Märchen Band 2
E.T.A. Hoffmann
»Ich wollte, daß du, günstiger Leser, am dreiundzwanzigsten September auf der Reise nach Dresden begriffen gewesen wärest; vergebens suchte man, als der späte Abend hereinbrach, dich auf der letzten Station aufzuhalten; der freundliche Wirt stellte dir vor, es stürme und regne doch gar zu sehr, und überhaupt sei es auch nicht geheuer, in der Äquinoktial- nacht so ins Dunkle hineinzufahren; aber du achtetest dessen nicht, indem du ganz richtig annahmst: Ich zahle dem Postillion einen ganzen Taler Trinkgeld und bin spätestens um ein Uhr in Dresden, wo mich im Goldnen Engel oder im Helm oder in der Stadt Naumburg ein gut zugerichtetes Abendessen und ein weiches Bett erwarten.
Wie du nun so in der Finsternis daherfährst, siehst du plötzlich in der Ferne ein ganz seltsames, flackerndes Leuchten.«
E.T.A. Hoffmann
»Bei dem Königsberger E. T. A. Hoffmann, der von allen deutschen Romantikern die größte Weltgeltung errang, zeigte sich — vielleicht eine Vorwegnahme des Surrealismus - das Doppelgesicht der Romantik mit jeder Deutlichkeit: unbestechliche Klarheit in der Darstellung des Seienden war bei ihm Kulisse für spukhafte Hintergründigkeit, überraschend und gespenstisch in nüchternstem Alltag hervorbrechend; dunkelste Schatten der Nacht breiteten sich in hellstem Tageslicht aus. Hoffmanns exakte Prosa wurde in zahllosen Fällen Vorbild für die Nachzeit.«
E. Alker
E. T. A. Hoffmann (1776-1822) fordert in der skurrilen Welt seiner Märchen mit ironischer Überlegenheit, das Wunderbare müsse »keck ins gewöhnliche Leben treten«.
- Vorwort
- PRINZESSIN BRAMBILLA
Ein Capriccio nach Jakob Callot
Erstes Kapitel
Zauberische Wirkungen eines reichen Kleides auf eine junge Putzmacherin • Definition des Schauspielers, der Liebhaber darstellt • Von der Smorfia italischer Mädchen ■ Wie ein kleiner, ehrwürdiger Mann, in einer Tulpe sitzend, den Wissenschaften obliegt und anständige Damen zwischen Maultierohren Filet machen • Der Marktschreier Celionati und der Zahn des assyrischen Prinzen Himmelblau und Rosa • Pantalon und die Weinflasche mit wunderbarem Inhalt
Zweites Kapitel
Von dem seltsamen Zustande, in den geraten man sich die Füße an spitzen Steinen wund stößt, vornehme Leute zu grüßen unterläßt und mit dem Kopf an verschlossene Türen anrennt • Einfluß eines Gerichts Makkaroni auf Liebe und Schwärmerei • Entsetzliche Qualen der Schauspielerhölle und Arlecchino • Wie Giglio sein Mädchen nicht fand, sondern von Schneidern überwältigt und zur Ader gelassen wurde • Der Prinz in der Konfektschachtel und die verlorne Geliebte • Wie Giglio der Ritter der Prinzessin Brambilla sein wollte, weil ihm eine Fahne aus dem Rücken gewachsen
Drittes Kapitel
Von Blondköpfen, die sich erkühnen, den Pulcinella langweilig zu finden und abgeschmackt • Deutscher und italienischer Spaß ■ Wie Celionati, im »Cafe Greco«« sitzend, behauptete, er säße nicht im »Cafe Greco«, sondern fabriziere an dem Ufer des Ganges Pariser Rappe • Wunderbare Geschichte von dem König Ophioch, der im Lande Urdargarten herrschte, und der Königin Liris • Wie König Cophetua ein Bettelmädchen heiratete, eine vornehme Prinzessin einem schlechten Komödianten nachlief und Giglio ein hölzernes Schwert ansteckte, dann aber hundert Masken im Korso umrannte, bis er endlich stehenblieb, weil sein Ich zu tanzen begonnen
Viertes Kapitel
Von der nützlichen Erfindung des Schlafs und des Traums, und was Sancho Pansa darüber denkt • Wie ein württembergischer Beamter die Treppe hinabfiel und Giglio sein Ich nicht durchschauen konnte • Rhetorische Ofenschirme, doppelter Gallimathias und der weiße Mohr • Wie der alte Fürst Bastia- nelli di Pistoja Apfelsinenkerne in dem Korso aussäete und die Masken in Schutz nahm • Der Beau jour häßlicher Mädchen • Nachrichten von der berühmten Schwarzkünstlerin Circe, welche Bandschleifen nestelt, sowie von dem artigen Schlangenkraut, das im blühenden Arkadien wächst • Wie sich Giglio aus purer Verzweiflung erdolchte, hierauf an den Tisch setzte, ohne Zwang Zugriff, dann aber der Prinzessin eine gute Nacht wünschte
Fünftes Kapitel
Wie Gigho in der Zeit gänzlicher Trockenheit des menschlichen Geistes zu einem weisen Entschluß gelangte, den Fortunatussäckel einsteckte und dem demütigsten aller Schneider einen stolzen Bhck zuwarf • Der Palast Pistoja und seine Wunder • Vorlesung des weisen Mannes aus der Tulpe • König Salomo, der Geisterfürst und Prinzessin Mystilis • Wie ein alter Magus einen schwarzen Schlafrock umwarf, eine Zobelmütze aufsetzte und mit ungekämmtem Bart Prophezeiungen vernehmen ließ in schlechten Versen • Unglückliches Schicksal eines Gelbschnabels • Wie der geneigte Leser in diesem Kapitel nicht erfährt, was sich bei Giglios Tanz mit der unbekannten Schönen weiter begeben
Sechstes Kapitel
Wie einer tanzend zum Prinzen wurde, ohnmächtig einem Scharlatan in die Arme sank und dann beim Abendessen an den Talenten seines Kochs zweifelte • Liquor anodynus und großer Lärm ohne Ursache • Ritterlicher Zweikampf der in Lieb' und Wehmut versunkenen Freunde und dessen tragischer Ausgang • Nachteil und Unschicklichkeit des Tabakschnupfens • Freimaurerei eines Mädchens und neu erfundener Flugapparat • Wie die alte Beatrice eine Brille aufsetzte und wieder heruntemahm von der Nase
Siebentes Kapitel
Wie einem jungen artigen Menschen auf dem »Cafe Greco« abscheuliche Dinge zugemutet wurden, ein Impresario Reue empfand und ein Schauspielermodell an Trauerspielen des Abbate Chiari starb • Chronischer Dualismus und der Doppelprinz, der in die Quere dachte • Wie jemand eines Augenübels halber verkehrt sah, sein Land verlor und nicht spazierenging ■ Zank, Streit und Trennung
Achtes Kapitel
Wie der Prinz Comelio Chiapperi sich nicht trösten konnte, der Prinzessin Brambilla Samtpantoffel küßte, beide dann aber eingefangen wurden in Filet • Neue Wunder des Palastes Pistoja • Wie zwei Zauberer auf Straußen durch den Urdarsee ritten und Platz nahmen in der Lotosblume • Die Königin Mystihs • Wie bekannte Leute wieder auftreten und das Capriccio, Prinzessin Brambilla genannt, ein fröhliches Ende erreicht
- MEISTER FLOH
Ein Märchen in sieben Abenteuern zweier Freunde
Erstes Abenteuer
Einleitung, worin der geneigte Leser soviel aus dem Leben des Herrn Peregri- nus Tyß erfährt, als ihm zu wissen nötig • Die Weihnachtsbescherung bei dem Buchbinder Lämmerhirt in der Kalbächer Gasse und Beginn des ersten Abenteuers • Die beiden Alinen
Zweites Abenteuer
Der Flohbändiger • Trauriges Schicksal der Prinzessin Gamaheh in Famagusta • Ungeschicklichkeit des Genius Thetel und merkwürdige mikroskopische Versuche und Belustigungen • Die schöne Holländerin und seltsames Abenteuer des jungen Herrn George Pepusch, eines gewesenen Jenensers
Drittes Abenteuer
Erscheinung eines kleinen Ungeheuers • Fernere Erläuterungen über die Schicksale der Prinzessin Gamaheh • Merkwürdiges Freundschaftsbündnis, welches Herr Peregrinus Tyß eingeht, und Aufschluß, wer der alte Herr ist, der in seinem Hause zur Miete wohnt • Sehr wunderbare Wirkung eines ziemlich kleinen mikroskopischen Glases ■ Unvermutete Verhaftung des Helden der Geschichte
Viertes Abenteuer
Unerwartetes Zusammentreffen zweier Freunde • Der Rat Knarrpanti und seine peinlichen Grundsätze • Liebes Verzweiflung der Distel Zeherit • Optischer Zweikampf zweier Magier • Somnambuler Zustand der Prinzessin Gamaheh • Die Gedanken des Traums Wie Dörtje Elverdink beinahe die Wahrheit spricht und die Distel Zeherit mit der Prinzessin Gamaheh von dannen rennt
Fünftes Abenteuer
Merkwürdiger Prozeß und ferneres weises, verständiges Benehmen des Herrn Geheimen Hofrats Knarrpanti Gedanken junger dichterischer Enthusiasten und schriftstellerischer Damen ■ Peregrinus' Betrachtungen über sein Leben und Meister Flohs Gelehrsamkeit und Verstand • Seltene Tugend und Standhaftigkeit des Herrn Tyß • Unerwarteter Ausgang eines bedrohlichen tragischen Auftritts
Sechstes Abenteuer
Seltsames Beginnen reisender Gaukler in einem Weinhause nebst hinlänglichen Prügeln • Tragische Geschichte eines Schneiderleins zu Sachsenhausen • Wie George Pepusch ehrsame Leute in Staunen setzt • Das Horoskop • Vergnüglicher Kampf bekannter Leute im Zimmer Leuwenhoeks
Siebentes Abenteuer
Feindliche Nachstellungen der verbündeten Mikroskopisten nebst ihrer fortwährenden Dummheit • Neue Prüfungen des Herrn Peregrinus Tyß und neue Gefahren des Meisters Floh • Röschen Lämmerhirt • Der entscheidende Traum und Schluß des Märchens