Münchner Sagen & Geschichten

Kleidung und Nahrung

Mayer - Münchner Stadtbuch (1868)


Wir haben bereits im Abschnitte I dieses Buches den verschwenderischen Lurus des vierzehnten Jahrhunderts und die vom Stadtrathe zu München dagegen erlassene Kleiderordnung vom Jahre 1405 erwähnt. Dessen ungeachtet aber riß immer wieder der übermäßige Luxus dergestalt ein, daß von Zeit zu Zeit wiederholte Kleiderordnungen erlassen werden mußten.

Die letzte dieser Kleiderordnungen ließ Kurfürst Maximilian Josef im Jahre 1749 ergehen, und schärfte deren genaue Befolgung durch Hofrathsbefehl vom 39. Dez. desselben Jahres mit dem Beisatze ein, daß den Lakeien und Handwerksburschen das Tragen der Degen bei Confiskation derselben und einer Strafe von zwei Reichsthalern verboten sei.

Von welchen komischen Folgen der Vollzug dieser Kleiderordnung am Neujahrstage 1750 zu München war, erzählt uns eine gleichzeitige Relation, welche wie folgend lautet:

„Diese Kleiderordnung ist von allhiesigem löbl. Stadtmagistrat München durch die vier Viertelschreiber von Haus zu Haus angesagt worden. Am heil. Neujahrstag in der Früh sind nachgehende Executiones geschehen.

„Zwischen 6 und 7 Uhr wurden verschiedenlichen Weibsbildern, und wie man sagt, bei 60 Personen ihre schönen bordirten Hauben von den Stadtamtleuten vom Kopfe weggerissen und abgenommen worden. Sodann bis 12 Uhr haben weiters und zwar meistens vor den Gotteshäusern 

sehr viele Hauben von den Weibsköpfen springen müssen. Einige Weibsbilder haben auf der Gassen gleich anderen schwarze Hauben bis zum Eingang der Kirche getragen, unterm Portale aber solche abgethan und verborgene bei ihnen getragene reiche Hauben aufgesetzt, beim Ausgang aus der Kirche abgethan und versteckt; es sind aber derlei Vortl den Amtleuten sogleich bekannt und folglich die Weibsbilder endlich gar ausgesucht worden.

„Ein Weibsbild, welche aus Bosheit eine von Papier gemachte, aber durchaus mit pur gemalten Goldborden und prezios anzusehen gewesene Haube aufgehabt, ist als sie die Amtsleute ertappten und die reich vermeinte Haube abgenommen, in die Schergenstube geführt worden, welcher in allen Hauptgassen die Schandstrafe angethan wird, und dergleichen Gespäß sind noch mehrere geschehen. Sonderlich am Neujahrstag haben die Weinwirthe bei U. l. Frau das ordinari Neujahramt gehalten, wobei sich theils einige Frauen endlich nach dem gnadigsten Verbote getragen, theils aber mit den reichsten Hauben und Kleidern eingefunden. Die Schergen sind instruirt gewesen, diese, weil sie Rathsfrauen seien, nicht anzugreifen, sondern zu notiren; welchen Uebertretern auf die Nacht die militärische Exekution in die Behausung eingelegt wurden, in so lang, bis denselben die öffentliche Strafe geschehen wird.

„Unter andern hat es den guten Weinwirth Krimb getroffen, weil dessen Weib als früher bei ihm gewestes Dienstmensch einen ausserordentlichen Pracht gehabt, und noch dazu, wie es derlei Menscher, wenn sie Frauen werden, zu machen pflegen, die ärgsten Schmählereien verübt und andere aufzuhetzen gesucht habe.

„Einem Bräuknecht sind die seidenen Strümpfe von den Füßen abgezogen, dann mehr anderen Bräu- und Metzgerknechten ihre auf dem Hut gehabten Borden, weiters einigen Burgers- auch Bauern-Menschern die Brustflecke herausgerissen und die daran gewesten Borden abgetrennt worden.

„Im Uebrigen haben die Weiber sich alle mit schwarzen Hauben, und die meisten in schwarzen Kleidern getragen, man hat diesertwegen den heil. Neujahrstag für den Armenseelentag ansehen können."

Diese etwas sehr strengen Maßregeln scheinen aber nicht nachhaltig gewirkt zu haben; auch ließ die anfängliche übermäßige Strenge der Ausführung bald nach. Aus Westenrieder entnehmen wir nachstehende Schilderung der Kleidungstrachten aus dem Anfange der achtziger Jahre des vorigen Jahrhundertes.

Der Münchener Bürger trug kurze lederne Beinkleider, blaue, graue oder weiße baumwollene lange Strümpfe mit rothen Zwickeln, an den Werktagen Rock und Weste von Landtuch, letztere auch wohl von Leinwand; eine Halsbinde von Flor oder weißer sehr feiner Leinwand, und einen runden großen Hut, der mit Schnüren zu drei Flügeln aufgeschlagen war. Erschien er an Sonn- und Festtagen oder bei besonderen Gelegenheiten in feierlicher Kleidung, so trug er Weste und Rock von feiner ausländischer Leinwand, und einen sehr weiten Mantel, der in vielen Falten von der Schulter bis auf die Schuhe hinabhing. Der Mantel war damals, gleichviel ob heißer Sommer oder Winter, das Ehrenkleid des Bürgers, er konnte ohne solchen gar nicht in die Kirche gehen.

Dieser Mantel hatte einen, oft mit silbernen oder goldenen Borten verbrämten Kragen. Die Schnallen an den Schuhen und am Hute waren fast immer von geschlagenem Silber, desgleichen die Knöpfe an Rock und Weste; zu letzteren verwendete man gerne alte bayerische Geldstücke, 'besonders Frauenbild-Halbguldenstücke. Jn der Uhrtasche trug er eine zwei- oder dreigehäusige silberne Uhr, von welcher eine mächtige Uhrkette von Semilor bis über die Mitte des Unterleibes herabhing. Ferner trug der Bürger ein dickes spanisches Rohr mit silbernem Knopfe in der Hand, wohl auch einen Degen; niemals aber beides zugleich. Gewöhnlich trug er kurzgeschnittene Haare, nur selten Perrücken; diese waren hauptsächlich nur die Mode der höheren Stände und des Adels. Die Trauerfarbe war, wie heute noch, die schwarze; auf dem Hute wurde vier bis sechs Wochen lang ein langer Trauerflor getragen. Bei einigen Gewerben waren besondere Farben der Kleidung üblich, so z. B. trugen die Müller hellblaue Röcke, die Schmide und Schlosser braune, die Metzger hatten hochrothe Westen u.dgl.

Die Bürgersfrauen trugen gewöhnlich etliche Unterröcke, von denen der äußere von Landzeug, oft auch von feinstem Tuche oder Seide, und unten mit einem Silber- oder Goldspitz verbrämt war; dazu kam ein Fürtuch (Schürze). Das mit Fischbein ausgespannte und überaus steife Mieder wurde vornen mit einem demselben ähnlichen und dazu passenden Brustfleck mit einer silbernen Kette, an welcher „angeöhrlte" Thaler, silberne Kreuzchen oder Trauben hingen, zugeschnürt. Darüber zogen sie eine kurze mit Knöpfen versehene Weste von Zeug oder Tuch, Wams genannt, an; dazu kam ein seidenes oder fein linnenes 

Halstuch. Um den Hals hing eine silberne, bei reichen Bürgersfrauen goldene Halskette zu zehn bis achtzehn sogenannten „Gängen" mit einer Schließe, die nicht selten mit Edelsteinen besetzt war. An den Fingern glänzten silberne und goldene Ringe, und silberne Schnallen an den Schuhen. Ohrringe waren damals bei den Bürgerinen noch nicht gebräuchlich. Am Kopfe trugen sie die silberne oder goldene Riegelhaube, im Winter Hauben, welche den ganzen Kopf bedeckten. Beim Kirchengange an Sonnund Festtagen war ein kostbarer Rosenkranz von Korallen oder Steinen und ein mit Silber beschlagenes Gebetbuch ein nothwendiger Schmuck einer wohlhabenden Bürgerin. Auf gleiche Weise kleideten sich auch die Jungfrauen. Einige Frauen trugen damals, als Westenrieder schrieb (1782), noch die alten ehrwürdigen Gürtel und einfache Halskrägen, dazu große Hauben mit Pelz besetzt, oben einen Boden von Seide oder Sammt: die sogenannten Pelzhauben. Keine Frau puderte das Haar; dies war nur bei den höheren Ständen Mode, sowie auch damals bei Mannern das Tragen irgend eines Bartes noch nicht üblich, sondern das Gesicht glatt rasirt war.

Die Kleidung der höheren Stände hatte schon zu des seligen Westenrieder Zeiten keinen bestimmten Karakter; man nannte sie bei den Frauenzimmern die französische Kleidung, und die Mode wechselte damals eben so häusig wie jetzt. Die Männer aber trugen einen Brillantring am Finger, eine, Stutzer auch wohl zwei Sackuhren; an der wohlgepuderten Perrücke einen Haarbeutel und als Hut einen sogenannten Chapeau, der aber niemals auf den Kopf gesetzt, sondern unter dem linken Arme getragen wurde.

Dazu kam der Galanteriedegen, der beinahe horizontal in der Art getragen wurde, daß er hinten zum Rocke hinausstand, und bei Vornehmeren überdieß noch ein Stock. Sie trugen ferner kurze Beinkleider von feinem Tuche und seidene lange Strümpfe, welche oft den Gebrauch künstlicher Waden nothwendig machten. Die vornehmen Frauenzimmer trugen als besondern schönen Staat ungeheuere Reifröcke in einer Breite von wenigstens sieben Schuh, so daß zwei solcher Damen eine mittelmäßig große Gasse ganz erfüllten, oder sie hatten Schleppkleider, deren Schleppe, wohl zwei Ellen lang, unter dem linken Arme getragen oder bei sehr vornehmen Damen von einem Bedienten nachgetragen wurde. Der Kopfputz solcher Damen bestand in einer Art Thurm von Haaren, in der Höhe von einem bis anderthalb Schuh, wohl gepudert und mit Perlenschnüren besetzt. Um einen solchen hohen Kopfputz aufzubauen, war ein eigenes Gestell von Stahl erforderlich, das in die Haare eingesetzt, und worüber die Frisur geflochten und gezogen wurde. Die Kleider einer noblen Dame mußten wenigstens eine halbe Straße weit von eau de Lavende oder andern damals beliebten Parfümes riechen. Eine wunderliche Liebhaberei der Frauen damaliger Zeit war aber der Mops. Dieser häßliche und mürrische Hund war der Liebling der Damen und ihr steter Begleiter, der auf das zärtlichste gepflegt und gehätschelt wurde. Zu Hause auf den Schooß seiner Herrin oder auf weiche Kissen hingebettet, wurde er auf der Straße stets am Arme getragen. Nachdem aber glücklicherweife dieses Thier aus der Mode gekommen ist, ist in unseren Tagen eben so wunderlicherweise diese Hundart fast gänzlich verschwunden.

Bei Kindern war es sehr beliebt, sie in Ordenshabite zu kleiden, über welche sie ein „Gehänge", d. i. ein Amulet an einem schönen Bande trugen.

Uns kommen mit Recht diese Trachten als lächerlich und abgeschmackt vor; wird aber wohl über unsere heutige Mode nach längerer Zeit von der Nachwelt ein anderes Urtheil gefällt werden?

Hieher gehört auch die Beschreibung der Uniformirung des damaligen Bürger-Militärs vom Jahre 1782. Die Bürgermiliz bestand aus:

einem Infanterie-Regimente von neunhundert bis tausend Mann. Dessen Uniform bestand aus blauen Röcken mit schwarzen Aufschlägen, schwarzen Beinkleidern, gelben Westen, weißen Gamaschen mit gelben Knöpfen, und einem Degen;

einer überaus prächtigen Kavallerie-Compagnie bestehend aus zweihundert Mann. Diese trug einen gelbledernen Rock mit silbernen Borten und blausammtenen Aufschlägen, eine blaue Weste von Tuch, gelbe Beinkleider und einen mit Silberborten verbrämten Hut; ferner ein mit Silberborten besetztes Bandalier, einen langen breiten Degen und eine mit Silberborten besetzte blautuchene Pferdschabrake;

einem Artilleriekorps zu hundertfünfzig Mann, mit blaugrauen Röcken und Beinkleidern, rothen Westen und goldbordirteu Hüten;

den bürgerlichen Trabanten in alter Schweizertracht, welche nur zur Paradirung bei besonderen Feierlichkeiten dienten.

Was nun die Nahrung betrifft, so pflegte der Bürger und Handwerker vor beiläusig achtzig bis hundert 

Jahren noch kein Frühstück zu nehmen. Selbstverständlich war es aber noch weniger gebräuchlich, um eilf Uhr in einem Weinhause ein Dejeuner bei einer Flasche Wein zu genießen, wie es heut zu Tage so ziemlich üblich geworden ist! Die Stunde des Mittagmahles war um eilf Uhr Vormittags, des Abendessens um sechs Uhr. Das gewöhnliche Mittagmahl eines Bürgerhauses bestand aus Suppe, Voressen (Ragout), Rindfleisch und Gemüse, an Sonntagen Kalbsbraten, an höheren Festtagen ein Gänsebraten. Am Tische des Meisters aß der Geselle und der Lehrjunge; dieselben waren damals noch Glieder der Familie, und mußten sich in allen Stücken der Hausordnung des Meisters und der Zucht der Meisterin unterwerfen. Bei einigen Zünften waren gewisse Speisen, entweder täglich oder an bestimmten Tagen, herkömmlich; so z. B. mußte den Schuhmachern bei jedem Abendessen Salat aufgesetzt werden.

Bei aller Einfachheit des Tisches setzte aber die Bürgersfrau ihren größten Stolz und ein gewisses Schautragen der Wohlhabenheit darein, besonders vor Gästen mit vielem Küchengeschirre von glänzendem Zinne und Kupfer zu prunken, das wohlgeordnet auf Stellagen in der Küche und im Schlafzimmer gereihet war; neben diesen hingen zierlich bemalte steinerne Krüge. Des Gebrauches der jetzt allgemein verbreiteten Schüsseln und Teller von Fayenee hätte sich damals jede nur einigermaßen wohlhabende Bürgersfrau geschämt. Bei Vornehmeren waren, je nachdem ihr Vermögen es zuließ, selbstverständlich alle Feinheiten und Ueppigkeiten der Tafelfreuden in Anwendung, und es gehörte sogar zum noblen Tone, einen französischen Koch zu haben. Dadurch entstand schon damals die Unsitte, den Speisen französische Namen zu geben.

Bei dieser Gelegenheit dürfte es passend sein, die Preise einiger Lebensmittel aus dem Jahre 1782 hier anzuführen. Das Schaffe! Korn kostete im höchsten Preise 9 fl. 30 kr., Waizen 11 fl. 30 kr., Gerste ö fl. 15 kr., Haber 4 fl. 30 kr.; ein Pfund Ochsenfleisch 6 kr. 3 Pf., Kalbfleisch 5 kr., Schweinefleisch 6 kr.; eine Gans 48 kr., eine Maß braunes Sommerbier 3 kr. 1 Pf., weißes Bier 3 kr. 1 Pf., die Klafter Buchenholz 5 fl., Fichtenholz 3 fl. 30 kr.; ein Pfund Butter 14 kr., Schmalz 15 kr., um einett Batzen (4 kr.) bekam man 10 Eier. Glückliche Zeiten!


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