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Ein Jahrhundert München

Protestanten

Der sonst aufgeklärte Westenricder vertraut seinem Tagebuch folgenden Erguß an: 1801. Es bekam der hiesige Magistrat von der Generallandesdirektion die Weisung, einen Protestanten, der eines hiesigen Weinwirts Gerechtigkeit gekauft hatte, als Bürger anzunehmen. Die Bürgerschaft berichtete denFall an die hiesigen Landschastsdeputierten, welche aber eine nichts entscheidende Antwort gaben.

Den 29. Juli schickte der Kursürst an den Magistrat ein Handbillet, worin dem Magistrat mit vielen Drohungen auf den Weigerungsfall befohlen wurde, den Protestanten allsogleich als Bürger anzunehmen.

1809. Den 11. Januar paradierten die hiesigen Protestanten bei dem Leichenbegängnis des .... *) durch die Kaufingergasse: Voraus gingen die Begleiter,- dann folgte die Leiche auf dem neuen, dem Polizekdiener Swobata gehörigen Wagen, neben welchem die gewöhnlichen sechs Träger mit Windlichtern gingen, und dann folgten zwei Kutschen. (Wiewohl seit 1800 schon sehr viele Leichenzüge der Protestanten gesehen wurden, so hatte doch dieser Zug etwas besonders Neues und Besitzergreifendes. Es war diesmal kein katholischer Priester mehr dabei, der sonst als Zeuge dabei sein mußte.)

Maximilian Joseph hatte in Erkenntnis der Forderungen der Zeit von Amberg aus unterm 10. Juni 1800 eine Erklärung erlassen, „daß bei Ansässigmachung in den oberen bayerischen Staaten die katholische Religion nicht ferner als wesentliches Bedingens anzusehen sei." Trotzdem wurden von selten des Magistrates der Hauptstadt immer wieder Einwände erhoben,- wie man erklärte, nicht in der Absicht, „um mit fanatischer Unduldsamkeit fremde Religionsverwandte zu verfolgen, sondern unbefangen alle Umstände gegen die bisherige, in Bayern angenommene Landesverfassung den Ständen zur Kenntnis zu bringen und Belehrung zu erhalten."

Der „erste Protestant Münchens", d. h. der erste, der als Bürger und eine Gerechtsamkeit Ausübender ausgenommen werden mußte, war der aus Mannheim stammende Weinwirt Michel. Ihn betreffend, schrieb der Kurfürst am 29. Juli 1801 an den Magistrat: „Nach reifer Überlegung und mit der Gewißheit, daß das Recht auf meiner Seite ist, befehle Ich dem Meinen Stadtmagkstrat, spätest morgen abends 6 Uhr dem Handelsmann Michel aus Mannheim das Bürgerrecht zu erteilen, widrigenfalls Ich Mich genötigt sehen würde, die strengsten Mittel zu ergreifen."

Niemand in München wollte damals einen Protestanten beherbergen aus Angst, der Blitz möchte in das Haus einschlagen, in dem man einem Ketzer Gastfreundschafi gewährte.

*) Der Name ist im Tagebuch fortgelassen.

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