menſchen und gefütert achtzehn hundert und ſechzig Pferd.“ So war es mit Herzogs Albert IV . Erinnerungs Irauergottesdienſt. Nun will ich im Vorübergeben wieder ganz ver ſchiedenes Anderes miteinander kurz berühren, wovon Jed wedes zu mehr oder weniger Betrachtungen veranlaſſen kann. Daher zählt : 57tens die äußere Rathyaustreppe und das darüber befindliche Fenſter. Auf den Antritt der Treppe wurden nemlich früher die zum Tod verartheilten Verbre der geſtellt, von jenem Fenſter herab aber das Urtheil ver leſen und der Stab über ſie gebrochen . Weiters : Der große Rathhausſaal, in welchem einzelne, große Landtagsverſammlungen, fürſtliche Hochzeiten , Feſt tänze der Patrizier und andere Vorkommniſſe ſtattfanden, ungerechnet Bürgerzuſammenkünfte in bewegten Zeiten davon wäre Manches zu berichten und zu erwägen, wie auch der kleine Rath hausfaal , in welchem die umher vängenden Bilder den Unterſchied des äußeren , alten und neuen Münchens vor Augen rüden und damit Zeiten , in denen noch viel weniger politiſirt wurde, als jeßt . Sodann : Unweit vor der Stadt, links von der alten Augsburger: Landſtraße, in einem kleinen Hof der älteſte Burgfries

 

densſtein , und dann geradeüber im ſogenannten „ Wie ſenfeld die Säule, welche verkündet, daß vor Urzeiten die ſſar dortſelbſt geſtrömt ſei. Weiters etwa noch : Die Rugel im Haus an der Sendlingergaſſe, unweit deſſen mit dem Bogengang, welch lekteres noch aus Kaiſer Ludwige Zeit ſtammt. Beſagte Kugel flog in den neunzi ger Jahren vom Gaſteig herein, auf welchem die Deſterrei cher und Condeer ſtanden , während diefſeits Die des General Moreau waren. Aber von etwas Froberem zu ſprechen , darf insbeſon dere nicht vergeſſen werden ein ganz annehmlicher , leider in Betreff ſeines romantiſchen Veldunkels viel veränderter, Ort, deſſen fleißiger Beſuch vor Alters wohl Manchen, der zu tief in den Humpen ſchaute und ſcießlich unter den finſteren Bögen am Marktplaß beim Heimgang zu laut wurde, in das Narrenſtüblein oder auf den hochgelobten Strafeſel gebracht haben mag. Indeſſen hielten ſich da in der Regel nur ſolche Män ner ein, welche ſich über den lauten Verkehr in der Bür gertrintſtube geradeüber ärgerten , oder ſonſt tiefſinnige, nicht geſtört ſein wollende Leute, voll von Plänen für Gegen wart und Zukunft, oder voll innerer Beſchaulichkeit in An ſehung des irdiſchen Jammerthales —dabei ſie ihre reſpek tiven Humpen Braunes leerten. Mit dieſem Orte iſt nichts Geringeres gemeint, als 50tens die ungemein alte , ehrentapfere Trinkſtube „ zum ewigen lidt," in welder auch der berühmte Herr

 

Petrus Nöderlein von Wien faß, deſſen Chronica, " enthaltend fein ganzes luſtiam und hinwieder fehr ernſt bewegliches Leben , ich ſeiner Zeit in die Welt ausgeben ließ , und welchem Herrn Nöderlein der furd bar wild dar einſchauende Stadt-Unter- Richter Bartholomäus R u ß beimer ſo bedeutend nadſefte. Das war Ao. 1517, als fich in Deutſchland eben der Glaubensſtreit aufgethan hatte, in München aber die, alle Herzen einnehmenden, zwei ſchöns ſten Jungfrauen lebten - die ligfalz Eliſabeth und die Bart Antonia -- zwiſden welchen der Nöderlein im mer wählte und zulegt keine bekam , wie das ſchon mehr mals geſchah, aber auf nicht ſo merkenswerthe Weiſe. Die Säuſer, in welchen die genannten und viele an dere, durch ihre Schidfale ganz mahnungsvollen Leute ge wohnt haben, ſind in beſagtem Buch genau angegeben. Weil aber nun die Sprache zufällig auf den wilden Stadt-Unter- Richter Bartholomäus Rußheimer kam , ſo muß ich doch eines Hauſes in der Weinſtraße eingedenk fein – nemlidi 58tens des kleinen Hauſes gerade über vom Wurm- & & . Nicht etwa deshalb, weil fidh der eben beſagte Herr Rußheimer mit ſeinem großen Sdnurr und Knebelbarte dort in ſeinem wüthigen Schmerzthum beim Zahnarzt Schneeberger einen Bahn herausreißen laſſen wollte und es aber doch nicht that, fintemalen ihm der Schmerz in feia nem Kiefer verging , eben als er ſdon den Thürklopfer in der Hand hatte ſondern deshalb, weil in dieſem þauſe

 

zu etwas anderer Zeit der Doktor Antonius Herbarius, zu deutſch Graſer, lebte, und deſſen Erlebniß eine nicht un bedeutende Mahnung für ſämmtliche Aerzte enthält, rich ja ihre Kranke genau zu beſichtigen , ehe fie glauben , daß ihnen etwas Bedeutendes feble . Alſo in dem beſagten kleinen Haus gerade über vom Wurmed wohnte der Herr Doctor Herbarius und von Dem heißt es : Er habe ficy, ehe er nad München fam, zu Mainz gehalten und ſei zwar den Leuten mit Blutegeln , Ader läfſen und Pflaſtern zu Leib gegangen , aber im Grunde habe er doch nichts darauf gehalten ſondern zu ſeinem Hauptremedium ſtets eine ſichere ziſchende, goldgelbe und wechſelweiſe roſenfarbene Tinktur gewählt , worüber denn auch wirklich Manche geſund geworden ſein ſollen , wenn ſie die Schauer verwürgen konnten, ſie zu nehmen — Mande und Mehre aber allerdings nicht. Doch habe der Her barius da ſtets dargethan , fie hätten zu wenig oder zu viel genommen, außerdem wären ſie ſicher nicht geſtorben. Dem ſei nun, wie da wolle, berühmt war er einmal, und ganz umſonſt konnte das doch nicht ſein . Indeſſen ließ er es auch nicht daran fehlen , dieſen Ruhm zu erhalten und ſtets zu erweitern . Zu dieſem Zwed beſtellte er nemlich ſehr häufig Leute, welde pünktlich daher kamen , wenn ſich Andere bei ihm eingefunden hatten, die ihm, unter dem Ausdruck des höch ſten Vertrauens, von Leibesgebreſten , ſchlechtem Magen, Herzleiden, Reißen und was weiters vorklagten, beifügend,

 

alle anderen Mainzer Aerzte könnten ſie nicht kuriren, wo: rin er beiſtimmte oder ſie kamen in der Weiſe , als ſeien ſie ſchon von ihm kurirt worden, obwohl er ſie ſeine Leba tage nie geſehen hatte - und wenn es auf die Deſerviten hinausging, ſo bezahlten ſie dieſelben ſtets mit Freuden, aber immer mit dem eigenen Geld des Doktor Herbarius, denn Der hatte es ihnen zuerſt gegeben oder geben laſſen. Nun war das allerdings nicht ganz ſauber , wenn man die Sache nur von der einen Seite betrachtet. Indeſſen ſoll er ſehr viele Feinde unter den anderen Aerzten gehabt haben , welche ihn herunterſeßen wollten , und da mag es wohl ſein , daß das Ganze nicht ſo faſt unrecht gemeint, ſondern mehr ein Actus der Vorſicht war, um ſeinem Rufe nur eben ſo viel hinzuzufügen , als ihm feine Gegner gelegentlich davon abzuſdyneiden bemüht ſein mochten , und nebenbei denſelben ſo viel von ihrer Ge ſchicklichkeit abzuſchneiden , als ſie ihm übel anwollten . So kann die Sache auch angeſehen werden. Es war nur eine Ausgleichung - man muß gerecht und billig ſein , beſonders mit Verſtorbenen . Deshalb wird das , worin fich der Herbarius bedeu tend verging, um nichts weniger treu berichtet, denn das lag offen am Tag , wie Jeder ſehen wird , das Beſagte andere aber nicht, denn ſo gerade in's Herz kann man Niemand jeben . Alſo wie nun der Herbarius ſeines guten Rühmens fleißig eingedenk war und den anderen Aerzten durch im mer größeres Anſehen genug Aerger bereitete weil er, wenn

 

ihnen etwas mißglückte, eben nicht die kleinſte Glocke läu ten ließ , ſo hörte er eines Tages, der weltberühmte Doktor Theophraſtus Paracelſus fomme nad Mainz. Als der Herbarius das hörte, war ihm das gar nicht lieb . Er ließ ſogleich Leute kommen , welche in Gegenwart ſeiner wirklichen Patienten ausſagten, ſie hätten ſich ſchon an den Paracelſus da oder dort in der Ferne gewendet, aber es fei Alles für nichts geweſen -– worauf er dann be dauerte , daß ſich die Welt von einem ſolchen fabrenden Quadfalber täuſchen laſſe, trozdem er ſdon ſo heillos viel verdorben und ſo zahlloſe Menſchen in das Grab gebracht habe. Das war die eine Kriegsliſt. Die zweite war aber dieſe , daß er ſeinen Famulus , der auf ſolcherlei Dinge ſchon längſt wohl eingeübt war , auf alle Mainzer- Pläße und in die Schenken umherſdicte, um das Volk gegen den einzunehmen , welcher fich kederweiſe in die Stadt wagen wolle, um vielleicht gar den Ruhm ſeines Herrn zu ver dunkeln . Dieſen Auftrag fepte derſelbige Famulus ganz treff lich in's Werk, brachte den Leuten das größte Mißtrauen gegen den Paracelſus bei, erzählte von etlichen ſo wunder baren Curen ſeines Herren, und im Gegenhalt von vielen ſo unglüdlichen des Anderen, daß alle Welt ſtaunte, und mit all dem machte er die Leute in Zeit weniger Tage ſo mürbe, daß der Doktor Herbarius vom Paracelſus wenig oder gar keine Beeinträchtigung zu befürchten hatte , wenn er nun demnächſt daher fäme.

 

Alſo war der Herbarius in ſo weit leichteren Ge müthes. Den größten Triumph aber feierte er , als Nachricht fam, der Paracelſus habe einen anderen Weg genommen, indem er „ einerſeits zu thun , andrerſeits von der beſon ders üblen Stimmung vernommen habe, welche in Mainz gegen ihn herrſche, weil ihm eine oder die andere Rur mißlungen ſei. Das paſſire am Ende Jedem und dem Geſchichteſten, und werde wahridheinlich dem Serbarius auch ſchon paffirt ſein , alſo liege daran nicht ſo viel — aber des Geredes wegen ſet ihm die Luſt vergangen , und ſo habe er ſich gegen Köln gewendet , da wiſſe er doch ſicher , daß thm Reiner die Shuhriemen zu löſen, würdig ſei. " Wie nun das ſo war und in gewohnter Weiſe Tag für Tag viele Fremde in Mainz ankamen, ſo langte unter Anderen auch ein Herr im Frankfurter - Zeifelwagen an. Der ſtieg an der Herberge zu den drei Königen ganz be ſchwerlich aus, nahm da ſein Quartier, klagte über Man ches, verließ ſein Loſament nicht, zulegt legte er ſich gar zu Bett, klagte dem Wirth und kam auf den Theophraſtus Paracelſus zu ſprechen. Dabei ſagte er : „ Vor Dem möge fich Jeder hüten, er habe ſelbſt den Beweis ! Denn Der habe ihn zu Frankfurt in ſeinem leßten Siechthum ganz falſch kurirt, alſo daß er, ſtatt geſund zu werden , über den britten Tag ſtets erſt recht todtkrank werde und Abends dann nie wiſſe, ob er die Nacht durchbringe. So, “ ſagte er, „ſei es jeßt wieder geworden. Wenn man ihm alſo einen Arzt brächte, ſei es ihm willkommen , und wenn es möglich wäre

 

möchte er den Doctor Herbarius kommen ſehen , weil er von deſſen Geſchidlichkeit ſchon viel gehört habe - und es bedünke ihn, wenn Der ihn nicht von ſeinem Uebel befreie, ſo gelänge es keinem Andern, und er ſei in Kurzem ein gelieferter Mann. " Weil nun dem Serbarius nichts lieber war, als viel leicht ein Wunderwerk zu vollführen, wo ſich der Para celſus ſo bedeutend geſchadet hatte, nahm er ſogleich ſeine goldgelbe und roſenfarbene Tinktur , den Aderlaßidnepper was ſonſt, und machte ſich auf gegen die fragliche Herberge wobei ihm ſein Famulus Chriſtian mit Blutegeln, Schröpfköpfen und Pflaſtern vorausſchritt und den Leuten gelegentlich zurief : ,, Da habt Ihr den Paracelſus ! Wenn er die Suppe verſalzen hat, ſollen wir heilen ! Nun denn, wenn Gott wil, geſchieht's audy, ſtirbt er, ſind wir gewiß inicht ſquld." Als nun der Herbarius beim todtkranken Fremden am Bett ſtand und die ſonderbar ſchwarze Geſichtsfarbe deſſelben ſah, auch daß der Andere im Bett drin zum öfte ſten bedeutend zitterte und den Mund fchief 209, fagte der Herbarius zu Denen, welche mit herein gekommen waren : „ Da könnt Ihr ſehen, wie elendiglich ſchlecht es mit dem Manne ſteht! 3d habe doch viel erfahren, aber ſo ſchwarz iſt mir doch noch Reiner vorgekommen - und das Bittern mitfammt dem ſchiefen Zuden gehört auch nicht zum Beſten ! " Dann wandte er fich zum Kranken und fuhr fort: ,, Alſo weit hat Euch der Theophraſtus Paracelſus

 

gebracht – wo nicht dolos , doch mindeſtens kulpoſe ?! Der verwünſchte Landfahrer und Quadſalber, der Menſchen tödter ! Den ſoll ja doch der Leibhaftige holen und in das hölliſche Feuer werfen ! “ „ Ja ," ſeufzte Der im Bett drin , das wäre freilich das Beſte und hätte längſt geſchehen ſollen. Nehmt Euch nur in Acht vor ihm, wenn er nach Mainz kömmt, wie ich hörte Euch ſoll er haſſen ! " „ Pa, der kommt nicht," fiel der Herbarius ein, res iſt ihm die Luſt vergangen ! " ,, Das iſt ein Glück für die Menſchen ," entgegnete Fener, ,, denn er iſt ein ungeheuer feder Geſell, und wenn er nur ſein Geld hat, ob Ihr dann alle miteinander in's Gras beißt, darnach fragt er gar nichts ! o wie iſt mir jeßt eben wieder ſdauerlich zu Muth - und der Froſt dazu mitſammt dem , daß es mir den Mund immer mit aller Gewalt fchief zieht – das iſt nimmer menſchlich ! " „ Ia, das iſt unmenſchlich," ſagte der Herbarius, „ aber wir hoffen Euch zu kuriren, nur müßt Ihr Geduld haben . Denn von der eigentlichen Krankheit ſeid 3hr wohl bald zu befreien -- nur mit der Schwärze, in welcher Ihr verſirt, wird es nicht ſo ſchnell gehen. “ „ D , " ſagte der Andere, „ ich habe Geduld , wenn ich nur mit dem Leben davon komme, damit ich mich noch am Paracelſus rächen kann . Denkt nur, er kurirte auf die Nieren und die Milz hin, und ich glaube meiner Seele, daß mir daran nie etwas fehlte ! Was meint denn Ihr ? " ,, Da ladie ich nur dazu ! " rief der Herbarius. „ Nie

 

ren und Milz ! Da fehlt es Euch noch tauſendmal leichter an der Leber und im Rüdgrat könnte auch ſein, daß ihr einen Herzfehler habt - wobei fich dann erſt wegen etwaiger Congeſtionen – habt Ihr Congeſtionen gehabt ? " „Das verſteht ſich !" fiel der Andere ein nicht zu nennen , ſo oft und viele ! Nun ja ſeht wobet ſich dann erſt wegen der Congeſtionen zeigen müßte , ob ſie nicht bloß Congestiones falsae ſeien, welche nach meiner neueſten Theoria mehr durch den Magen und die Rupfnerven, als durch das Blut überhaupt entſtehen das kann ich Euch Alles nicht ſo genau erklären, weil Ihr fein Medicus ſeid - ſoTo iſt's, und jeßt wißt Ihr's – aber mit dem Allen , was Guch ge fehlt haben mag, hat Eure gegenwärtige Krankheit rein und durchaus nichts zu ſchaffen .“ ,, So ſagt mir nur , wie dieſe meine gegen wärtige Krankheit benamſt wird ! “ drängte der Andere. „Ja das wenn ich wüſte ! " fiel der Herbarius wie der ein . , 3d habe gewiß mehr Krankheiten geſehen , als alle anderen Medici miteinander, ſonderlich auch in türki ſchen und ungariſchen Landen bis in das Perſiſche hinein, wo unſer Einem ſelbſt vor Sdreck und Staunen das Augenlicht vergeben möchte - da, mein Famulus Chri ſtian iſt Zeuge - aber dieſe Krantheit iſt mir noch nicht vorgekommen . ,, Das iſt ja ſchrecklich und ſchauderbar ,“ ſeufzte der Andere, ,, weh, o wehe ! " ,, Da habt Ihr redyt !" rief der Verbarius. Aber

 

das hat gar nichts zu ſagen ! Denn wenn ich ſage, ich weiß die gegenwärtige Krankheit nicht, ſo habe ich damit noch lange nicht geſagt, daß ich ſie nicht wiſſen werde ! So iſt's ! Vor der Hand furire ich einmal auf Eure all gemeine Schwärze los, denn der ſah ich auf den erſten Blid an, daß da Gift im Spiel iſt — weshalb es ſich eben durchaus nicht um Eure urſprüngliche Krankheit han delt, welde nemlich Euer eigener Corpus hervorgebracht hat ſondern rein und alles um das superfluum vene nosum , welches durch die verwünſchten Medicinen des ver wünſchten Paracelfi erſt in Eudy hineingekommen , ſpäter aufgetaucht iſt und ſich jept folgend von Innen heraus auf die Oberfläche geworfen hat ! “ ,, Das ſcheint mir ganz richtig, " ſagte der Andere. ,, Alſo das ſeht Ihr wieder ein !" fiel der Herbarius ein . „ Wenn ich alſo das Gift an fidy zum Verdampfen bringe, indem ich zweierlei Tincturen gebe, und zugleich durch Pflaſter, Schröpfföpfe und Blutegel hinwirke, daß das an der Leibesoberfläche ſichtbar gewordene Gift gehörig herausgezogen werde - insbeſondere aber noch durch eine Aberläſſe von zwölf Unzen nachhelfe, weil da ſogleich mehr Blut miteinander herauskommt, worauf dann das übrige im Leib drin durch die Tincturen zu neuem und beſſerem Stoff angeſpornt wird - ſo wird ſich die Sache icon berausſtellen . " ,, Verſteht fich !" ſagte der im Bett drin. ,, Nicht wahr, das febt Ihr ſelbſt ein , " ſagte der Her barius. Alſo - trifft die Kur wirklich gut ein, ſo iſt kein

 

Zweifel, daß es die bisher noch nicht vorgekommene media cinale „ ſpezifiſche Giftkrankheit" iſt , an welder 3hr leidet, welcher ich dann den entſprechenden Namen ein für allemal geben und zwar ſie morbus pene mortiferus ve nenosus specialis maximus betiteln werde , wornach ſich ſo dann fämmtliche Aerzte der Welt zu halten haben -denn dieſen Begriff müßt Ihr Euch von meiner Autorität ſchon machen ; jedes gelehrte Wort , das ich ſpreche, und alles, welchem ich einen Namen gebe , das geht in die weite Welt. " „ , 3a, 3hr ſeid hochberühmt," fügte der Andere hinzu, „ wenn Ihr das nicht wärt , ſo hätte ich kein ſolches Ver langen nach Euch gehabt.“ ,, Drin folut 3hr auch nicht getäuſcht ſein, " fiel der Herbarius ein, wenn anders fich noch etwas richten läßt, denn Ihr ſeid erbarmungswürdig daran, darüber iſt kein Zweifel. Indeſſen das hat ſein Gutes. Warum hat das ſein Gutes ? Weil Ihr, wenn es mit meiner Kunſt, Euch zu retten, doch fehlſchlüge, beſſer gleich todt, als lebendig feid – wenn es mir aber, wie ich hoffe, doch gelingt, Eudy beraus zu reiſſen, Eure Freude und die meinige deſto größer iſt!" „ Ja, Ihr habt in beiden Fällen recht, “ ſeufzte der Andere. ,, Lieber todt, als ſo lebendig ! Fangt nur ſogleich an, idh thue und nehme, was ihr wollt. Nur das Eine möchte ich noch wiſſen ! Da ich ſo grenzenlos krank bin, begreife ich nicht, weshalb mein Puls ganz und gar nicht bewegt iſt ? Ich habe mir ſo eben wieder daran gefühlt -

 

ich fage Eud , er geht wie jeder andere , fühlt nur ſelbſt ! " „ Das iſt wirklich wahr," ſagte Doctor Herbarius, „ , befremdet mich aber ſo wenig, daß ich gar nicht für nöthig halte, Euch den Puls zu greifen ! Es handelt fich fürerſt alfin um jene Krankheit, welche ſich von den Para celfiſchen Giften herſchreibt. Die aber hat mit dein Puls faſt gar nichts zu ſchaffen ! Zudem feid Ihr groß und feſt, ſo kommt der ruhige Puls auch noch von Eurer ſtarten Natur, und er beweist höchſtens, daß die Gifte des . Pa racelſus falte Gifte geweſen ſeien . " Ja, fo iſt es , fiel der Andere ein, ,, Alles, was er mir eingab, war falt ." 1, Sebt Ihr, daß ich es weiß ! So iſt es ! Wären es aber heiße Gifte geweſen, ſo wäre Euer ganzes Arterienge: blüt viel wilder, und da foultet 3hr den Puls ſchlagen hören ! " Welche tiefe Einſicht erkenne ich , " tam eß entgegen, mund mit wie wenig Worten ! So hebt denn an nur noch Eines ! 3hr wollt mich in Allem kuriren, wenn es ſein kann 7 was perlangt 3hr denn, wenn's Euch gelingt ? Ver langt nur, was gerecht, denn ich gehöre nicht zu den Armen !“ 13 Sagte der Herbarius: „ Angeſehen Eure ſdredliche Ge fabr, Unbekanntheit der jebigen Krankheit und erſt noch hins terdrein zu furirender Krankheit, wenn dieſe erſte weg ift - Angeſichts vorausſichtlicher langen Gefahr meines Anſehens, auch Roſtbarkeit des Gottes und der Edelſteine in diefen Tincturen , wird fich mein Deſervit beim beſten Willen

 

auf minder nicht, als zehn Goldgulden belaufen können. Und dabei verfahre ich noch mit aller Rüdſicht, weil ich es dem Theophraſtus Paracelſus zum Troß thue, der Euch in die fredliche Rrankheit hineingebracht hat. Der Geſell foll mir nur je fommen, dem will ich ein Geſicht auf weiſen und entgegen treten , daß er fich gewiß aus dem Staube machte und wie ich ihn andonnern würde ! " „ D, wenn ich nur dabet ſeyn und das hören könnte, “ ſagte Der im Bett drin . „ Was würdet 3hr ihm den un gefähr ſagen ? " „ Das will ich Euch ſogleich andeuten, " verſeßte der Herbarius, die Hand ballend und ein furchtbar wildes Ge ficht zum Beſten gebend. Ich würde ihn andonnern : 3hr pſeudoberühmter , ſpiegelfechtiger , 3hr gottverfluchter , gift ſpendiger Gefell 3hr ! Wie fönnt Ihr denn wagen , nebſt pielem anderen Unheil, einen Ehrenmann faſt durch und durch vergiftet zu haben, daß er mir ſchier todt vor Augen fam ? ba, 3hr Verräther ! 3 habe ihn aber doch kurirt ! Und wenn ich ihm vielleicht meine Medicamente nicht ge geben, ſondern nur einige Zeit in feiner Nähe geblieben wäre und ihn gehörige Zeit an den Remediis hätte riechen laſſen ja wenn ich ſie, vorausgeſeßt, daß er nur um die Hälfte weniger übel daran geweſen wäre, nur in ſeiner Nähe gelaſſen hätte — ſo hätte ich ihn möglicherweiſe auch furirt , alſo fräftig und antidotiſch find fie! nicht wahr, Ihr Schelm , das glaubt Ihr nicht, aber es iſt doch ſo ! " „ Freilich iſt es ſo , " rief Der im Bett brin, ,, ob er

 

es glauben wollte, oder nicht. Dort ſtehen Gure Tincturen, - und ich bin auf einmal geſund ! " Dazu ſprang er in einem hirſledernen Unterkleide aus dem Bett, in ſeinen pelzverbrämten Schlafrod hinein, nahm einen Schwamm vom Tiſch und fuhr über das Antliß , daß alle Schwärze verſchwand, ſchleuderte ihn auf den Her barius und donnerte : ,, Wißt Ihr's jegt und ſeht Ihr, wen 3hr vor Euch habt ? Ich bin's , der Theophraſtus Paracelſus ſelbſt, auf den Ihr ſchmähtet und durd Euren Famulus losziehen ließet ! Nichts fehlt mir, nichts iſt's mit Eurem morbus pene mortiferus venenosus specialis maximus ! Ich habe Eure Ignorantia maxima zu Tag gebracht, und damit fort und hinaus !! " Auf dieß machten der Berbarius und ſein Famulus ohne weiters links um - und ehe zwei Tage verfloſſen,, waren ſie zur Stadt Mainz hinaus, denn in der kam der Ruf des Geſchehenen ſogleich herum , und gab es einen Hohn und Lärmen, daß es mit allem Vertrauen aus war, und keine Vertheidigung des Famulus Chriſtian mehr angriff. Der Paracelſus aber blieb auch nur einen Tag, denn er hatte einen Ruf wo anders hin bekommen , wo er ſich größter Ehren verſah, und iſt ficher, daß der Herbarius aud anderer Orte in der Nähe noch viel Spott zu erlei den hatte . Die Zeit verwiſchte nun, wie gar Vieles , auch des

 

Herbarius Niederlage mehr und mehr, beſonders als er weiter und weiter weg fam. Weil nun dazumal von Mainz bis gen München gar weit war , wandte er fidzuleßt dahin, und er fuhr da ganz gut. Denn die Münchner hatten wohl einmal ge hört, daß in Mainz Etwas mit dem Paracelſus und einem anderen Doctor vorgefallen ſei aber nicht genau was, audi nicht, daß der Andere Herbarius heiße, und das Gerede war auch nur kurz . Item als er ſich in der Weinſtraße ein logirte, dachte man durchaus nicht daran, daß er Der ſei, welchem der Paracelſus ſo übel mitgeſpielt habe, und ſpa ter kam man auch nie recht darauf. Einen einzigen Fall ausgenommen , in welchem ein Mainzer Raufberr kam, und die Rede in einem Patricier bauſe auf den Herbarius fiel. Als da der Mainzer , der auf dieſen leßten Namen aufmerkſam wurde, fragte, ob es etwa der Herbarius ſei , mit welchem der Paracelſus ſeine Angelegenheit gehabt habe und dieſe genau erzählte, ſagte man, das ſei wohl nicht ſo, und ber fragliche Serbarius werbe wohl ein An derer geweſen ſein. Das wollte aber der Kaufherr nach Verſchiebenem , was er von ſeinen Medikamenten hörte, nicht zugeben und erbot ſich zum Beweis, als nemlich, daß er beim Herba rius ſich auch für krant ausgebe. Da werbe man dann ſogleich fchen, ob Der fich täuſchen laſſe - und wenn er ſelbſt ihn überhaupts nur von Angeſicht ſehe, ſo kenne er ihn ohnebieß.

 

Von dieſer Sache bekam aber der Herbarius Wind, und als wirklich geſchi &t wurde, waren er und ſein Fa mulus nicht zu Hauſe, ſondern angeblich nach Daciau ver reist , wo es eine Kur gelte . Ueber dieß mußte der Mainzer Kaufherr wieder fort, und als er bei einem Thor aus der Stadt war, kam der Herbarius alsbald beim anderen wieder herein . So war die ganze Herbarius- Angelegenheit, und in ſoferne iſt das Haus an der Weinſtraße, werin er wohnte, ein ganz gutes Mert- und Wahrzeiden in medicinellem Be treff des fechzehnten Jahrhunderts . Was nun ſeinen Aufenthalt in Münden ſonſt betrifft, To follen feine Kuren nicht ganz unglüdlich geweſen ſein, obwohl ihm hie und da und im Ganzen auch mehr Leute ſtar ben, als er geſund machte. Manchesmal ſollen aber ſeine Tincturen fehr gut gewirkt haben. Auſſerdem ſteht irgendwo, daß er fid in ztemlich älte ren Tagen bahier mit einer ganz vermögensloſen, aber annehmlichen Jungfrau verheirathete und ihres Befißes ungemein froh war ; aud war fie die längſte Zeit nicht leidend. Als fie es aber doch einmal wurde, rief er einen anderen Arzt, und als ihn Der fragte, weshalb er nicht ſelbſt kurire, ſoll er geſagt haben : „ Da er Medicinen geben müſſe, welche feiner lieben Gbehälfte unangenehm feyn könnten, wolle er das lieber einem Andern überlaſſen ." Das war gewiß ſehr aufmerkſam vom Dr. Berbarius und verräth großes Zartgefühl.

 

Etwas anders lautet das, was er ſagte, als er ſelbſt ſchwer krant wurde, und ſich auch da einen Arzt berief, der fid, auch guter Mittel rühmte. Als ihn der ſpöttiſ fragte, warum er ihn kommen lafle, da er doch felbſt hilfreide Ticturen babe, foul er geantwortet haben : „ Die habe ich freilich — aber ich habe da meine eige nen Gedanken, und wir zwei können ſchon miteinander Bei meiner feligen Frau bachte ich : Was du nicht willſt, daß man dir anthue, das thu du auch anderen nicht und bei mir denke ich : Was du auch Anderen an thun darfſt, das brauchſt du dir deshalb nicht ſelbſt anzuthun . Ihr müßt mid deshalb nicht geringer ſchäßen meine Medicamente ſind gewiß beſſer, als die Euren , aber gewiß weiß man eben doch nicht und ſowie ich Euch rufen ließ, laßt bald möglichſt auch einen Anderen rufen - wenn Euch etwas fehlen foute ! " von vielen Wahr- und Denkzeichen und Orten, welche ich da nebeneinander insgeſammt vorgebracht habe, will ich jeßt nur noch dret belfügen , bei denen es fich um ein Na mens - Wahrzeichen handelt. Alſo für's Erſte wißt 3hr alle, daß man es im Ex haus, der Bank gegenüber, welches Haus in ganz alten Zeiten dem Meiſter Conrad gehörte, 59ſtens beim lachenden Wirty " nennt. Dieſer Name ſchreibt fich baber : Ao. 1674 am 9. April entſtand während der Ab weſenheit des Churfürſtent Ferdinand Maria in ber

 

Reſidenz ein großer Brand1, welder unſäglichen Schaden anſtiftete. Da war Alles in der größten Verwirrung, wußte nicht, wo zuerſt retten und wo hinaus, und irrte ſo in den allereinfachſten Unterkleidern jammernd hin und her. Andrerſeits eilten die Leute aus der Stadt zu Hülfe - und faſt vor Aűen kam da auch der Wirth Martin , an geblich des Beinamens moman , welchem das beſagte Haus gehörte, und welcher wegen ſeines tropigen, ſtilen Weſens ſo bekannt war, daß man ſagte, er habe ſein Leben lang nicht gelacht. Wie nun dieſer Wirth in die Gänge der Reſidenz kam und zuvörderſt den Baron Simeoni – der auch nur in Unterkleidern war ganz verzweifelt ab und zu lau fen und die Hände ringen fah , und dazu die Hofdamen und Kammerzofen, welche derſelbe bald dort-, bald dahin retten wollte, obwohl er ſelbſt nicht wußte, wo zuerſt aus und an , fo ſchien ihm bas aules nod nicht zu curios. Aber als wieder etliche Damen in gleicher Weiſe daher kamen , an ihrer Spiße - mit auf einer Seite aufgelösten Haaren und ohne Pantoffeln - die gute Gräfin von der Waal, des Käm= merers gleichen Namens Schweſter, welche fdon in reiferen Jahren, zugleich eben nicht von den geringſt Beleibten war und ihn, den Wirth , auf Franzöſiſch um Hülfe anrief -- da kam dem ernſthaften Wirth der ganze, von Simeoniſche, Damen-, Rammerzofen- und nun erſt der von der Waal fde Anblid fo kurios vor , daß er zum erſtenmale in Laden ausbrach und zwar in ſo heftiges, daß er gar nicht fertig

 

werden konnte, und je verzweifelter die von der Waal war, deſto mehr lachte er. Dody hinderte ihn dieß nicht, daß er die treffliche Gräfin von der Waal an der Linken anfaßte, den Anderen zurief, fie ſollten ſich anſchließen, weiters init ſeinem rediten Arm unter den anderen, zu Hülfe Eilenden Plaß machte und ſomit Sämmtliche an den Hofgang brachte, der zu den Theatinern hinüberführte, wo ſie mit der Chur fürſtin Adelheid zuſammentrafen, welche ſich ihrerſeits , vom Marquis d'Harancourt begleitet, nebſt ihren Kindern ſchon auf dem Wege in's Kloſter befand. Hieran ſchloß ſich auch der Marquis d'Espinal , dem es gelungen war , die koſtbarſten Kleinodien aus den Gemächern der Churfürſtin zu retten, hingegen fich der Oberſthofmeiſter, Graf von Fürſtenberg, welder zuerſt auch ganz confus war, rafd verabſchiedete, um alle mögliche Vorſorge für den noch nicht brennenden Theil der Reſidenz zu tragen , worin er auch nebſt dem Bruder der beſagten Gräfin das Geeignete that. Gleichwohl brannte viel nieder, namentlich faſt die ganze Seite auf den Hofgarten zu, und auſſer vielen Roſtbar keiten anderer Art , ging auch eine ganze Reihe der älte ſten , fürſtlichen Ahnenbildniſſe zu Grunde. Nachdem das Feuer lange gewüthet hatte , konnte es zulegt, gegen das Barfüßerkloſter zu, einer hohen Mauer wegen, nicht weiter greifen . In Kurzem wurde man dem Brande gänzlich Herr, an welchem ein Hoffräulein, eine Gräfin de la Perouse die Veran laſſung war, indem ſie einſchlummernd vergeſſen hatte, bas

 

Licht auszulöſden , worüber ihr Kiſſen , der Vorhang des Bettes und ſofort Alles ringdum Feuer fing. Die edle Adelheid tröſtete die Verzweifelte fo viel, ale möglich, und gleicherweiſe verzieh Derſelben auch der Chur fürſt, welder, durch drei Couriere vom Brand benachrich tigt, am 11. April zu München eintraf. Von dem Wirth Martin aber zu reben, ſo ſoll Derſelbe, als er vom Hofgang in die Reſidenz und zur Hülfe beim Brand ſelbſt zurüdeilte, ungemein viel geleiſtet und gerettet haben und dabei alsbald wieder ganz ernſt haft geweſen und fürderhin geblieben ſein. Wenn aber in fünftiger Zeit die Rede auf den Reſi denzbrand fiel, und er auf die Hofherren und Damen, voraus die ehrenbeſte Gräfin von der Waal zu ſprechen kam, ſo verließ ihn mit einemmal fein finſterer Ernſt und er brad in Laden aus, daß das ganze Zimmer erzitterte . Da mußten dann Die um ihn auch mitladen und al über das nannte man es beim „ ladenden Wirth. " Von da komme ich auf das zweite Namenswahrzet chen zu ſprechen. Das trifft auf einen Ort zur Rechten hinab, wenn man, am Kaſernenhof vorbei, durch das Hofgartenthor, zum engliſchen Garten hinaustritt. Ebengenannter, tiefliegender Kaſernenhof gäbe viele Ver anlaſſung auf früher Beſtandenes zu kommen, aber es ſou nur vorübergehend von ihm allein Melbung geſchehen. Es war da früherhin ein mit Schwanen befekter See, hübſche Inſeln und Halbinſeln gab es , die waren

 

wohlbepflanzt, auch ſtanden allerlei marmorene Vaſen, me tallene Figuren darauf, menſchlich geformte und Thiere To die zwei metallenen Hunde, welche aus einer großen Zah! gleicher, die man nach und nad eingeſchmolzen bat , gerettet wurden und im Nationalmuſeum aufbewahrt find. Auf der Stelle der Raſerne ſelbſt war ein Zug Şü gel mit ſchönen Baulichkeiten , Bäumen und Gebüſchen, in Mitte aber war der ſogenannte „ Muſenberg “ mit an muthigem Bogenwerk und Grotten, darin Bildfäulen ſtan den, und zu Innerſt war eine Bavaria. Jenes Grottenwert ſelbſt war wechſelnd aus Tuf, oder Muſcheln und ſchönem eingeſepten, buntem Geſtein, roth blau, gelb und ſonſt von allen Farben – kurz das Ganze in der Weiſe, wie der herrliche Muſchelhof in der alten Reſidenz, gegenüber vom Herzog Chriſtophſtein . Dieſe Art Arbeit nannte man Roccaillerie , und davon hatte , der oben gemeinte Ort ſeinen Namen. Es iſt aber von nichts Anderem die Rede, als 60ſtens von dem hochpreislichen, ſogenannten ,, Rođerf" in der Haupt- und Reſidenzſtadt München , welches abſon derliche Wort Roderi fich daher ſchreibt, daß daſelbſt die Roc caraille - Arbeiter wohnten und ihre Hauptwerkſtätten hatten . Nun muß ich zwar ſelbſt ſagen , daß fich das franzöfiſche Wort ſehr gut und vornehm ausnimmt, aber es läßt ſich gegen das deutſche auch nichts einwenden . Die Franzoſen ſollen fagen bei den „ Rocailleurs , " wir ſagen jeßt einmal ,Rođerl, " und dabei bleibt es .

 

Und nun komme ich ſchließlich auf das dritte, bau lidhe Namens- und Juſtizwahrzeichen zu ſprechen. Ihr meint etwa auf den gewiſſen, runden Thurm an der neuen Marimiliansſtraße ? - Ja der iſt freilich auch ein bedeu tendes Wahrzeichen für die Debitoren. Aber davon rede ich nicht, ſondern von einem anderen Thurm aus uralten Jahrhunderten, welcher in der langen Reihe ſicher Mandhem fehlte ; um ſo mehr, als deſſen Bild am Beginn dieſes Kapitels vor Augen ſteht. Ich ließ es umſomehr beifügen , als nun von dem abenteuerlich düſteren Gebäu, nemlich 61ſtens dem Falkenthurm , die leßte Spur ber dwunden iſt. Dieſer Thurm führte ſeinen Namen deshalb, weil in vergangenen Zeiten mehre Jagdleute und ſonderlich die Hoffalkeniere obenauf im daran gebauten Häuslein ihren Aufenthalt hatten. Der Thurm ſelbſt aber war, wie jeder weiß, ein Gefängniß, und der Thurmvogt wohnte im eben genannten Häuslein zu ebener Erde Wollte ich nun anfangen , von Auen zu berichten, welche da von gleidizeitiger Erbauung des nahe gelegenen , „ alten Hofes , “ oder der „ Ludwigsburg “ an bis herauf zum vorigen Jahrhundert in Haft gefommen ſind, ſo dürfte es eben nicht furz werden. 3d will deshalb nur an Etliche erinnern , welchen gegönnt war, einen fürzeren oder längeren Aufenthalt in dieſem diden Gemäuer zu nehmen.

 

So befand ſich da beiſpielsweiſe der welſche Ritter Markus Bragadino , genannt Manulquatro , welcher die Leute aller Orte, beſonders auch in Venedig , mit ſeiner Aldhimie betrog und dann nach München an den Hof Her 30g8 Wilhelm V. fam, wo ihn ſein Schidal erreichte. Die Einen ſagen dabei, er ſei , mit einem vergoldeten Strid gefeſſelt, zum Tode geführt worden, die Andern, es ſei vom Hodgericht ein folder Strick herabgehangen. Die Sache fiel vor am 26. April 1591 . Gin anderer wüſter Gefell war der welfde Fra SO lina, von dem ihr bei Gelegenheit des Meiſters Conrad von Nürnberg gehört haót. Ein Dritter war der heilloſe Junker Sarazin , wel cher dem jungen, reichen Herrn Berthold dem Speirer ſo grauſam viel zu ſchaffen machte , als Der mit Geld für den Herzog Johannes nad Münden fam und beim Herrn Welſer am Erferhauſe nächſt der Roſengaſſe abſaß, als in Land Bayern juſt ein ſo heißer Sommer regierte, daß alle Feldfrucht in Gefahr ſtand . Ueber den Sarazin und Speirer fann Jeder das Ganze im Wettermader von Frankfurt" in meiner guten alten Zeit " leſen . Hier ſage ich nur ſo viel, daß es dem Speirer hoch zu ſtehen kam, daß er das erſte Wetter männlein nach München brachte, weil die Leute glaubten, er könne regnen laſſen , dem Sa razin aber kam es noch theurer zu ſtehen. Das war ſo Ao. D. 1393 . Wieder lagen da kurze Zeit lang drei Bürger, welche in den alten Rebellionszeiten – da die Macht der Her

 

zoge brach lag und es fich zeigte , daß jener, früher er wähnte, Hofnarr nur zu recht gehalt habe,,,- für ihre Treue von den Aufruhrshäuptern zum Tod perurtheilt wurden, der Iriener , Stromer und paid ofh . Daß der falſche Bürgermeiſter, der ſicheren Sage nac, auch im Falfenthurm lag, wißt Ihr ſchon vom Be richt über das Fauſtthürmlein her. Nun wird noch Dreier Erwähnung gethan - nemlich eines hochgeachteten und fürnehmen ritter lichen Grafen - eines hißigen Schneidermeiſters nebſt Genoſſen und eines Juriſten. Der Graf und Ritter, welcher kurze Zeit im . Falfen thurm, dann aber längern im Thurm am Thiergarten, nems lich im Chriſtophthurm gefangen ſaß, weil er Herzog Al brecht V. ſchwer beleidigt hatte , hieß Ladislaw don Haag. Das war Ao. 1557. Er wurde dann frei, hatte noch verſchiedene Erlebniſſe, ſonderlich eines in Welſcland, wo er eine reiche Braut zu finden glaubte, während ſie meinte, er ſei reid – zuleßt ging die ganze Sache wieder ausein ander, und der Ladislaw mußte nach viel Koſten und Sda denserſaß noch froh ſein , daß er aus der welſden Gegend wieder beim in's Deutſche fam . Ao 1567 ſtarb er, und da er finderlos war, fiel die Grafſchaft als offen gewordenes Leben an Bayern. Eine Biertelſtunde von Haag , im Gotteshaus zu Kirchdorf, liegt er begraben , und da iſt ſein Grabſtein.. ; Zuerſt aber war der Ladislaw in einer Kapelle, etwa 500 Schritte von Kirchdorf entfernt, begraben . Dieſe Ras

 

pelle riß man ab, baute ein Häuslein hin , und als das geſchah, fand die Uebertragung ſtatt. Uebrigens kam der Ladislaw dadurch zu feinen Leuten , denn faſt gar piele andcre Saager hatten ſchon vorher zu Kirchdorf ihre Rubeſtätte. Der zweite, der hißige Shneidermeiſter, hieß 3örg Hißberger , welcher fich in der ,, Þaager Zuſammenrot tirung " Ao . 1596 ſo jdarf auszeichnete, daß man ihn nebſt einem Anderen, des Namens Stiler, Feſtnahm , Beide in den Falkenthurm brachte und ſie zuin Tode verurtheilte, aber dann zu ihrem großen Troſt begnadigte. Der Dritte, der Juriſt, war der Praktikant Georg Sebaſtian Plinganſer , welcher mit den Ingolſtädter Stutenten Meindi , Dalmet , Dertel und insbeſondere Hoffmann die Haufen der Landleute organiſirte, als es Ao. 1705 gegen die öſterreichiſche Landesoccupation ging. Der Hauptgrund des Aufſtandes war, daß Kaiſer Joſeph I. 12,000 Bayern audbeben laſſen und nach Ungarn und Italien ſiden wollte . Die ba fort fouten , Hohen , rotte ten ſich zuſammen , und bald war die Schaar auf 20,000 Mann angewachſen, unviel ſpäter auf 40,000, Burghau ſen , Schärding, Braunau wurden erobert, dann ſollte München überfallen und frei werden. Bekanntlich wur den aber da die Deſireichiſden gewarnt, die Oberländer zurüd getrieben, und zu Sendling fanden Dieſe ihren Untergang. Nächſt wurden andere Schaaren bei Vilshofen und A i denbach vernichtet, Braunau , wo der Landesverthetdi gungsausiduß war, ber theils aus Verwirrung, theile aus

 

liſtiger Abſicht planlos verfuhr, wurde durch einen gewißen Dcfort an die Deſtreicher verrathen , und bald wurde die ganze Erhebung unterdrüdt. Die Führer zerſtreuten ſich, Hoff mann gerieth in öſtreichiſche Gefangenſchaft und mußte ſter ben , der Plinganſer gerieth auch in Gefangenſchaft, ward zum Verhör nach München geführt, faß da etliche Monate im Falkenthurm und richtete von da aus im Monat Juni 1706 an den Kaiſer ein Bittſdyreiben um Befreiung , in welchem er über Vieles Aufklärung gab und darzuſtellen ſuchte, daß er, wenn er auch gegen ihn ſtand, doch viel Schaden verhindert habe. Kurze Zeit darauf wurde er frei und ſpäter Kanzler und Nath des Reichsſtiftes Sanct Ulrid zu Augsburg, wo er Ao. 1737 ſtarb. Damit fet das Rapitel von den allerlei anderen Wahr zeichen beſchloſſen , nur daß ich noch etlide alte Reime ber reße, welche Einer ſeiner Zeit auf den Falkenthurm ſchrieb : D ſei du frumm und gehorſam fein , Nur in den Thurm kumm nit hinein , Db dich was noch ſo truß und wurm , Iſt beßer dann im Falkenthurm ; Das kann ich dir für ſicher ſagn, Wo du nit glaubſt, magſt du's beklagn ! Mir ſcheint faſt, der das ſchrieb, hat den Falkenthurm einmal ſelbſteigen probirt, weil er es gar ſo dringend machte.

 


Münchner Friedhofsportal