Alte Quellen

Über die ehemaligen Richtstätten der in München zur Todesstrafe Verurteilten und ihre Volkssagen

Jahr 0

Über die ehemaligen Richtstätten der in München zur Todesstrafe Verurteilten und ihre Volkssagen

Verfaßt und vorgetragen im historischen Vereine von Oberbayern den 1. September 1871

von

Direktor Dr. Anselm Martin

kgl. Universitätsprofessor  ec in München

In unseren Vereine wurde die Frage angeregt, an welchen Orten ehemals in München die öffentliche Todesstrafe vollzogen worden ist.

Man erwähnte, das diese Plätze nicht mehr sicher zu bestimmen seien, - das das Bestehen des Fausttürmchen an der Stadtmauer des Sendlinger-Tores damit vielleicht in Beziehung sein könnte, -

Das überhaupt ein Rückblick auf diese kulturhistorische Seite des früheren Volksleben jetzt schon umsomehr geboten sein dürfte, als Vollziehungen von Todesstrafen vielleicht bald nur mehr der Geschichte angehören werden.

Ich habe diesen nun weiter nachgeforscht und dabei so Manches in Erfahrung gebracht, dass, in Schrift und Urkunden nicht verzeichnet, nur mehr im Volksmunde fortlebt, - später für die Stadtgeschichte somit verloren sein kann.

Ich weiß zwar, das die Quelle der Volkssage von Urkunden-Helden vielfach nicht gewürdigt, belächelt und verachtet wird.

Sie sagen, der alte Rechtssatz „was nicht schriftlich vorliegt, ist als nicht geeignet“ auch bei historischen Arbeiten grundsätzlich anzunehmen und zu beachten.

Ich muß aber auch in Rücksicht jener Überlieferungen des Volksmundes, die mein Vortrag zu berühren hat, dagegen besonders betonen, das das Volk über die öffentlichen Richtstätten und einst vollzogenen Hinrichtungen ein getreues Gedächnis sich erhalten und übereinstimmend vielmals zu berichten weiß. - Vielen Stadtplänen sind noch jetzt Namen geblieben, die ehemals dort zu Ausführung gekommene Todesurteile hindeuten.

Die Volksstimme ist in dieser Richtung mehr als in Anderen sich treu und fast unaustilgbat geblieben; bei dem Mangel weiterer Urkunden kann ihr daher vertraut werden, so wie sie überhaupt bei historischen Arbeitennicht nur wertvoll, sondern auch jeder Beachtung würdig ist.

Dieses veranlaßte mich, mir für meine Forschungen noch die Beihilfe des Herrn Beneficiaten Jakob Gufler an der Kreuzkirche dahier, des bekannten Kenners der Volkssagen und der Geschichte
Münchens, zu erbitten.

Ich bezeichne unter vollstem Danke, daß sie mir sogleich zugesagt und auch mit allbekannter Freundlichkeit umfassend dann geworden ist.

Da derselbe mir gestattete, diese seine Mitteilungen für den historischen Verein benützen zu dürfen, so sollen sie nun mit dem, was ich selbst als Volkssage gehört, im Folgenden berichtet werden.

Mehr, als noch bekannt und mit historischer Sicherheit angenommen und bewiesen werden kann, ist es glaubbar, daß an dem Platze, den jetzt der Burgfrieden der Stadt München und seine nächste Umgebung umfaßt, lange früher schon Wohnungen und germanische wie auch römische Ansiedlungsstätten gewesen sind.

Dieses beweisen bereits mehrere Funde von Waffen und Münzen aus heidnischer Zeit auf dem Boden des Stadtgebietes, die Nähe älterer Gräberplätze, die so nahen Hochäcker auf dem sogenannteu Marsfelde und dem rechten Isarufer bei der Vorstadt Giesing und so Anderes.

Ich selbst habe vor einigen Jahren dem historischen Vereine einige römische Münzen übergeben, die am Fuße des Lilienberges in der Vorstadt Au, acht Fuß tief,  zugleich mit alten Mauerresten gefunden worden sind.

Der jetzige Stadt-Wegmeister Hr. Hartl berichtete mir erst kurz, daß man am Ende der Corneliusstraße, zunächst der Badstraße, bei dem Graben des neuen Kanales 8-10 Fuß tief auf einen ganz gut
und schön gepflaſterten Platz gekommen, der ihm und Allen, die ihn sahen um so mehr aufgefallen sei, als dieser Ort im weiten Umfange nie bewohnt und in den ältesten Stadtplänen immer nur als unbewohnt
bezeichnet ist. Den 20. September 1871 wurde tief unter dem Boden des alten Stadtbaches zunächst der seit den ältesten Zeiten Münchens bestandenen, nun aber erst kurz abgebrochenen alten Schleifmühle (zwischen dem Wohnhaus des Hofbräuhauses und der Lederergasse) eine mit breiten Steinen gepflasterte lange Stelle (Straße ?) bei den Aufgrabungen für den neuen Stadtkanal aufgefunden. Ober ihr befand ſich ein fast drei Fuß tiefes Steingerölle, wie es sich nach Überschwemmungen des Isarflusses findet. Auf diesem Gerölle erst floß bisher der alte Stadtbach Länge von fast 60 Schritte verfolgt werden, wurde aber dann nicht weiter für den im Baue begriffenen neuen Stadtkanal ausgegraben. Auch altes Gemäuer von Ziegelsteinen des ältesten Brandes wurde an ihr entdeckt.

Wenn uns nun zwar von allen diesen früheſten Bewohnern des Stadtgebietes Näheres urkundlich nichts bekannt ist, ſo dürfte doch angenommen werden können, daß auch sie, wie alle Bewohner des Bayerlandes, vor der Umfassung des Bezirkes Münchens zu einer Stadt
vem germanischen Volksstamme im Allgemeinen angehört und daß die Hinrichtungen ihrer Verbrecher damals daher auch nach einer alten Volkssage von einem Schwertmagen, nämlich von einemmännlichen Mitgliede der Familie des Verbrechers, vollzogen worden sind.

Als später die Wohnungen auf dem jezigen Boden des Stadtgebietes München zu einer Stadt erhoben worden waren, und überhaupt sich die ehemaligen Familiengerichte zu öffentlichen Gemeinde- , Dorf-, Markt-, und Stadt-Gerichten oder solchen  von einem Vereine mehrerer Gemeinden als Land-, Provinzial- , Hof-Gerichte u. s. w. ausgebildet, kam diese Verrichtung bekanntlich in die Hände besonders hiezu gewählter oder ernannter Richter (Geschworner), die nebst der Untersuchung und der Verurteilung auch die Vollstreckung des Urtheiles in eigener Person, wenigstens durch bestimmte Mitglieder ihres Gerichtshofes, besorgten oder besorgen ließen.

So wissen wir es von allen germanischen Stämmen und auch von unserem München erzählt eine Vollssage, daß in der ersten Zeit ihrer Erhebung zur Stadt die Hinrichtungen durch den jüngsten freien Bürger, später durch den jüngsten Beisitzer (Ratsherrn, Schöppen, Scabinus) des zu einem Gerichtshofe gebildeten Bürger-Ausschusses (Rath, Magistrat) persönlich vollzogen worden seien.

Hiezu aber soll Jeder nur einmal verpflichtet gewesen sein und derselbe deßhalb die weißen Handschuhe, die ihm zu ſeinem Urtheils-Vollzuge gegeben worden waren, nach demselben seinem etwaigen Nachfolger auf dem Richtplatze noch feierlich überlassen haben.

Erst als im zwölften Jahrhunderte von Italien aus auch in Deutschland die Einführung des römischen Rechtes erfolgte, wurden eigene Männer für den Vollzug der Todesurteile angestellt, welc Römern einſtmals aus dem Stande der Sklaven genommen worden waren, auch in München, als auf der niedersten Stufe der bürgerlichen Gesellschaft stehend, angesehen, der allgemeinen Zurücſezung prei8Sgegeben und als sogenannte „Unehrliche“ behandelt und betrachtet worden sind.

Bekanntlich teilten mit ihnen im Mittelalter und selbst noch bis zum Anfange des 19. Jahrhunderts Schergen, Abdecker, uneheliche Kinder u. s. w., früher auchbis in das 13. Jahrhundert, Bader, Hirten und Andere das gleiche Verhältnis.

 

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In Müncen wurde um die Mitte des 13. Jahrhunderts erſt ein
eigener Bedienſteter für den Vollzug der Todesurtheile angeſtellt.

Er wird in den älteſten , lateiniſch abgefaßten Urkunden „car-
nifex“ d. i. „Fleiſhhauer“ benannt. Im Deutſchen führte er den
Namen „Scharfrichter, Henker oder HaHer“ (vom altdeutſchen
„Hahen» d. i. Henken), =- Freimann (wegen der angeblichen Vor-
rechte „der Freileute“), dann auch der Züchtiger (dieſes beſonders in
den Schriften der Gerichtſtellen).

Vom Volke wurde er aus Höflichkeit als „Meiſter“ angeſprochen
und in der Anſprache Arbeit ſuchender Knechte ſeines Standes mußte
er „Meiſter Morgenſtern" genannt werden, weil nach dem Ge-
brauche ſchon der älteſten Völker die Hinrichtungen ſtets am frühen
Morgen zum Vollzuge kommen, während man dem Waſenmeiſter den
Namen „Abendſtern» gab, weil ſein Geſchäft bei Nacht zur Ausübung kam.

No< vor 50 Jahren betitelte man den Sharfrichter in München,
wenn man ſich bei ihm wegen Menſchen- oder Pferde-Curen empfeh-
len wollte, als „g eſtrenFen Herrn“.

Die Benennung „Nachrichter“ kam erſt in neueſter Zeit aus Nord-
deutſchland nach Altbayern.

Die Bedienſtung des Scharfrichters wurde ehemals als „Amt“
bezeichnet und es kömmt daher auch die Benennung „Hachamt", näm-
liM „Amt des H«

Der zu dieſem Amte Adſpirirende (der Acceſſiſt des Hachamtes)
mußte gewiſſe Proben ſeiner Geſchiklichkeit in verſchiedenen Arten von
Hinrichtungen ablegen. Er wurde dann durch die weitere Uebung in
dieſem Geſchäfte auch ſpäter als der Art für „juriſtiſch gebildet“
angeſehen , daß er vor der Berſammlung der Richter das Gutachten
abgeben mußte, was für eine Art der Todesſtrafe der Verurtheilte im
gegebenen Falle für ſein Verbrechen erhalten ſollte, wie dieſes beſon-
ders in Kaiſer Ludwig des Bayern Rechtsbuch ſich findet.

In Müncen wurde er durch den Regenten des Landes angeſtellt,
nämlich den Herzog, deſſen beſtellter „herzoglicher Richter“ bis 1294
ſein einziger Vorgeſeßzter war.

Bekanntlich ertheilte aber in dieſem Jahre Herzog Rudolph auch
der Stadtgemeinde München das Recht , einen eigenen Stadtrichter zu
halten, der auch die Criminal-Jurisdiction (jus gladii) beſaß.

Seit dieſer Zeit war der Henker zugleich, nebſt dem nur für das Hofper-
ſonal verbliebenen Hofrichter, auch dem Stadtrichter zum Dienſte verpflichtet.

Er wurde deßhalb bis zum Anfange des gegenwärtigen Jahr-

 

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hunderts zur Hälfte vom Hof und zur Hälfte von der Stadt beſoldet,
was im Ganzen, bei der Gehaltsregulirung vom 29. Mai 1433, 40
Pfund Pfenninge und in Folge des ſteigenden Geldwerthes in neueſter
Zeit etwa 1000 fl. betragen dürfte.

Als Gehilfen waren dem Scharfrichter einige Knechte zugetheilt,
deren Zahl in früherer Zeit vier, nämlich nach gewiſſen Nebendien-
ſten in den vier Stadtvierteln, war.

In der ſpäteren Zeit hatte er nur mehr Einen, weil die früher
ſogenannten Richtersknechte als „Stadt- oder Viertels-Schergen“ in
den Dienſt des „Oberſchergen" (Eiſenſchergen, Eiſenmeiſters , Gefäng-
niß-Oberwärters) in der „Scergenſtube“ im Rathhauſe kamen und
nur noh bei öffentlichen Hinrichtungen als Begleiter des Gerichtshofes
zu Dienſte ſein mußten.

Der Platz, wo in Müncen die Hinrichtungen in den älteſten
Zeiten vollzogen wurden, war nach einer alten Bolksſage der öffentliche
Marktplatz vor dem damaligen Raths- oder Gerichtshauſe.

Das mit einem Thürmchen jezt noch verſehene E&haus an der
Dienersgaſſe gezen den Marienpla wird in ſeinem unterſten Stocke
und Kellerräumen als Gefängniß ſehr ſchwerer Verbreher der dama-
ligen Zeit benannt.

In dieſen Kellerräumen hat man mir als Knabe, da dieſes Haus
damals meinem mütterlichen Großvater, Kaufmann Lunglmaier, gehörte,
die Ringe der eiſernen Ketten und ſo manches Andere noch gezeigt,
das na<; Angabe der Bewohner und anderer alten Münchener die
frühere Beſtimmung dieſer Näume nachweiſen und die allgemeine Volks-
ſage beſtätigen ſollte.

In ſpäteren Zeiten wollte man die Todesurtheile nicht mehr in
den Ringmauern der Stadt vollziehen. Sie, wie auch die Beſtattung
der Hingerichteten, wurden daher außerhalb der Umfaſſung8mauer und
außer des dieſelbe umgebenden Grabens verlegt.

E3 geſc zur Reſidenz des Herzogs Ludwigs des Strengen erhoben, mit einer
herzoglichen Burg (Altenhof) und einem neuen Stadttheile dabei (Die-
ner- und Burg-Gaſſe) verſehen, wit ſc<önen Häuſern verziert und an-
ſehnlichen Einwohnern bereichert wurde.

Welcher Ort aber damals für die Richtſtätte und die Scharfrich-
ters- Wohnung auserwählt wurde, darüber haben wir eine uralte Ueber-
lieferung des Volkes, die zwar auf eine eingeſc gend der jehigen ſogenannten Hofſtatt nächſt vem Färbergraben als

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ſolche bezeichnet, näher aber durch jeht no< beſtehende Localbenenn-
ungen und Urkunden bewieſen werden kann.

Im Mittelalter wurde nämlich jede Richtſtätte wegen den ſie ſo
häufig umſ genannt. So wird 3z. B. unter vielen anderen Bekannten in der
Sammlung hiſtoriſcher Nachrichten eines Anonymen in Oefeles Scrif-
ten berichtet, daß „im Jahre 1503 in Regensburg aus dem Innern
„der Stadt vor die Thore verlegt wurde das Decollatorium (die
„Köpfſtätte), quod vulgus appellat Rabenſtein. “

Wenn wir nun dieſen ſogenannten Rabenſtein für München außer-
halb der damaligen älteſten oder nun „inneren“ Stadt ſuchen wollen,
ſo machen wir einen Gang von dem in ganz gleiher Entfernung von
den vier ehemaligen Thoren (dem ſ<önen Thurm , Wilprechtsthurm,
Raththurm und Ruffini-Thurm) befindlichen Mittelpunkte der Stadt,
nämlich von der alten Hauptwache aus, =- gegen Süd und Südweſt hin.

Zuerſt kommen wir durc< die Roſengaſſe an das E> derſelben
links am Rindermarkte. Dort hieß ehemals das Haus Nr. 6, wo
jet die Roſen-Apotheke iſt, das Rabene>, au< „innere Rabene>“,
beim Volke auch im bayeriſchen Dialekte als „Rappene>" ausgeſprochen ;
wie man noch jet beim Landvolke, beſonders im Gebirge nicht „Rabe“,
ſondern „Rappe" ſpricht.

Von dieſem Hauſe als Stammſiß hatte ein altes Patriziergeſchlecht
in München den Namen der „Rabene>er“ , wie in den Jahren 1309,
1316 u. ſ. w. ein Heinri „Ho auch es dort in dem Programm der Fronleichnams-Prozeſſion von
1581 noch heißt: „am Rabene>, gegenüber dem Hofbrau, 2c.“ (nach-
her und jeßt beim Spekmaier-Brauer genannt).

Screiten wir weiter fort durch das ſüdliche Stadtthor , das im
Laufe der Zeit nacheinander „Sendlingerthor, Pütrichthurm , Blauen-
Ententhurm und Ruffini-Thurm“ benannt wurde, ſo kommen wir über
eine, den die Stadt umfließenden Kanal überſezende Brücke, die früher
von Holz war, aber im Jahre 1434 überwölbt wurde und jett nicht
mehr als Brüce ſichtbar iſt, da der Stadtbach hier ganz zugede>t
und den Platz der ehemaligen Brücke nun die breite Straße bildet.

Dieſe Brü>e hieß die „Teüferbrücke“" und die daranſtoſſenden
Häuſer urkundlich „an der Teyferpruck.“

So 3z. B. das Haus des Werndl, des Münchbergers auf der
Teyferpru>k 1389 2c,

 

#7

Dieſer Name wurde von einem bekannten Hiſtoriker Münchens

im ſtädtiſchen Grundbuche gefunden und von ihm mit „tiefer Brücke“
erflärt, weil er ein Oberpfälzer war und man in der Oberpfalz „teüf“
für tief, wie „Beur“ für Bier , „Keu“ für Kuh u. ſ. w. ausſpreche.

Allein in München redete man nie oberpfälziſc wie immer die Verleihungs-Urkunden von Jurisdictionen im ehemaligen
Bayern geleſen, ſo wird ſicß finden, daß nach der altherkömmlichen
Gerichtsſprac ung vorbehaltenen Criminalfällen, neben Mord, Shachbrand d. i. Raub-
brand, Nothzucht u. ſ. w. es auch heißt, „Teuf oder Teyſ“" d. i. Die-
berei, Diebſtahl z =- ſowie es auch ſehr ſpät no vorfömmt.

Auf dieſer Brüfe war es nämlih, wo man einſt kleinere Ver-
brecher, insbeſondere Diebe, mit körperlichen Strafen, die nicht auf den
Tod gingen, belegte ; z. B. mit Ohren- und Naſen-Abſ marfen, Handabhauen, Auspeitſchen, StoFſizen, Prangerſtehen u.ſ. w. z
== daher man dieſe Brüce „die Teyfer- oder Diebsbrüce" nannte.

Nicht weit davon hieß das E>&haus an der Sendlingergaſſe und
dem Färbergraben , jezt Nr. 87 des ' Eiſenhändlers Baumann, das
„äußere Rabene>“z wie es auch no< in der Häuſerbeſchreibung des
Polizeicommiſſärs Huber vom Jahre 1819 als „Rappene>“., geſtükt
auf die Ausſage der Bewohner desſelben, erwähnt wird.

Neben dieſem Hauſe war vor Zeiten eine Höhlung im Boden, mit einer
Waſſerlacße, wo man es bei der Hüll hieß.

Als ſpäter im Hauſe dabei ſich ein Garko< etablirte, nannte man
es dort beim Koch „in der Hölle“" (eigentlih an der Hül).

Weil nun in der Speisſtube desöſelben ſpäter ein Gemälde mit
einem alterthümlich gekleideten Gaſt und deſſen Frau ſich befand, ſo er-
dichtete man das Märchen, es ſtelle dasſelbe „Martin Luther mit ſei-
nem Katherl“ vor, die da Bratwürſte gegeſſen , aber heute no Zec es nun in der „Hölle“.

Das Haus gegenüber im Färbergraben hieß der Volkswitz im
Gegenſaß zur Hölle = „im Himmel". In ihm befand ſich bis in
unſere Zeit ein Schäffler, der ſogenannte „Himmelſchäffler“z jetßt noch
ſo genannt.

Als dieſes Haus am 29. Juni 1631 gegen das Erſtere einfiel,
ſagte man ſcherzweiſe, „es ſei ter Himmel in die „Hölle“ gefallen,“
was auch lange Zeit eine „Ex voto“ Tafel bei der ſogenannten, jekt

 

#8

in der hl. Geiſtkirhe befindlichen, Hammerthaler-Muttergottes in der
ehemaligen Auguſtinerkirche im Bilde zeigte.

An das bezeihnete Kochhaus (Sendlingergaſſe Nr. 86) ſtößt das
frühere Bräu- nin Wirthshaus „zum Haſcher“ Nr. 85 an, und von
dieſen berichtet uns die Volksſage, daß es8 ehemals das Scharfrichter«
Haus geweſen ſei, daß im damit verbundenen vorſpringenden Gebäude
mit den Arkfaden (dem jezt noc< ſogenannten „Haſcher-Bögel“) die
Wohnungen der Knechte desſelben und auc< Gefängniſſe waren, =-
dann daß von dem Erker daran häufig die Todes-Urtheile abgeleſen
wurden, und daß ſich hinter demſelben, gegen Weſt zu, die Richtſtätte
und dann aufwärts, gegen Süd zu, im freien Felde, wo man es „im
Haggn“, auc< „Hagrain “, ſpäter verdorben „Habrain- oder Haberfeld“
nannte, wo nur wenige Häuſer, ſonſt aber ſtädtiſcher Weideplaß und
der „Hirtenbrunnen “ (an der Joſephsſpital- ehemals Brunngaſſe und
noH in einem Theile ſo benannt) ſich befanden, -- auch der Schind-
Anger oder die Waſenſtätte geweſen ſei und daß da die Hirten das
gefallene Vieh vergraben hätten.

Von dieſem Scarfrichterhauſe aus in der Sendlingergaſſe und
an der Südſeite des Färbergrabens von Haus Nr. 20 bis 22 -- und
auch wahrſcheinlich no< weiter weſtlich hinaus, erſcheint der Localname
„am Rabenberg“, deſſen auch Lipowsky in ſeiner Urgeſchichte von
München aus alten Urkunden hier erwähnt.

Hier iſt beſonders für unſere Forſ wo man es , wie Hr. geiſtlihe Rath Geiß in ſeiner Geſchichte der
Pfarrei St. Peter anführt, ausdrüli< „a m oder beim Nabenſtein“
nannte, ſomit nicht „Klaubenſtein“, wie es von einem Hiſtoriker aus
der ſchle ben wurde.

(Es iſt dieſes das Haus Nr. 28 am Färbergraben an der linken
E>e, wv man zur Hofſtatt hineingeht.

Am Anfang des 15. Jahrhunderts gehörte dieſes Haus Ste-
phan , vem Kaltſc Beneficiatenhaus, das es auch bis in das 18. Jahrhundert geblie-
ben. Es war zu dem von mehreren Weinwirthen Münchens geſtifte-
ten Beneficium, der ſogenannten Weinſchenken-Meſſe am St. Achatius
Altare bei Sct. Peter, angekauft worden.

Der Name dieſes Hauſes am „Rabenſtein“ deutet gewiß beſtimmt
genug die Nähe der einſtigen Richtſtätte in dieſer Wegend an.

Der beſondere Platz oder die Sagaſſe, wo man es
XXXI, 15

 

#9

 wWeber ehematige Kichtſtätten in Wünchen und ihre Volkgſagen.

jezt „auf der Hofſtatt“ nennt, iſt auch in der Volksſage die
Localität, wo vor Zeiten die söffentliche Todesſtrafe
vollzogen worden ſein ſoll.

Wenn ſc Angaben für die Wahrheit dieſer Annahme Zeugniß geben werden, ſo
dürften ſie auch noch beſtätigen die vielen menſchlichen Knochenreſte, die
man auf dieſem Plaße und in ſeiner nächſten Umgebung noch erſt vor
wenigen Jahren wieder ausgegraben hat, da man ehemals die Hinge-
richteten gleich am Richtplaße verſcharrte. Dieſe Ausgrabungen wur-
den mir erſt wieder vor wenigen Monaien. von einem höchſt glaub-
würdigen Augenzeugen berichtet.

Ein Leichenacer iſt an der Hofſtatt nie geweſen und auch in fei-
nem alten Etadtplane oder einer Urkunde verzeichnet. Auch ſind die
Gebeine nicht in geordneter Reihe, wie in allen ern,
eingegraben.

Seit Menſc es an dieſem Platze „geiſtere“ und man Hingerichtete, ihre Köpfe im
Arme tragend, Nachts dort habe umherwandeln ſehen und dergleichen
Aberglauben mehr, wie ſie bei allen Richtſtätten berichtet werden.

Als in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts München im-
mer mehr ſich vergrößerte und beſonders die Häuſeranlagen außer ten
alten Thoren zu anſehnlichen Vorſtädten angewachſen, auch in dieſen
Vorſtädten oder Vororten (Haggen, Altheim, Konradshofen, Brandaß,
Graggenau, Thal, Anger,) bedeutende Gebäude und Anſtalten z. B. das
Kloſter der Auguſtiner, die ſcheftlarniſche Sc dem St, Nifkolaus- Kirchlein und großen Oekonomie - Gebäuden , das
Franzisfaner-Kloſter, die Seel- oder Beguinen-Häuſer der Pütrich und
Ridler, das hl. Geiſtſpital, das Kloſter Anger , Villen und Garten-
häuſer von zum Hofe hieher Üüberſiedelten Landedelleuten und Anderen
erſtanden waren, beſchloß man alle dieſe Vorſtädte mit der inneren
Stadt zu vereinigen und um dieſelbe eine neue Ringmauer mit
Thoren, Thürmen, Zwinger, Graben u. ſ. w. zu bauen, Hiezu gab,
=- dqa, wie es ſcheint, Ludwig der Strenge, um in ſeiner Burg bei
Altenhof durc< Nichts gehindert zu ſein, nichts davon wiſſen wollte, =-
deſſen ihm in der Regierung 1294 nachfolgender Sohn Herzog Rudolf,
die Bewilligung ; =- worauf dann auch die noch jekt in einigen Thei-
len vorhandene, bald aber ganz demolirte Stadtmauer in den Jahren
1295 bis 1315 ihre Entſtehung fand.,

 

#10

In Folge deſſen fonnte man die Richtſtätte nicht mehr
im Inneren der nunmehr vergrößerten Stadt belaſſen.

Sie wurde daher außer die neu angelegten Thore
verlegt.

Den bisherigen Richtplas ſchenkte “Herzoz Rudolf ſeinem dama-
ligen Stadtrichter Hartwich dem Schleißbecken ,- (in den Urkfunden
meiſt „Schleßbe>“ geſ Flöſc< für Fleiſch u. dgl. ausdrücklich findet), welcher ſein Stammſchloß
zu Scleißbach, glei<ß außerhalb dem Markte Mainburg, in der Haller-
dau hatte und ſpäter von München wegkam, dafür aber um das Jahr
1302 als Richter zu Kizbüchel und um 1303 und 1305 als ſolcher zu
Wolfratshauſen erſcheint.

Die obige Shankung des Richtplages in München geſchah um
die Jahre 1290 bis 1300.

Dieſer Hartwich verfaufte den ganzen Rabenberg an Bürger, die
ſich darauf Häuſer erbauten. Wo die ehemalige Nichtſtätte war, legte
er auf ſeine Koſten a die Volksſage noc< jet als Richterhaus bezeichnet, einige Zeit ſelbſt
bewohnte, die übrigen ſieben aber an Handwerker und dergleichen Leute
vermiethete. :

Daher nannte man es daſelbſt „auf des Schleißbe>en H of-
ſtatt“ über zwei Jahrhunderte lang.

Als aber ſchon Hartwichs Sohn Heinrich, Ritter von Schleiß-
bach, der nae< Hunds Stammbuch 4. Theit im Jahre 1343 ſtarb und
in der Auguſtinerkirche begraben wurde, einige Häuſer und deſſen-Sohn
Thomas, der verarmte, au<ß noch im Jahre 1366 das letßzte ihm
dort gebliebene Haus an Private verkaufte, kamen nach und na Schleißbecken in Vergeſſenheit, und es blieb bis jet nur mehr der
Name „auf der Hofſtatt“, der an ſie und ihre dort ſich befundene
Beſizung allein noch exrinnert.

Nach Verlegung der Richtſtätte kam auch die Wohnung des Scharf-
richters vom Rabenberge weg in eine abgelegene Gegend;z wohl aber
no< innerhalb der Mauern der Stadt, nämlich dorthin , wo man an
der Ringmauer vom neuen Sendlingerthore auf den Roßmarkt (jett
oberer Anger) zur Mühlgaſſe (jekt unterer Anger, nichtaber die jeßige
Mühlgaſſe an der Mauer) und zum eizentlichen Anger (jezt Heumarkt)
hinabging.

Das Haus desſelben wurde aber als das „einer unehrlichen Per-
ſon“ nicht zwiſchen andere Häuſer , ſondern in der Néi_t!*e der Straße

 

#11

neu erbaut, da man aucß ehemals an die Stadtmauer ſelbſt aus for-
tificatoriſchen Rüdſichten kein Gebäude anbauen durfte und deßhalb
Kaiſer Ludwig der Bayer hoch oben an den Mauern an verſchiedenen
Stellen eiſerne Stangen, die die Länge bezei bauen durfte, anlegen ließ.

Von dieſen ſogenannten „Kaiſer-Stangen“ erhielten ſich Einige
bis zu Ende des 18. Jahrhunderts.

Später wurde das Anbauen an die Stadimauer von den Her-
zogen ſelbſt ni burg und Sct. Rochus, Max I die Reſidenz und Max Emanuel die
Kreuzkaſerne, und ſo auch Andere, wie jeht noc< erſichtlich , ſich “Häu-
ſer anbauten.

Wo das der Stadt gehörende Haus des Scharfrichters , das in
dem Holzmodell der Stadt München von Sandtner aus dem 16. Jahr-
hunderte im National-Muſeum zu ſehen und im“ Münchener Grund-
buche von 1572 als „Haus des Züchtigers" eingeſchrieben iſt, geſtan-
den, nannte man die Gaſſe vom Anfang des 14. Jahrhunderts an
dur< mehr als ein halbes Jahrtauſend „das Henkergäßl" , =- bis
demſelben bei - der neuen polizeilichen Straßenbenennung vom Jahre
1819 der Name „Glo&>enbachſtraße“ , weil es zum Gloken- und An-
gerbache hinabführt, beigelegt wurde.

Dieſes beim Volke dur) manc ſeinem Vorgarten und beſonders mit ſeinem nach rü>wärts gelegenen
Stadel, in welchen die Materialien zur Blutbühne aufbewahrt wur-
den, iſt, = als der lezte der ſowohl vom Hof als auch zugleich von
der Stadt beſoldete Scharfrichter Martin Hörman im Jahre 1841 ge-
ſtorben, = bald nachher ganz demolirt und an ſeiner Stelle der Plaß frei
und geebnet worden, ſo daß ſich jeht von Außen keine Spur
mehr davon findet.

(Es dürfte hier der Ort ſein, auch des ſogenannten Fauſtthürm-
< ens zu gedenken, das ſic< zunächſt dem nun demolirten Sc ter-Hauſe an der Stadtmauer auf dem „Wehrgange“ derſelben be-
findet und oben auf ſeiner ganz runden, ſpißz zulaufenden Höhe das
ſteinerne Bild einer Fauſt zeigt, daher auch den Namen „Fauſtthürm-

Man ſieht es dieſem Thürmc Stadtmauer, alſo um das Jahr 1300, erbaut worden ſei.

Davon und über die Beſtimmung desſelben gibt es verſchieden

 

#12

Meinungen, von welchen ich zuerſt die aus der neueſten Zeit, vann erſt
die der Vorzeit berichten will.

In der Neuzeit werden von dem Fauſtthürm Romanen, Kalendern, Stadtbeſchreibungen und ſelbſt auch in Theater-
ſtücken die mannigfaltigſten Ereigniſſe erzählt, die aber faſt Alle nichts
Anderes ſind, als Umſchreibungen fremder Volksſagen auf dieſes ſoge-
nannte Henker-Thürmc gen geſeſſen, wie man auch ſonſt im Univerſität8sgebäude zu Ingolſtadt
ſeinen Kerker zeigte z dann daß da ein Bedienſteter der Stadt München,
angethan mit zweierlei Strümpfen , einem rothen und einem blauen,
dem Feinde außer der Stadt ein verrätheriſches Signal gegeben, welche
Sage von dem Blauſtrumpf, auch von dem ſogenannten „Stricker“ zu
Ingolſtadt , der vor Zeiten an der Mauer nächſt dem Feldkirchner-
Thore da angemalt war, hergenommen iſt. =- Dann daß der Hofnarr
eines Herzogs da eingemauert worden ſei, was von dem bekannten
Bilde eines ſolchen in der Trausniß zu  Landshut hieher übertragen
wurde. Daß da ein Bürgermeiſter oder Rathsherr der Stadt Mün-
öffnet, mit dem Tode beſtraft wurde, was eine vomantiſc< klingende
Erdichtung eines ſehr geachteten Dichters iſt. Und ſo vieles Andere.

Von allen dieſen neuen Märchen wußte man zu Anfang dieſes
Jahrhunderts in München noc< nichts.

Dagegen hatte man früher andere 'Sagen.

Das Thürmc Knode r und erzählte, wenn ein Henker ungeſchikt gerichtet habe, ſei
er in dem engen Raume desſelben, wo man nicht ausgebreitet liegen,
ſondern nur ſtehen konnte und vor Mattigkeit ſich niederbücken (kno>ken
oder ho>ken) mußte, eine Zeitlang zur Strafe eingeſperrt worden.

Andere erzählten, ein Scharfrichter habe das Thürmc für ein falſc

Daß das Volk über ungeſchi>tes Richten ſtets ſehr aufgebracht
war und gerne ſelbſt Juſtiz geübt, iſt noF< Uns aus Erfahrung be-
kannt, da es no< zu Anfang dieſes Jahrhundert8 dem Scarfrichter
Hörman jun, die Fenſter einwarf und mehrere Tage lang das Haus
desſelben neugierig umſtand, um zu ſehen, wie die Studenten ihr ver-
meintliches altes Recht ausSüben werden, an dem ſchlechten Sc ter ſol Enthauptung des Franz Thalers, eines Getreidhändlers auf dem Hauſe
zum „Seißbö>“ in Reichertshofen bei Zngolſtadt, der unter dem Na-

#13

men. des „ſilbernen Franzl“ in München wohlbekannt war, und =-
einſt auf ſeine Wagenblache hatte ſchreiben laſſen: „Mix zum Nut,
der ganzen Welt zum Truß“ =- am 26. November 4814 ſieben Hiebe
gemacht, bis ex den Kopf abgehauen hatte.

Uehbrigens hatte das Volk auch eine Entſchuldigung bei ſolc Vorfällen damit, daß es glaubte, der Scharfrichter ſehe oft vabei nicht
einen, ſondern 3 oder 7 oder noc< mehrere Köpfe.

Die Fauſt mit der Feige an der Thurmſpize nannte man früher
die „Shwedenfauſt“, und es ſcheint, daß dieſelbe durch einen Bau-
meiſter oder Mauxer zur -Zeit des Z0jährigen Krieges, des Schweden-
Krieges, wie ihn das Volk nennt, als eine Drohung oder Trozung
gegen den Feind, vielleicht bei der Verſtärkfung der alten Feſtungswerke
der Stadt, ſei hinaufgeſezt worden.

Einige glauben auch, daß das Henker-Thürmc Endpunkt jenes Plaßzes bezeichne, wo der Volksſage zufolge, im Zwinger
außerhalb des Scharfrichter-Hauſes derſelbe die Selbſtmörder „als auf einem
außerhalb der Stadt befindlichen ungeweihten Orte“" begraben mußte.

Es ſoll dieſes zum lezten Male mit dem ehemaligen Prokurator,
nachher ſtädtiſchen Rathdiener K. , der ſich geiſteskrank anfangs vom
rechten Frauenthurme herabſtürzen wollte, jedoch verhindert ward Fdieseund
zulezt voch im ehemaligen Stadtrichterhauſe , jeht Thal Nr. 1, durch
Selbſimord im Jahre 1790 ſeinen Tod fand, geſchehen ſein.

Meiner eigenen Anſc haft, ob:an der Spiße des Thürmchens wirklich eine drohende Fauſt
zu ſehen iſt. Mir ſcheint ſie mehr. das Endſtü> einer größeren Mauer-
verzierung, vielleiht einer irgendwo abgebro benen, zu ſein, die zufällig an die Spitze des Thürmchens aufgeſekt
wurde und allerdings in ſolher Höhe einer Fauſt ähnlich iſt. Solc lichkeiten finden ſich bei vielen Verzierungen und architektoniſchen Figuren.
Vielleicht auch, daß früher dieſe Fauſt ein Windfähnlein zu halten hatte,
das ſpäter daun abgefalilen oder wie immer von ihr weggekommen iſt.

Den Namen „Knocder- oder Ho>er-Thürm leicht in früheſter Zeit das Thürmchen deßhalb erhalten, weil ſich die
Wache haltenden Männer, nachdem ſie ſiH in dem langen Wehrgange
an der Mauer müde gegangen, hier d. i. im Thürmchen geſichert nie-
derſitzen, d. i. nach dem Münchner-Dialekt niederhoc>ken konnten, was
auch die ganze innere Geſtalt des Thürmc Die Nähe der Scarfrichter-Wohnung , die der Grabſtätten für die
- Selbſtmörder , die Aehnlichkeit der Spißex mit einer drohenden Fauſt

#14

zunächſt der ſtark befeſtigten Sendlinger- und. Angerthore u. ſ. w.
erzeugten und begünſtigten die Entſtehung der e:zählten Märchen und
des Namens . „Fauſtthürmc beſonders in der Neuzeit, das Weitere hiezu.

Dieſes von dem Fauſtthürm

Bei der ſchon erwähnten Erweiterung der Stadt um das Jahr
1300 waürde die Richtſtätte außerhalb derſelben vor das
Neuhauſer- Thor (jeht Karlsthor) auf den Umfang des
jogenannten „Unſeren lieben Frauenfeldes“, der jetigen
Max-BVorſtadt, verlegt, wo ſchon im Jahre 1331 urkundlic gens erwähnt wird.

Galgen und Köpfſtätte waren hier aber getrennt.

Die Köpfſtätte war an der äußeren Schüßkenſtraße links, da wo
jezt der Vordertheil des Oſtbahnhofes iſt und gerade vor der Front
der nun demolirten Salzfiädel,

Es war dort eine gemauerte Teraſſe, auf der die Enthauptungen
geſ Plan von München im Jahre 1613 neben der Schießſtätte und der
Schübzen-Lache an der Augsburgerſtraße abgebildet iſt.

Ehe man zu dieſem Plaße fam, fand man ſonſt ein großes Krucifir
an der Straße, vor dem der Verurtheilte no< zuletzt ſein Gebet ver-
richten fonnte.

Im Jahre 1749 wurde aber ſtatt dieſes „Armenſünder-Kreuzes“*,
wie es genannt wurde, eine Kapelle errichtet, die von Auſſen roth an-
geſtrichen war und.daher „die rothe Kapelle“ hieß.

Um das Jahr 1772 aber, als in jene Gegend die Salzſtädel von
ihrer ehemaligen Stätte in der Mitte de8 Promenade-Plaßes (ehema-
ligen Kreuzgaſſe) verlegt wurden , demolirte man die Köpfſtätte und
die Kapelle.

Die Enthauptungen wurden nun auf einer hölzernen, mit einem
rothen Tuche überhangenen Bühne vollzogen , die für jede Execution
beſonders aufgebaut und nach ihr wieder entfernt worden iſt.

Dieſe Bühne errichtete man Anfangs an der Salzſtraße außer-
halb der Salzſtädel, ſpäter außer dem neuerbauten Getreide-Magazin
(jebt Kaſerne), und zulezt no< weiter hinaus auſſerhalb
dem Abhang zum Marsfelde. :

In früherer Zeit wurde der Kopf des Hingerichteten nicht von
einem Gehilfen gehalten, was aber ſpäter wegen dem grausli herrollen desſelben angeordnet worden iſt.

 

#15

232 tlteber ehemaltige Bichtſtätten in München und ihre Volksfagen.,

Die Volksſage erzählt, daß einmal ein Enthaupteter dem ihn be-
gleitenden Geiſtlichen, dem ſogenannten Galgen-Pater, erſchienen und
ihm geſagt habe, daß er durc< den herumrollenden Kopf noch große
Scmerzen habe erdulden müſſen.

Der Galgen mit dem Rade kam aber noh weiter hin-
aus auf die Anhöhe, die ſic) von Sendling yet hinzieht, und zwar
an den Platz an der Landſtraße nach Paſing, den jetzt der große Pſchorr-
Keller einnimmt. .

Dort hieß man es „am Galgenberge"“ bis in unſere Zeit.

Dieſe Erecutionsſtätte lag ſchon nicht mehr im Stadtburgfrieden,
ſondern im Umfange des Landgerichtes Dachau.

Nur während eine Hinrichtung geſchah, hatte dort der Stadtrich-
ter über etwa eintretende Frevel die Gerichtsbarkeit und das Straf-
Recht.

Früher ließ man die Gehängten, die Geräderten und weiter Ver-
urtheilten zum abſchrefenden Anblie oft lange an ihren Strafpfählen.
No

Jedoc< eben dieſes Churfürſten Gemahlin Maria Anna Sophia,
Prinzeſſin von Sächſen, konnte, wenn ſie naM Nymphenburg fuhr,
dieſes nicht mehr anſehen und erwirkte den Befehl, daß die Leiber der
Hingerichteten ſogleich abgenommen und begraben werden ſollen. Die-
ſes geſc in dieſer Gegend vielfach (beſonder8 jeßt bei dem Eiſenbahnbau) äuf-
gefundenen Gebeine- von dieſen Verurtheilten herrühren dürften.

Nach einer Volksſage mußten in früheren Zeiten die Müller die
Leitern für den Galgen zufahren und wieder abholen , die Weber aber
dieſelben anlehnen.

No< früher ſollen dieſe Leizteren auch die Stri>e der -Verurtheil-
ten haben anknüpfen müſſen, weil, wie der Volkswiß dazu ſeßte, ſie
am beſten mit dem „Knüpfen“ umgehen könnten.

Doh ſollen ſih Müller und Weber im 18, Jahrhunderte von
dieſer Verpflihtung lo8gekauft haben.

Wenn die Richtſtätte neu errichtet und reparixt werden mußte, ſo
wurden alle Zimmerleute des Bezirkes angehalten, wenigſtens durch
Anſchlagen mit der Art Hand anzulegen , damit Keiner „unehrlich“
werde und einem Anderen dieſes vorwerfen konnte.

In ſpäterer Zeit übernahm ein“ Einziger die ganze Arbeit, welchen
man dann, meiſt für ſein ganzes Leben „den Galgen-Palier“ nannte.

 

#16

Ueber ehemalige Bichtſtätten in München und ihre Volksfagen. 233

Der lete Galgen-Palier in München war der bei dem Hofzim-
mermeiſter in Arbeit ſtehende Zimmermann Seidl, ſonſt auch der
„Traunſteiner“ genannt, der in einem Alter von mehr als 80 Jahren
im alten Dafelmaier-Haus am Kreuz Nr. 29, wo ſein Sohn, auch
Zimmermann, noch jezt wohnt, im Jahre 4848 erſt geſtorben iſt.

Der lete auf dem Galgenberge 1804 Gehenkte war ein 17 Jahre
alter Dienſtbube bei dem Pfarrer von Sendling, der nur 9 fl. ſoll ge- |
ſtohlen haben, und der lete Geräderte der gleichfalls noc< junge Fer-
dinand Bündel. Es war dieſes no

Er war der Sohn eines Apothekers, vorher Proviſors in der
Roſen-Apotheke, die damals dem Vater des nachher ſo berühmten Ju-
riſten und Heidelberger Profeſſors Mittermaier gehörte. Er hatte den
Lottocolleeteur in der Vorſtadt Au ermordet.

Der letzte mit dem freien Schwerte auf dem Marsfelde Enthaup-
tete, wobei auc< 7 Hiebe geführt wurden, war Chriſtian Huſſendörfer
aus Sieburg, k. Ldg. Greding, 19 Jahre alt, am 11. Mai 1854.
Er hatte als Sattlergeſelle an ſeinem Meiſter zu Eurasburg bei Fried-
berg einen Mord begangen.

Bekanntlich wurde noc

Fallſ Perſonen kurz nacheinander vollzogen.
. €Es wird au< erzählt, es habe in München einſt im Inno»rn der
Stadt ein Galgen in der Sendlingergaſſe in der Nähe der Johannis-
kirhHe, wo man daher den nachher ſogenannten Knöblkrämer (jekt
Kaufmann Ravi:za) früher beim „Galgen-Krammerl" hießz dann es
habe ein Galgen auch in der Neuhauſergaſſe unfern des Bürgerſaales,
wo auch beim Kaufmann Findel man es ſonſt „Galgenkrämmer“, ge-
wöhnlich aber beim „grünen Ladel“ nannte, und endlich auch noch ein
ſol ſtanden *).

(Es ſoll aber an allen dieſen Orten nie zum Vollzuge von Todes-
Urtheilen gekommen ſein. An dieſen Plätzen, ſowie auch als vierte
Himmelsgegend irgendwo in der Theatiner-Straße, ſollen dieſe Galgen
nur als Schre>mittel von den als Feinde in München eingedrungenen
Oeſterreichern in den Jahren 1705 und 1742 aufgerichtet worden ſein.
I

 

 

*) Hier wurden ehemals auch die Bä>er, die zu gering g-wichtiges oder gefälſchtes Brod
verkauften , zur Strafe in einem hölzernen Gitter-Korbe von einiger Höhe in den Bach
geſc Vorrichtung nannte man „Bä>er-Galgen, -- Bätfer - S zum Codex jur. bay, crim. 8: 9.1). Sieiſtjezt im National-Muſeum aufbewahrt und zu ſehen.

 

#17

234 teber ehemalige Bichtſtätten in Wünchen und ihre Volkügſagen.

der dem ehemaligen Landgerichte MünTon rechts der Iſar (am Lilien-
berge in der Vorſtadt Au) angehörenden Verbrecher ſeit deſſen Be-
ſtehen (vom Jahre 1803 an) außerhalb Haidhauſen guf den ſogenannten
ESanzen zunächſt dem Garten des jeßigen Kloſters „zum guten Hir-
ten“ vollzogen worden ſind.

Die lete Hinrichtung fand Anfangs der zwanziger 'Jahre, ſomit
erſt vor circa 50 Jahren, an einem Maurer Namens Georg Wengert,
der „ſchwarze Sachs" genannt , wegen Mordes ſtatt. Derſelbe ſoll
ſich dabei ſehr frech und gottlos benommen haben.

Schließlich dürfte es von Intereſſe ſein, auch Einiges über den
Gehalt und die Nebenämter , welche ehemals der Scarfrichter von
Müncen inne hatte, ſowie über die Art und Weiſe wie in früherer
Zeit die Verurtheilten von der Stadt aus zur Richtſtätte „ausgeführt“
wurden, in Kürze zu berichten.

Der Gehalt des Scharfrichters und ſeiner vier Richtersfknechte
wurde durch die zugleicß regierenden Herzoge Ernſt und Wilhelm T]1].
erſt am 29. Mai 1403 regulirt, indem ein Fixum in Geld ausge-
ſprochen, die Ausleihung zu Erecutionen im Bezirke der Landgerichte
Starnberg, Wolfratshauſen , Päl (ſpäter Weilheim), Tölz, Aibling,
Dachau und Pfaffenhofen bewilliget und alle bisher unſtändigen Ein-
nahmen aufgehoben wurden. (Mon. boic. Bd. 35.)

Vorher hatte der Henker Einkünfte vom Halten öffentlicher Plätße
für Hazardſpiele und Aehnlichen, in welcher Eigenſchaft man ihn „Plagt-
meiſter“ nannte.

NoH - bis in unjer gegenwärtiges Jahrhundert hatten in Landge-
meinden in Bayern die Schergen dieſe Spiele unter ſich.

Auch waren dem Scharfrichter die öffentlichen Luſtmädchen unter-
geben und er bezog Tantiemen vou ihren Verdienſten.

Damals wohnten dieſelben theils zerſtreut in der Stadt , beſon-
ders bei Wirthen und in den Bädern, theils aber auc Jahrhunderte in eigenen ſogenannten „Frauenhäuſern“, die aber nach
und nach aufhörien oder polizeilich geſchloſſen wurden. Wie z. B. das
Frauenhaus im Gäßc bingerthor hinein, wo man es „hinter der Kuh“ nannte, (an der Stelle
der Nordſeite des nachmaligen Theatinerkloſters ; jezt Miniſterium).

Auch war dem Heunter in München die Straßen-Reinigung gegen
Bezahlung übertragen. Er benüßte dazu „die Fräulein“ in-den „un-
fertigen Häuſern“, wie man ſie nanate , welche den Unrath in zwei-
rädigen Karren wegſchaffen mußten.

 

 

#18

Veber ehemalige Bichtſtätten in München und ihre Volksſagen. 235

Dieſe Bezüge des Henkers hörten ſeit dem Jahre 1433 auf und
der- Magiſtrat erlaubte wieder Frauenhäuſer , beſchloß aber bald nur
ein einziges und allgemeines zu errichten.

Er kaufte hiezu eine Hofſtatt, die dem hl. Geiſtſpitale gebörte und
ernannte einen Namens „Haberl“ zum ſtädtiſc „Frauen-Wirth“ , worauf dann im Jahre 1436 der Maurer Strobl
den Grundſtein zu einem Neubau des Frauenhauſes legte.

Dieſes Haus ſtand in der jezigen Mühlgaſſe in der Nähe ves
Angerthores, der Stadtmauer gegenüber, weßhalb das Volk die vahin
beim Heuthurme und der nun demolirten Schleiſmühle über den Bach
führende Brü>e „die Hurrenbrü>e“ nannte und vielmals noch nennt.

Geſc Befeölen ver Herzoge Albert IV. und Wilhelm V. im Jahre 1579
und daſſelbe dann zur Wohnung dem damals neu aufgeſtellten ſtädti»
ſchen Waſenmeiſter (Schinder genannt) angewieſen.

Wie bereits berichtet, geſchah die Verſcharrung der gefallenen
Thiere früher auf dem Umfange des jezigen Haggenviertels und zwar
durch den Stadthirten.

Der neu beſtellte Waſenmeiſier übernahm ſie aber ſchon auf dem
Platze zwiſchen der Dachauer- und Schleißheimer-Straße (jezt Ober-
wieſenfeld und Turnſchule), wohin ſie inzwiſchen verlegt worden war.

Erſt kurz vor dem Jahre 1819 kam der Waſenmeiſter von München
auch von dieſem Plaße weg, weiter vor die Stadt hinaus, in das ſo-
genannte „weiße Haus“ an der. Staubſtraße. Die Waſenſtätte war
früher (vor 200 Jahren) in die nahen Iſar-Inſeln (jeßt die ſchönen
mägiſtratiſchen Anlagen) gekommen.

Später wurde das Abdecker-Haus in der Stadt demolirt und an
der Stelle desſelben ſiecht man jekt nur mehr eine Mauer neben dem
Hauſe Nr. 3 in der Mühlgaſſe.

Nur eine einzige Erwerbsquelle iſt dem Scharfrichter auch ſpäter
noc Thieren, was ihm, wie auch dem Waſenmeiſter, lange Zeit ſillſ gend geſtattet war, =- während nach einer ſonderbaren Anſicht unſerer
Vorältern es ihm, wenn er „ſich ehrlich gerichtet“ hatte, d. i., wenn
die Zahl ſeiner Hinrichtungen über 100 geſtiegen, ſogar „rechtlich“ er-
laubt war.

Dazu trug vorzüglich der Volksglaube bei, daß Leute ſeines Stan-
des beſondere geheime und ſympathetiſc Anwendung mehr als Aerzte verſtehen. Auch glaubte man, ſie könn-

 

#19

236 tleber ehemalige Bichtſtätten in München und ihre Volksſagen.

ten, mit Zaubereien durc< ihre Hingerichteten umgeben, Schäßze heben,
ſchußfeſt machen, Diebe ſtellen, Geiſter, Hexen und Wetter bannen u.ſ. w.

Davon hatten die Bewohner nächſt dem Sendlingerthore
no< vor 60 Jahren den Beweis, indem man ihnen erzählte, der um
die Jahre 1760 und 1770 fungirende Scarfrichter , genannt der alte
Martin, habe alle Heren der Stadt ſo gebannt, daß, wenn ſie Nachts
zu ihren- Teufelsfeſten ausführen, alle mit dem Hintertheil an dieſem
Thore anſtoſſen müßten, wodurch der ſchwarze Fle> an der Stadtmauer
entſtehe, ven man ſehen könne.

Der alte Martin und ſein- guter Freund und Zechbruder , der
neben dem Thore wohnende Hofzimmermeiſter Mall, dem er es ver-
traut habe, lachten ſich ſtet8 halb kranf, wenn ſie beide in ſol Nächten zum Fenſter hinausſchauten, bis der Scharfrichter dann auf vie-
les Bitten und Geſchenke der ausfliegenden Damen den Bann endlich
wieder löſte.

Nach alten Ueberlieferungen wurden die zum Tode Verurtheilten
in früherer Zeit, entweder vom Rathhauſe oder von dem Falkenthurme
aus, zur Richtſtätte, wie folgt, „ausSgeführt“.

Voraus ging, ein großes Kruzifix tragend, der ſtädtiſche Bettel-
richier (Bettelvogt, Bettelputz, meiſt kurzweg der „Puß“ genannt),
wie auch ſeine Wohnung neben dem Heuthurme in der Glo>enbach-
gaſſe no<) das „Pußenhäus8chen“ heißt, auch in der Vorſtadt Au da-
von der Name „Bettelpuß-Krämer“ no< beſteht.

Dann kam zu Pferd der „Obergerichtsdiener“ (Eiſenſcherg, Eiſen-
meiſter, Blutſcherg), der vor der Hinrichtung dreimal „Stillo“ aus-
rufen mußte, in einem ſc

Ihm folgten zu Fuß mehrere Schergen mit rothen Röken, die
gelb gefüttert waren und gelbe Aufſchläge, auch eine Menge Hädeln
hatten.

Dann kam der Frohn- oder Gerichtsbote, der das Urtheil ableſen
oder auSrufen mußte.

Hierauf eine Anzahl Nacht- oder ſogenannte „Schar-Wäcter“ in
alter eiſerner Rüſtung mit Helm, Küraß , Beinſchienen , Sarras und
Helleparten.

Dann kamen die vier Nachtkönige der vier Stadtvierteln mit Spie-
ßen und bei dieſen der ſogenannte „Spikßwürfel“, der einen Wurfſpieß
(Spiculum) führte und von dieſem ſeine Benennung hatte und auch bei
Enthauptungen den Verurtheilten beim Kopfe halten mußte.

Hinter dieſen gingen die ſtädtiſc

 

#20

Ueber ehemalige Bichtſtätten in München und ihre Volksſagen. 237

zontal lang ineinander gefügte , hölzerne Stangen, welc „Schranne“ (Sc welcher der Verurtheilte, geführt von Waſenmeiſter-Knehten und Scher-
gen, begleitet von den Geiſtlichen, und hinter dieſen der Scharfrichter
ging, bis erſt ſpäter das Fahren auf dem Schinderwagen aufkam.

Hierauf folgten der Stadtoberrichter, ſein Beiſißer, Schreiber und
Boten z alle zu Pferd.

Zum Scluße reihte ſic Geſchlechtern an, manc und Beiboten, wie deren Weiber und Kinder, die gedruckten „Urgich-
ten“ (Urtel) verkauften und in Hüten Geld zu hl. Meſſen für den
„Armenſünder“ ſammelten.

Am Wege waren die Kirc lieben Frau“, bei St. Michael u. ſ. w. weit geöffnet, damit der Ver-
urtheilte, wenn es ihm zu entkommen gelingen ſollte, darin eine „Frei-
ung“ (Freiſtätte, Aſyl) finden könnte , während in den Kirchen ſelbſt
Meſſen geleſen und gebetet wurde.

Nac< der Urtheils-Verleſung auf der Stiege des Rathhauſes
wurde am Raththurme die ſogenannte „Armenſünder-Glo>e“ geläutet
und auch am „ſchönen Thurme“ an der Kaufingergaſſe: läutete man
eine Glo>e, die noch jet in dem Stadthauſe am Anger
als „Feuerglo>e“ dient,

Dieſe Glo>e nannte das Volk die „Haller-Glo>e“ und es wird
von ihr erzählt, daß ſie- Einer Namens „Haller“ geſtiftet und dabei
geäußert haben ſoll, er ſei do< neugierig, wem ſie zum erſten Male
geläutet werden würde. Es habe ſich hierauf ereignet, daß er ſelbſt
zuerſt zum Tode ausgeführt wurde und man ſie ihm geläutet hat.

Einige ſagen , es ſei dieſes ein „Haller“- (nachher Schüßinger-)
Brauer in der Neuhauſergaſſe geweſen. =- Andere geben an, es war
ein betrügeriſcher Goldſchmid im Hauſe rechts neben dem ſc<önen
Thurme; =- wieder Andere der ſogenannte „E>bä>“ an der Augu-
ſtiner-Brücke außerhalb des ſchönen Thurmes, der in einer Theurung
Roßkaſtanien,Mehl unter das Brod gemiſ worden ſei.

Soviel aus der Vergangenheit Mündhens mit dem Wunſche, daß
die Herren Verbrecher der Zukunft das Morden einſtellen und mit
Verachtung nur mehr zu den antiquirten Dingen zählen möchten.

 

 

 

 

 

 


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