Münchner Friedhofsportal

geboren 29.11.1862 (Weißenburg)
gestorben 30.06.1934 (Dachau KZ)
Berufsgruppe Politiker (Politiker)
Beruf Staatsminister
Personenverzeichnis Kahr Gustav Ritter von 
Friedhof Nordfriedhof
Lage M links--306/307
Wikipedia Gustav_von_Kahr
Gustav Ritter von Kahr wurde 72 Jahre alt.

Gustav Kahr, seit 1911 Ritter von Kahr, war ein deutscher Jurist und Politiker. Von 1917 bis 1924 war er Regierungspräsident von Oberbayern. Er amtierte von März 1920 bis September 1921 als bayerischer Ministerpräsident und Außenminister. Von September 1923 bis Februar 1924 war er bayerischer Generalstaatskommissar mit diktatorischen Vollmachten. Im Herbst 1923 stellte er sich offen gegen die Reichsregierung, trug aber zur Niederschlagung des Hitlerputsches bei. Von 1924 bis 1930 war er Präsident des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Kahr wurde nach dem sogenannten Röhm-Putsch im Juni 1934 im KZ Dachau ermordet.

Am Abend des 30. Juni 1934 wurde Kahr im Verlauf der Röhm-Affäre von einem SS-Kommando in seiner Wohnung in München festgenommen. Auf dem Weg in das KZ Dachau wurde er von zwei SS-Männern schwer misshandelt. Bei seiner Ankunft im Lager wurde der Kraftwagen, in dem Kahr transportiert wurde, von einem aufgebrachten Mob von mehr als einhundert SS-Männern umringt: Diese stimmten Freudengeschrei an, als der Wagen auf dem Platz vor der Kommandantur eintraf, und schrien wiederholt in bedrohlich skandierender Weise: „Kahr, Kahr!“ Auf Befehl des Kommandanten des Lagers, Theodor Eicke, wurde Kahr zum Arrestgebäude des Lagers, dem sogenannten „Bunker“, gebracht und dort dem Arrestaufseher übergeben. Kurz danach wurde er im Arrestgebäude erschossen. Als wahrscheinlichster Schütze gilt der damalige Oberaufseher des Bunkers Johann Kantschuster.[Bald nach dem Mord an Kahr kam die Legende – die auch in die Fachliteratur Einzug gehalten hat – auf, seine Leiche sei kurz nach dem 30. Juni mit Spitzhacken verstümmelt außerhalb im Dachauer Moor gefunden worden.

Die Oberstaatsanwaltschaft beim Landesgericht München II nahm im Juli 1934 zunächst Ermittlungen wegen Kahrs Tod auf, die schließlich damit endeten, dass die Bayerische Politische Polizei ihr die am 30. Juni in Dachau erfolgte Erschießung Ende Juli offiziell mitteilte. Zuvor hatte das Reichsjustizministerium am 14. Juli dem bayerischen Justizministerium auf eine entsprechende Sammelanfrage des letzteren, wie mit den im Münchener Raum am 30. Juni bis 2. Juli vorgekommenen Tötungshandlungen zu verfahren sei, mitgeteilt, dass der Fall Kahr „unter das Gesetz über Maßnahmen der Staatsnotwehr vom 3. Juli 1934 (RGBl. I S. 529)“ falle und damit rechtens sei. Daraufhin stellte der zuständige Oberstaatsanwalt beim Münchener Landgericht II das Verfahren wegen der Tötung Kahrs mit der Begründung ein, dass „eine strafbare Handlung nicht vorliegt“.

Im Ausland erregte die Meldung vom Tod Kahrs – der in der deutschen Presse verschwiegen wurde – großes Aufsehen. Man ging im Allgemeinen davon aus, dass Kahr aus Rache für sein Verhalten im Jahr 1923 ermordet wurde und nicht, weil er im Jahr 1934 eine Bedrohung für das NS-System dargestellt habe. Er hatte sich obendrein völlig aus der Politik zurückgezogen. Darum haben viele Presseberichte und Zeitgenossen den Mord als besonders abstoßend verurteilt. So notierte der Schriftsteller Thomas Mann am 6. Juli 1934 in seinem Tagebuch über die Mordaktion, die die NS-Regierung in den vorangehenden Tagen durchgeführt hatte:

„Am kennzeichnendsten vielleicht die scheußliche Ermordung des alten Kahr in München, die einen politisch völlig unnötigen Racheakt für Verjährtes darstellt. Es zeigt sich da, was für ein Kujon dieser Mensch [Hitler] ist, den viele für besser als seine Bande halten, was für ein Vieh mit seinen Hysterikerpfoten, die er für Künstlerhände hält.“

Am 7. Juli 1934 schrieb der NS-Chefideologe Alfred Rosenberg in sein Tagebuch, dass die „Verräter des 9. XI. 23“ nach Dachau gebracht worden seien, so dass sie nun „ehrlicher Arbeit nachgehen“ könnten. Und: „So wurde der 9. XI. 23 doch noch gesühnt u. [d. h. und] Kahr hat sein längst verdientes Los ereilt.“ Ob Theodor Eicke mit oder ohne Befehl Hitlers Kahr ermorden ließ, konnte nie geklärt werden.

Werner Best, der als Leiter des SD-Oberabschnitts Süd in München die am 30. Juni und 1. Juli in München durchgeführten Verhaftungen auf Grundlage von Befehlen, die ihm aus Berlin übermittelt wurden, vornehmen ließ und koordinierte, räumte nach dem Zweiten Weltkrieg zu dem Fall Kahr ein, dass er, Best, oder sein Stellvertreter Carl Oberg auf Anweisung der SS/SD-Zentrale in Berlin hin die Verhaftung Kahrs veranlasst habe. Er bestritt allerdings, dass ihm ein Befehl zur Erschießung des ehemaligen Generalstaatskommissars bekannt gewesen sei. Stattdessen sei ihm nur der Auftrag erteilt worden, Kahr verhaften und im KZ Dachau unterbringen zu lassen. Ein allfälliger Befehl zur Tötung des Gefangenen sei seiner Dienststelle nicht mitgeteilt worden, sondern auf anderem Wege, ohne Einschaltung des Münchener SD-Oberabschnitts, von Berlin an die Lagerleitung von Dachau übermittelt worden. Ihm sei bei seinen eigenen Nachforschungen berichtet worden, dass Kahr von Angehörigen der Wachmannschaft Dachaus in eigenmächtiger Weise getötet worden sei: Die Ankunft des „Verräters“ Kahr habe die SS-Mannschaft so erregt, dass sie diesen spontan kurz nach seinem Eintreffen im Lager erschossen hätte. Der SD-Chef Heydrich sei ihm, Best, auf die Meldung von der Erschießung Kahrs „aufrichtig verärgert“ erschienen, so dass er angenommen habe, „dass sie von ihm [Heydrich] wirklich nicht gewollt war.“

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Literatur

3980221105 -
Kahr Gustav Ritter von
Gustav Ritter von Kahr
Bildrechte: Artur Braun, Gustav Ritter von Kahr (1920), als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons
Kahr Gustav Ritter von
Gustav Ritter von Kahr
Bildrechte: © Gerhard Willhalm, Grab - Gustav von Kahr, CC BY-NC 4.0

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