Münchner Friedhofsportal

Nordfriedhof

         

Name Nordfriedhof
Plz/Ort 80805 München
Straße< Ungererstraße 130
Öffnungszeiten Nov - Feb 08:00 - 17:00
Mar 08.00 bis 18.00
Apr - Aug 08.00 - 20.00
Sep - Okt 08:00 - 19:00
Ruhefrist 10 Jahre
Plätze 32700
Fläche 30.75 ha
Nordfriedhof

Der neue nördliche Friedhof.

Mit der Einverleibung der Stadt Schwabing in den Münchener Stadtbezirk im Jahre 1890 kam auch deren 1874 an der damaligen Freisinger Landstraße neu angelegter Gottesacker unter die Verwaltung der Stadtgemeinde München. 1895 fanden Grassels Erweiterungspläne und die Pläne zu den neuen Baulichkeiten die behördliche Genehmigung; im nächsten Jahre begann ihre Aus führung. 1899 waren die Gebäude fertiggestellt, 1912 die Friedhofsanlage zu einem vorläufigen Abschluß gebracht.

Grässels System der Raumverteilung im Friedhofsgebäude des Ostfriedhofs löst auch bei den Baulichkeiten des Nordfriedhofs die Bedürfnisfrage. Das Zentrum der Bauanlage bildet wiederum die Aussegnungshalle; diese erwächst als achteckiger überragender Bauteil aus einem als Umgang um diesen geführten machtvollen Viereck von 22 m Seitenlänge, vor das gegen die Straßenseite die Räume für Verwaltung und Geistlichkeit an einer hochgeführten Vorhalle gelegt sind, und an das sich gegen die Friedhofsseite eine fünfbogige Vorhalle zwischen Treppenaufbauten lehnt. Senkrecht zur Achse dieses Bauteils schließen wiederum die 28 m langen, 13 m breiten basilikalen Leichenhallen an mit den beiderseitigen Gängen für Leichenwärter und Publikum. In deren Ecken sind mit Verbreiterung- des Grundrisses die Wohnungen für Bedienstete gelegt. Flügelbauten mit einseitig offenen Säulenvorhallen umrahmen den Vorplatz gegen den Friedhof. An die Rückwand dieser Flügelbauten schließen sich die beiden Wirtschaftshöfe an. Die ganze Gebäudegruppe ist schließlich wiederum auf eine Terrasse gegen das tiefer liegende Friedhofs gelände gestellt.

Der Aufriß des Friedhofsgebäudes ist im Gegensatz zu dem des Ostfriedhofes durch das Spiel der Massenüberschneidungen auf mehr malerische Wirkung entwickelt. Die Gebäudegruppe liegt mit ihrer Längenausdehnung an der Ungererstraße. Deren geringe Breite von 30 m Fahrweg und je 6 m Fußsteig erlaubte keine ausgesprochene monumentale Disposition der Bauanlage, die aus räumlichen und praktischen Gründen dicht an die Straße gelegt werden mußte. Die Her stellung eines größeren Vorhofes an der Straße wie beim Ostfriedhof verbot sich also, so wünschens wert ein solcher auch gewesen wäre, um das Leben der Straße auch gefühlsmäßig abzuschließen. Er ist vermindert auf bäum- und strauchbepflanzte ummauerte Vorplätze. Die Antrittsstufen des Portalvorbaues liegen in der Baulinienflucht und an der Verlängerungslinie der Einfriedungs mauer, welche halb mannshoch bleibt und den Einblick in gärtnerische Anlagen vor den Leichen hallen gestattet. Dadurch ist die Baumasse wiederum aus der Straßenwand gelockert.

Über die Treppenanlage, zwischen zwei auf den Wangenmauern liegenden Sphinxen mit Hahnenköpfen, tritt man durch den luftigen offenen Säulenvorbau aus Kehlheimer Kalkstein, 204der wie die ganze Stirnfläche der sonst verpusten Bauten mit farbig behandeltem Flächenschmuck in schwach profilierten Reliefs bekleidet ist, in eine hochgeführte monumentale Vorhalle mit den Figuren von Glaube, Liebe und Hoffnung auf hohen verschiedenfarbigen Marmorsäulen. An der Wand dazwischen ein breites Medaillonfries mit den Bildnissen der zwölf Apostel. Eine zweiflüglige Glastür, durch eine altarähnlich auf gebaute, mit dem Opferlamm bekrönte Umrahmung gefaßt und durch einen Bogenabschluß mit darein gestelltem vergoldetem Uhrenzifferblatt archi tektonisch gehöht, bildet den Zugang zur Aussegnungshalle.

Die Raumlösung dieser Halle für die Trauerversammlungen und Aussegnung der Leichen ist ungemein interessant. Ein in den Verhältnissen wundervoll abgewogener Kuppelraum ent wickelt sich aus achteckiger Basis, ohne daß der Übergang aus dem Achteck ins Rund bemerkbar wird. An den Ecken des Oktogons sind starke, fast 2 m breite gebrochene Pfeiler angelegt, diese zunächst bis zu einem schmalen Gurtgesims hochgeführt, unter dem vier einfache säulengetragene Bogen als Durchgänge in den Mittelachsen des Grundquadrates und vier dreifache Bogen als Eck lösungen in seinen Diagonalen bleiben. Die dreifachen Bogen tragen halbkreisförmige Nischen mit geschlossener Mauerfläche, die Durchgangsbogen dagegen eine in drei durchbrochene Bogen felder aufgeteilte ebene Wandfläche, hinter der sich Musik und Chor bei besonderen Trauerfeiern befinden. Die acht Halbkreisbogen über den Tragpfeilern übernehmen nun den solchermaßen in seiner Rundung vorbereiteten Mauerleib der Kuppel. Der Übergang des Oktogons zum Rund wird durch die Plastik von Engelsfiguren auf vorkragenden Konsolen unter schwach ausladenden Segmentbogen verdeckt. Fein stuckierte Felder mit perspektivischen Ausblicken in das himm lische Jerusalem unterteilen den darüberliegenden Mauerleib als Basis der Rotunde, die gegen die Kuppelwölbung mit kräftigem, reich gegliedertem Gesims und Spruchband abschließt. Mittels Stichbogen schneiden nun acht hohe Bogenfenster in das Gewölbe der Kuppel ein, das Karl Döttl mit einer Darstellung des Jüngsten Gerichts bemalt hat.

Läßt man die edle Farbigkeit dieses Raumes auf den Geist wirken, und sucht man nach einem historischen Vergleich, so erinnert man sich etwa der Raumstimmung von San Vitale in Ravenna und des dortigen Baptisteriums, Innenräume, deren märchenhafte Geheimnisfülle zu diesem Bau werk in irgendwelche plastisch gefühlte Beziehung treten. Durchforscht man jedoch diesen Vergleich nach der Möglichkeit der Beeinflussung, so verschwindet der Gedanke daran; denn hier ist alles Plastik, Relief, Malerei, dort glitzerndes Mosaik, und schon hierdurch wird eine ganz andere Raumstimmung hervorgerufen. In Ravenna schließen sich' die Mosaiken der Wandflächen zu einem farbenflirrenden Lichterprunk zusammen und werden eine festlich ge stimmte, froh erregte Gläubigkeit der zu Religionsübungen anwesenden Christen erzeugt haben. In der Halle des Nordfriedhofs erstrebte der Erbauer ernste Geistigkeit des Raumes gemäß seiner Bestimmung als Versammlungsort für Schmerzgeprüfte und Trauernde und erreicht diese Absicht durch eine Verstärkung des räumlichen Eindrucks der Halle, indem die Flächen förmlich zu Raumgebilden vertieft werden. So besitzen wir in der Halle für Trauerversammlungen des Nordfriedhofs eine wunderbare Raumschöpfung, ein zeitloses Kunstwerk von hoher Vollendung und von größter Bedeutung für die Entwicklung der Baukunst.

Wie die Versammlungshallen der übrigen Grässelschen Friedhofsgebäude besitzt auch ge rade dieses Bauwerk eine wunderbare Akustik.

Bei allem und jedem seiner Bauten istGrässel bis zur äußersten Möglichkeit logisch. Es ent wickelt sich alles bei ihm aus der Idee zur Vorstellung und aus dieser zur unbedingt folgerichtigen Ausführung. So ist zum Beispiel auch der über das ganze Gebäude verteilte farbige Reliefschmuck in seinem Ideengehalt mit dem Bildschmuck der Innenräume auf das innigste verwandt und wie dieser nach einem einheitlichen Gesamtgedanken entworfen. Ausgewählte Worte aus der Heiligen Schrift verstärken den Eindruck der bildlichen Vorstellungen in dem Besucher der Friedhofs gebäude, der so aus der Alltäglichkeit mit ihren Ablenkungen in den Ideenkreis der christlichen Religionen hinübergeleitet wird. Lebloses Material gewinnt lebendige Wirksamkeit, die Schmuck glieder werden zu Stimmungsträgern, das Bauwerk selbst spricht aus voller ungehemmter Kraft L05zu dem Beschauer. Das beweist die wahre Meisterschaft eines Baukünstlers, ein organisches Bau werk zu schaffen, das bis in seine kleinsten. Äußerungen der verlangten Funktionen als Zweckbau und bis in seine letzten Äußerlichkeiten der Erscheinung als Kunstbau Genüge leistet!

Der Reliefschmuck beginnt an den rückwärtigen Verwaltungsgebäuden, setzt sich fort am Mittelbau, greift auf die Eingangshalle über, erreicht seine stärkste Steigerung im Kuppelbau, um dann gegen den Ausgang in den Friedhof wieder zu verklingen. Wir sehen an den beiden Ver waltungswohngebäuden die Brustbilder der großen Vertreter der Verheißungen des Alten Testa ments: Adam und Noah, Abraham und Moses, David, Jesaias, Ezechiel und Daniel. Auf den Reliefs des Mittelbaues wallen die Erdenpilger unter Anführung von Märtyrern von rechts und links gegen das thronende Lamm Gottes, das den Zugang zu Gott Vater am Giebel durch die beiden Engel der Gerechtigkeit und der Barmherzigkeit vermittelt. Über dem Eingangstor erschüttert uns das große Wort: ,,Es ist vollbracht!“ Rückseits erblicken wir als erhebendes Symbol des ver heißenen Landes den Weinstock. In der Eingangshalle erscheinen an deren beiden Langseiten die Verkünder von Gottes Wort im Neuen Testament, die zwölf Apostel, hinweisend auf das am Kuppeltor dargestellte kerzenumgebene christliche Opferlamm, dazwischen auf den Säulen Glaube, Liebe und Hoffnung. Über dem Tor zum Kuppelraum das herrliche Wort der Heiligen Schrift: „Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben!“ — An den Oberwänden des nun folgenden Kuppelraumes finden sich symbolisch angedeutet perspektivische Darstellungen, Ausblicke in das himmlische Jerusalem mit seinen Brunnen, Opferschalen, Weihrauchgefäßen und Kreuzeszeichen. Darüber wieder zur Ergänzung und Vertiefung des Eindrucks die acht Selig preisungen: „Selig sind, die reinen Herzens sind, Selig sind die Friedfertigen, Selig sind die Barm herzigen, . . . " und die Kuppelwölbung mit dem Himmelszelt und dem Weltenrichter im Zenit, seine Sendboten auf der Erde, die Auferstehenden aus den Gräbern zu ihm emporführend. — Über der Ausgangshalle gegen den Friedhof singende Engel und überlebensgroß der segnende Christus.

Die offene, fünfbogige Säulenvorhalle, mit diesem reichen plastischen Bildschmuck sin gender Engel an der Stirnwand, leitet hinaus in den Friedhof. Zunächst stehen wir auf einer Terrasse mit rauschenden Brunnen; dieser legt sich ein architektonisch gestalteter, von Hecken grabstätten umzogener Schmuckplatz vor, dessen entferntere östliche Begrenzung einseitig ge öffnete Hallenbauten als Arkadengrüfte bilden. Überall hat auch hier der Architekt ersichtlich die gärtnerische Gestaltung bis auf jede Baum- und Strauchgruppe bestimmt und so sein Bauwerk in herrlicher Harmonie mit der umgebenden Natur verbunden. In kleineren und größeren Abtei lungen, umfriedigt von geschnittenen Taxushecken, begleitet von immer wieder neu gestalteten Brunnenanlagen, erstrecken sich die Gräberfelder symmetrisch verteilt über das ganze Gelände bis zu den Umfassungsmauern, deren Flucht Mauergrüfte und Urnenhallen und ganz im Osten die schlichte Feuerbestattungsanlage unterbrechen. Die Aufteilung des eigentlichen Friedhofs geländes weicht von der des Ostfriedhofs nicht unwesentlich ab, sie zeigt besonders längs des Hauptweges eine reizvolle und sehr nachahmenswerte Bestattungsart in kleinen Heckengärten, die in ihrer Abgeschlossenheit ebenso stimmungsreich wie ästhetisch fein empfunden wirken. Ge rade auch in diesen Anlagen ist der Nordfriedhof vorbildlich.

Geschichte

  • Der Nordfriedhof wird von der damaligen Stadt Schwabing errichtet

  • Ehrenhain für Luftkriegsopfer

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    Das  Massengrab des Bombenkriegs für 2099 Opfer (159 Unbekannte) wurde 1950 zum Ehrenhain für Luftkriegsopfer umgestaltet. Der Ehrenhain umfasst 1940 Einzelgräber und ein Sammelgrab.

  • Errichtung einer Urnenhalle

    Die Urnenhalle wurde von dem 1963 gestorbenen Leiter des Münchener Grabmalamts und Architekten Eugen Jacoby geplant.

  • Übergabe der ersten Sphinx an die Öffentlichkeit

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    Der originalgroße Rekonstruktionsentwurf stammt von der Münchner Steinbildhauerin Barbara Oppenrieder. Für die Ausführung war der Steinbildhauer und Steinrestaurator Wolfgang Gottschalk verantwortlich. 

    Literatur

    .3826071964.

    Bilder