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Ein Jahrhundert München

Die Franzosen und der Galerieraub

eine Grenadierkompagnie zum General schaffen lassen." Dabei wandte er mir den Nucken gerade so wie sein General, dessen gebieterischen Ton er trefflich nachahmte. Darob neue Beratung mit dem Ergebnis, sich beim kommandierenden General über den Divisionsgencral zu beschweren. Die Antwort Moreaus kam durch den Llberbringer der Beschwerde wieder zurück,- sie war sehr höflich und lautete: „DasichLccourbeimFeindes- land in seiner Handlungsweise im Recht glaube, die er weder verhindern, noch gutheißen könne, so rate er, den General 311 befriedigen, um dadurch den Groll eines Heißsporns zu verhindern, der bei weitem schlimmere Folgen nach sich ziehen könne, als der Schaden sei. Im übrigen wäre er, soweit es von ihm abhänge, bereit, den Kurfürsten zu ent­ schädigen. Die Herren möchten die von Lecourbe mitgenommenen Gemälde abschähen lassen und deren Wert an der Kriegskontribrttion der Stadt in Abrechnung bringen." Man fügte sich der Notwendigkeit. Man ließ die Bilder in das erste Vorzimmer schaffen, aus Furcht vor einer weiteren Auslese des Generals. Die Abschätzung wurde gewissenhaft vorgenommen: der Kurfürst hätte wohl in keinem Falle den gleich hohen Preis fordern können. Der Bürger-General ließ sie pünktlich durch Grenadiere holen, die beim geringsten Widerstande alle Türen eingeschlagen hätten. Nach ihrem Abzüge glaubte ich die Sache erledigt und pries Gott, dabei so billig weggekommen zu sein. Denn im Grunde erlitten wir keinen großen Verlust. Der Geschmack des Generals

bewies sein geringes Kunstverständnis.
Bald nach diesem Schrecken sollte mir ein anderer widerfahren, der weit ver­

hängnisvoller war als der erste. Eines schönen Morgens betrat ein elegant gekleideter „Bürger" mit schöner, blonder Perücke ä la Titus mein Zimmer. Nachdem er mich gefragt hatte, ob ich der Direktor der kurfürstlichen Museen sek, fuhr er fort: „Ich bin Kommissär der Rhein-Armee und habe im Auftrag der Republik die unseren öurch die Ausbeute bei den besiegten Nationen zu bereichern, indem ich aus ihren reichen Sammlungen der Kunst und Wissenschaft eine Auswahl treffe." Zugleich überreichte er mir seine Vollmachten und den Befehl, die Siege der „Großen Armee" zu nützen, um durch Andenkenstücke von dauerndem Werte die Erinnerung an sie zu verewigen, wie man auch der Armee kn Italien Meisterwerke der Kunst verdanke. Beim Durchlesen dieses Schriftstückes war ich bestürzt.

Der Kommissär bemerkte es und sagte zu mir: „Ich bedauere Sie, Bürger Direktor, ich empfinde mit Ihnen die Sorge, die Ihnen die Angelegenheit bereiten muß, und ver­ sehe mich in Ihre Lage. Beruhigen Sie sich indes: Sie werden in mir einen vernünftigen und mitfühlenden Mann finden!" Auf meinen Einwurf, daß ich der Ermächtigung des Rates dazu bedürfe, erwiderte er: „Führen Sie mich zu diesem Rat, und ich bürge Ihnen für seine Zustimmung. Es kann keine Schwierigkeiten zwischen dem Sieger und dem Besiegten geben: ersterer befiehlt, letzterer gehorcht, gutwillig oder mit Gewalt." Ich stellte also meinen Kommissär, namens Neveu, dem versammelten Rate vor, der

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