Münchner Sagen & Geschichten

Von Geistern und Erscheinungen zu München

Trautmann - Die Alt-Münchner Wahr- und Denkzeichen (Seite 144)


alls den Leuten Geiſter erſcheinen, oder wenn deren Einwirkung nicht zu läugnen ist, lo gilt das ganz gewiß für fein kleines Wahrzeichen, daß die andere Welt mit der irdiſchen in Verbindung ſtehe. Deshalb komme ich auf diejenigen Geiſter und Er ſcheinungen in München zu reden, und zwar allen Ernstes, wenn es auch manchem gar ſo überaus Aufgeklärten nicht angenehm sein ſollte , das iſt mir ganz gleici. Fm Thal zu München steht die hi . Geiſtkirche.

 

Die hieß alleranfangs Katharinen - Kapelle und Her zog Ludwig der Kelheimer errichtete daran das Pilger haus, daraus dann ſein Sohn Otto ein großes Spital baute. Nun war unweit dahinter der Kirchhof. Auf dieſem rolul es um Mitternacht von St. Johannes ganz und gar nicht geheuer geweſen ſein, weil ſich die Gräber aufthaten, und jene Pilgrime und Spitaler einen Umzug hielten , welche fich wiederſpänſtig und undankbar bewieſen und eherder ge geſſen und getrunken hätten , als daß ſie zum Pſalter grif fen und beteten . " Sou noch heute, von der Weſtenrieder ſtraße auf das Haus mit dem Bilde zu , nicht ganz richtig beſchaffen ſein . Wenn man durch das Stadtgericht, gegen die Frauen kirche zu, im Gang hinausſchreitet, ſieht man durch die Fenſter zur Rechten in den uralten Auguſtinergarten und den Kreuzgang gerabe über, und man iſt dieſſeits ſelbſt im andern Theil deſſelben er iſt nur verändert, wie der drüben . Von jenem Gärtlein geht auch manche ſonderliche Kunde. Nur Eines, was mir in früher Jugend mehrere Leute erzählten, die gewiß glaubwürdig waren , namentlich ein alter Mann, deſſen Vater in’s Spiel fam . Alſo dieſer, ſein Vater, ſagte er, ſei ein Wundarzt ge weſen und habe oft in's Auguſtinerkloſter gemüßt. Das ſei wieder einmal, mitten in der Nacht, zugetroffen , weil einem etwas voüleibigen, frommen Pater plößlich das Blut ſo ſtark zum Kopfe ſtieg, daß eine Abertäffe verordnet wurde. Wie nun ſelbiger Vater und Wundarzt in den unteren Kloſter gang geſchritten ſei, habe er zu der, ſonderbarer Weiſe

 

offenen Thüre, welche zum Gärtlein führt, geſchaut, und da ſei ein fchon längſt verſtorbener Auguſtiner hereinzu geſtanden und der habe geſagt: ,, Bitt für mich -" und ſei dann wieder verſchwunden . Ueber dieß ſei natürlich der Wundarzt, ſein Vater, nicht wenig erſcroden, ſo daß er zwar dem beſagten Kran ken zur Aber laſſen konnte, hinterher aber das kaſte Fie ber bekam , das er in die drei Monate nicht mehr vertrei ben konnte. Gleichwohl habe er die Bitte des Auguſtiner geiſtes erfüllt und er ſei dann noch oft und zu allen Zei ten an jener Thüre vorüber gekommen, ſie ſei aber ſtets ver foloſſen geweſen, und ihm weiters nichts begegnet, denn ſein frommes Gebet fet ohne Zweifel anerkannt worden. Von der Herzog Marmurg weiß ich auch nod aus meinen jüngſten Jahren Bericht. In dieſer Burg ſou die Churfürſtin Marianne, aber ganz mild und freundlich , umgeben.. Troß dieſer Güte ergriff indeß doc Jeden, der ſie etwa zu ſehen bekam , ein Schreden, und als einmal zur Winterszett eine Schildwache die Flucht ergriff, fiel dieſe im kleinen Hof draußen ganz ohn mächtig in den hohen Schnee und blieb in dieſem Schnee bis an den anderen Morgen liegen , um welche Zeit fie längſt gänzlich eingeſchneit war. Da wußte die Wache, welche Nachts zum Ablöſen kam und keine Schildwache ſay , gar nicht, was das bedeuten foule. Es ward Lärm gemacht und Alles ausgeſucht, doch das war bergebens ; die Thorwache ſagte auch , es ſei Niemand hinaus gegangen oder gelaufen in Kurzem die Sache blieb auf das Aeußerſte rätſelhaft, bis

 

gegen Morgen. Da ging der Schnee durch das Hin- und Herlaufen dort und da weg, und man ſah zwei Beine her ausragen, worauf man bald die ganze Schildwache fand. Zum Glück war ſie noch am Leben. Es ſoll aber nicht viel gefehlt haben , ſo wäre fie total erfroren , und das wäre eben keine Kleinigkeit geweſen, denn dieſe Schildwache war nicht allein Kriegsmann, ſondern auch Familienvater mit ehelichem Geſpons und zwei lebendigen Kindern, welche alſo den größten Schaden erlitten hätten . Begreiflich hatten Dieſe die größte Freude, als ſie hör ten, daß die Gefahr vorüber ſei. Die Leute, welche daher kamen , zeigten fich auch ſo theilnahmsvoll, daß in kürzeſter Friſt Geld beiſammen war, um es dem Kriegsmann zu ermöglichen, einen nachhaltigen, warmen Morgenimbiß und ein Glas Wein zu trinken. Die Kapuziner, deren Klöſterlein auſſerhalb der Burg ſtand, kamen aber noch zuvor, führten ihn fort und ließen ihm Alles Gute angebethen , worauf er zwar nicht noch einmal eine Suppe, aber öfter als dreimal noch um ein Glas Braunes bat, weil es ihn doch noch da oder dort friere, bis ihm dann endlich wieder ganz behaglich und warm war worauf er Dank ſagte , hinaus ging , den Leuten draußen noch Manches von ſeinen eigenthümlichen, anfäng lichen Empfindungen erzählte , während er im Schnee ge legen ſet, und ſich dann mit ſeiner Frau und zwei Kindern un= ter großem Begleit fortbegab und das beſagte Geld mitnahm. Dieſer Mann fou Johannes Steindl geheißen , und die Sache anfangs der neunziger Jahre ſtattgefunden haben.

 

Daß es im großen , linken Edhaus am Søleder gäßlein noch vor wenigen Jahren bedeutend geklopft habe, iſt ſo bekannt, daß darüber gar nicht zu berichten iſt. Jeßt klopft es freilid nicht mehr, aber wer weiß, was das war, ich will da nichts behaupten . Aber daß im 6 db aus der Burggaſſe nfidiſt dem Rathhaus noch jeßt Einer zeitweiſe um die Mitternachts ſtunde in weißem Gewand und mit fahlem Haupt herab ſchaue, iſt außer allem Zweifel. , Selbiger Geiſt iſt der des böſen Advokaten Doctor Galomälus, der ſeine Perücke im Starnberger See verlor , als er die Leute hintereinander gebrađit hatte. Die ganze Sache und Angelegenheit deſſel ben iſt in meiner guten alten Zeit“ ganz wohl verzeichnet. Um die Ecke berum am griechiſchen Markt ſtand der Jungfernthurm . In dem ſoll es früher auch nicht geheuer geweſen ſein , und zu gewiſſen Zeiten von unten herauf geklagt und mit Ketten geraſſelt haben. Dabei ſoll, falls man ſich in der Gegend verirrte, mehrmals eine gewiſſe Geſtalt mit einem großen, dreieckigen Hut und Haarzopf geſehen worden ſein, welche die Hände rang und dann wieder verſchwand. Ohne Zweifel trug derſelbe Geiſt ſchwere Schuld an mancher Gefangenſchaft , wo night gar an Mehr. 3m rechten Frauenthurm ſoll es übrigens auch nicht ganz richtig ſtehen, und manchesmal ein gar abſonderli ches Krächzen und Hauchen und Geſchnaufe ſein . Da meinen dann Mande, es ſeien das Nachteulen, oder wer

 

weiß, was ſonſt. Mag ſein ; könnte aber doch ſein, daß es auch keine Nachteulen wären. Nädſt foll es im bürgerlichen Zeughauſe nicht ganz richtig ſein , fintemal ſich ein und die andere Rüſtung ihrer Zeit ſchon bedeutend gerührt habe und in der alten Ludwigsburg oder dem alten Hof ſoll es auch in früherer Zeit auf dem großen Speicher in Kiſten und altem Eiſenwert gewirthſchaftet haben, und ſo mehr. Nun will id gerade nicht behaupten , daß der ewige Jude ein Geſpenſt fet , denn allen alten Nachrichten zu Folge erſchien er mancher Orten in Deutſchland in leib lich ſicht- und greifbarer Geſtalt. Aber in die diefſeitige Welt gehört er denn doch auch nicht, weil er eigentlich ſchon lange todt ſein ſoll , wenn es ihm der Himmel cr laubte, zu ſterben . Vielleidyt iſt er es wirklich, denn ſeit Anfang des vo rigen Jahrhunderts hat man weder drauſſen im Reich, noch hier etwas Weiteres von ihm vernommen . Wie immer, dazumal Ao. 1702 kam er von der Salzbur gerſtraße her an den Gaſteig und wollte nach München herein . Man erlaubte es ihm aber nicht. Da beſchied er ſich damit in Demuth , ſagte den vielen Menſchen , welche ſich um ihn ſammelten, das Chriſtusbild auf dem Hügel drüben ſei das wahre Conterfei des Heilande, betete lange auf der Bank davor, Bedenkte darauf Groß und Klein mit Perlen und kleinen Roſenkränzen und hob fich dann wieder von dannen. Eine andere ominöfe Perſon war die Klagemutter von Augsburg, die ihr böfes Weſen zu München trieb .

 

Es iſt der Sadie auf die unb jene Weiſe nadygeforſcht worden, und e $ meinte Jeder etwas Anderes. So viel aber ſoll gewiß ſein, daß die Rlagemutter einer reichen Bürgersfrau von München , welche zu Augsburg in die Wochen kam, ihr Rind austauſchte und ein anderes beilegte ; das ſei aufge kommen, die Frau aus Gram geſtorben, und das eine und andere Kind auch. Ueber dieß Alles ſei der Fluch Gottes über die Räuberin ergangen, ſo daß auch ſie bald aus dem Leben mußte, ohne leßte Wegzehrung ſchied und keine Ruhe im Grabe fand , ſondern fort und fort bis München zog, und da an mehr Drten vernehmbar wurde, wo ein Kird in Gefahr war und ſeinem Tode entgegen ging. Ich will aber nun von ſolchen düſteren Erſcheinungen bald abbrechen , und nur noch Einer erwähnen, von welcher ich aus meiner Jugend her ganz gewiſſe Nachricht habe. — Sie betrifft die Arch Noah , den damaligen Wirthsgarten in ber ehrbaren Wurzerſtraße. Zu dieſem, uns Allen noch wohl bekannten, Wirthsgar ten mit ſeinen großen Bäumen ging es jederzeit von der einen Seite die kleine Treppe hinab, und wenn man ſein Brau nes eingenommen hatte, wieder denſelben Weg oder auf der anderen Seite über eine kleine Treppe hinauf, dem Hofgar ten zu — und zwar gar oft mit etwas ſchwererem Haupte, als womit man fich eingefunden hatte. Beſonders waren die durfürſtlichen Leibhartſdiere in fraglichem Garten zu finden, wenn ſie ihren Dienſt in der Reſidenz abgemacht hatten , und ſie ſollen fich , wie in der Dienſttreue, auch in Betreff der Arche Noah ſehr bewährt haben.

 

Nun ward einmal verabredet, daß fie einem Mithart ſchier, Namens Eberhard Häder, den Vorabend ſeines Na menstages feiern wollten , und dabei ſollte der Gäder frei gehalten werden. Ueber dieß verſtrichen zwei Wochen, und ehe die geſeßte Zeit ganz herankam , ſtarb der zu Feiernde. Wie nun ſeine Freunde und Genoſſen zuſammenfamen und in der Arch Noa ganz trübſelig ihr Braunes hinunter tranken , und es immer ſpäter wurde, ſagte Einer : „ Es ſei freilich recht traurig , daß ihr lieber Mitgeſell ſeine Feier nicht mehr erlebt habe. Aber dafür ſei er jeßt alles Wachedienſtes und ſonſt irdiſder Beſchwerniſſe überhoben und ficher ihrer Liebe eingedenk ; deshalb ſchlage er vor, obwohl es ſchon ſchler über die Zeit gebe, ſämmtlich noch einmal einſchenken zu laſſen und ihm , dem Verſtorbenen , einen Ehrentrunk zu trinken . " Damit waren alle anderen Hartſchiere und Genoſſen einverſtanden, obſchon ſie ſich mehrtheils ſchon erhoben und die hochgefchweiften Hüte auf die mit ernſten Haarzöpfen gezierten Häupter geſegt hatten . Als nun wieder eingeſchenkt war, Alle anſtießen , zur Ehre des Verſtorbenen die Stußgläſer bis auf Weniges im Stehen leerten , und dann der vorige Hartſchter und Redner ſagte: ,, Das ſollte der edle, berſtorbene Freund mit erlebt haben, Dem hätt' es auch wohl gemundet — " worauf dann Ale zunidten und allgemeines Sdweigen herrſchte — da hörte man zweimal tief aufſeufzen und zwar aus der Höhe von der Wurzerſtraße Her . Natürlich erſchrađen die Hartſchiere insgeſammt nicht

 

wenig und wandten ſich nach der Gegend der kleinen Treppe, und als ſie hinaufſdauten - ſaben ſie ihren verſtorbenen Freund, wie er geleibt und gelebt hatte , oben auf der erſten Treppenſtufe ſtehen , wie er wehmüthig auf fie Alle berab fah . Hierauf erheb er die rechte Hand langſam , grüßte mit derſelben herab und ſeufzte zum dritten Male , worauf er ſich dann allmählig in eine Art Lidt auflöste -und nach und nach verſchwand. Wie zu erwarten, hatte das Alles auf die lebendigen Hartſdiere eine ſolche Wirkung, daß ſie eine Zeitlang wie verſteinert daſtanden und, obwohl die Meiſten den Weg über die Wurzerſtraßen-Stiege gehabt hätten , ſpäter nicht dieſe , ſondern die andere gegen den Hofgarten zu wählten, um die Heimkehr auf einem Umwege anzutreten. Die, welche das in den Neunziger Jahren erlebt haben, machten natürlich kein Geheimniß daraus, alſo kam die Sache berum ; den ſehr alt gewordenen Wendelin, welcher bedient batte , habe ich in jüngeren Jahren ſelbſt noch geſprochen, und er verwarf alle meine Einreden, weil er nicht läugnen fönne, was er mit eigenen Augen geſehen habe. Darüber fragte ich noch weiter nach, auch bei einem ficheren Hart ſchier, welcher den Häder gekannt hatte, und der ſagte : „ Er ſelbſt fet unwohl und nicht dabei geweſen, aber daß die Sache ihre Richtigkeit habe, ſei nicht nur unſtreitbar, was die Neun ziger Jahre betreffe ſondern derſelbe Hartſchier, rein Freund , ſei ſpäter nochmals geſehen worden , und zwar in ſeiner Gegenwart, alſo ſei da wohl fein Zweifel. Das iſt alſo von der Arch Noah.

 

Nun nody Eines bad Legte, tas betrifft den Münchener Stadt - Engel. Ueber Dieſen ließ ich, zur Zeit wir den ſiebenkundert jährigen Beſtand der Stadt München feierten , eine eigene Geſchrift ausgeben, des Namens ,,Münchner Geiſter," wor aus Jeder deutlich und klar entnehmen konnte , daß id) ihn ſelbſt geſehen und geſproden habe, halb im Traum , balb im Wachen . Sollte nun Einer da ſein, der die Geſchrift doch noch nicht geleſen hätte , ſo will ich ihm in Kurzem vermelden, wer und was es mit dem Geiſt ſei . Für's Erſte tſt er ein guter Geiſt und ſchön von Antlig. Wenn etwas Gutes geſchieht, hat er die größte Freude, er begleitet die Frommen, räumt ihnen in allen Dingen ihres tugendlichen Lebens die zu großen Hinderniſſe weg und läßt vorſorglich Manches zur rechten Zeit ſo ein treffen , daß der harte Sinn anderer Menſchen ſich für einige und gerade die rechte Zeit mildert, und ſo mehr. Dient er nun den Guten ſo viel als möglich durch glüdliche Verbäng ung, ſo regt er ihnen auch nüßliche Gedanken an , und zu Namensfeſten und auf Weihnachten ſollen Die, welche etwas Geſchenktes im Haus finden , nur nicht lange rathen , von wem es komme denn es iſt entweder vom Stadt- Engel ſelbſt, oder von einem Anderen, denn er die Liebesthat ein flüſterte. Andererſeits iſt er aber auch wieder um ſo ſtrenger, denn er thut den Slimmen allen möglichen Schabernac an, führt fie auf die weiteſten Umwege, damit ſie die Zeit ihrer böſen

 

Unternehmungen verpaſſen , oder er weiß es zu machen, daß die Perſonen und Gegenſtände, um die es ſich yandelt, nicht da find und ſo gäbe es gar Vieles zu erzählen , be ſonders was ſeine Liſt betrifft, damit fich die Böſen in ihrem eigenen Neß fangen. Hinwieder iſt er aber auch voll Erbarmen für die Gefallenen ; denn wenn einer ein geſperrt und ganz wirren Sinnes iſt, findet ſich der Stadt Engel unſichtbar ein, oder ſichtbar in irgend einer guten Geſtalt, und flüſtert dem Gefangenen zu, ſich zu beſſern und zu tröſten. Hingegen iſt er auch oft wieder ganz ſtreng, wo er nemlich rechte Verſtodtheit bemerkt und wirft dem Böſewicht alles Mögliche vor die Füße , wenn der Reißaus nehmen will, ſo daß man Deſſelben , troß aller ſeiner Liſt und Eile, habhaft wird; und wenn ihn bedünkt, es verleße Einer Ver trauen, Zudt und Sitte - ſonderlich faßt er auch die Hor cher — ſo vergißt er ſeine Milde ſchon gar und verſeßt dem Selm etwa einen Schlag in's Antliß , daß er deſſen wohl eingedenk iſt das iſt ein böſes Wahrzeichen höherer Gerechtigkeit. Im Ganzen wußte man ſich aber früher ganz beſtimmte und höchſt merkwürdige Fälle zu ſagen, wo Niemand Anderer, als der Stadt- Engel die Hand im Spiele hatte. So war er es , der früher einer geſchwäßigen Maid das böſe Zünglein mit einemmal wie ein Rädel laufen ließ, daß es ſurr ſurrrrr ging, bis die Maid bitter bereute ; da dann das Zünglein wieder allmählig nachließ und ſtill ſtand. Als zu Zeiten Herzog Sigmund's Einer in rech

 

ter Bedrängniß war und fich nicht in die Burg wagte, weil ihm ein Rammerbiener bittergram war, ſo daß nichts Gutes zu erwarten ſtand, gab er zuleßt alle Hoffnung auf und ging eines Abends ganz verzweifelt in Wind und Schneegeſtöber. Nächſt war's ihm, als ſage Einer : Tritt in die Halle da ! “ Das that er, und bald trat noch Einer ein ; und wie Der mit ihm redete, zeigte fich , daß es der Herzog ſei. Da ſagte ihm Jener ſein Leid , fand alsbald Gehör, der Rammerdiener ward noch denſelben Abends tapfer ausgeſcholten und mußte ihm das Geld bringen , das der Herzog bewilligte. All das hatte der Stadt - Engel ver anlaßt. Als vor Zeiten Hans Steininger , der weiſe und tapfere Braunauer Ratheherr, mit ſeinem berühmten Bart bis auf die Zehen herab, gen München in die Neuveſte kam — ſein Bildniß hängt an einer Treppe der Reſidenz, --- und einem hübſchen Rammerfäßlein nachſchaute, obſchon er eine tapfere Ehefrau hatte, ſtolperte er über ſeinen Bart, und es fehlte wenig , ſo wär' er über etliche Stufen hinabgefallen. Daran war der Stadt-Engel ſchuld. Eben ſo war es in der Burggaſſe am Sonneneck beim Schneeberg. Als da der Zahnarzt Naras am beſagten Schneeberg vor uralten Zeiten in ſeiner Ungeduld grollte: „ Herr Gott, gibt's denn jeßt gar Reinen mehr , dem ein Zahn weh thut ! " fuhr es ihm plößlich ſelbſt in'o Zahnwert. Das war eine Strafe des Stadt- Engels. Desgleichen war er es , der die bucelichten Schneider der Herzoge Wilhelm und Ferdinand hintereinander brachte,

 

den Merlin und den Kimmerle, die ſich aus Eiferſucht grimmig haßten , und eines Tages gar in der Hofburg auf Degen foderten, dafür ſie in ein und daſſelbe Gefängniß ein geſperrt wurden . Da kamen ſie dann furchtbar aneinander und bearbeiteten ſich ihre Rüden arg , wofür ſie jedesmal einen Tag länger eingeſperrt blieben , bis fie fich zulegt verſöhnten und auf's Weitere noch gute Freunde wurden. Den Aerzten ſpielte er auch Shabernad , fonderlid dem Doctor Golztus im Thal mit ſeinem Magenweh, weil Der Alles aß, was er ſeinen Kranken verbot, und drob zu ſpotten wagte. Das erſtemal ſei's geweſen durch einen großen Fiſch, den ihm Herzog Wilhelm IV. ſchickte, das anderes Mal mit einem Hammelbraten . Da ſoll es ihm beide Malc dauerlich im Magen gedrückt haben –– und ſo mehr. Kurz , vor dem Stadt-Engel war keine ſonderliche Sicherheit und iſt es nod jeßt nicht; er ſpäht alles aus . Drum mag fich jeder in Acht nehmen , denn er ſei noch ſo vermeſſen mit dem Stadtengel iſt nit gut Kir fchen effen.


I.M. Mayer Kgl. Hofsattler und Kutschenfabrikant