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Mayer - Münchner Stadtbuch (1868)
Im Anfange des siebzehnten Jahrhundertes stand Bayern auf einer hohen und blühenden Stufe der Kultur. Das Mittelalter mit seinen kräftigen aber rauhen Charakteren und Formen war bereits abgeschlossen und verschwunden, ein neues Leben, ein neuer Geist, angefacht durch das Wiederaufleben der altklassischen Wissenschaften, durchwehte die Völker; die Morgenröthe der neueren Zeit war bereits angebrochen, überall erblickt man einen Fortschritt.
Auch München war im Verlaufe des vorangegangenen Jahrhundertes eine andere Stadt geworden. Schon der äußere Anblick derselben bot eine blühendere Physiognomie dar. Prachtvolle Gebäude und Paläste, die jetzt alle von Stein erbaut und deren Fronten häusig mit Freskogemälden ausgezeichneter Meister geschmückt waren, zierten die reinlichen Straßen, in welchen sich ein regsames, kräftiges und wohlhabendes Volk tummelte. Gewerbe,
Handel und Wandel blühten, obwohl der Großverkehr mit dem Auslande in Folge des veränderten Handelsweges schon bedeutend abgenommen hatte. Der Bürger genoß die Früchte dieses Fortschrittes und der gehobenen Industrie ; die Wohnungen derselben waren ansehnlicher, schöner und bequemer geworden, ein Comfort, unbekannt in den früheren Jahrhunderten, war in dieselbe eingekehrt und verbreitet; die Ausschmückung der Zimmer und Gemächer war nunmehr reicher und geschmackvoller, ja selbst kostbar, die Einrichtung derselben und der Hausrath reicher, zierlicher und zweckmäßiger geworden. Der Bürger selbst hatte großentheils die eckigen und ernsten Formen des Mittelalters von sich abgeworfen, er war geselliger, sein Benehmen zeigte feinere Bildung, und er suchte bei jeder Gelegenheit sich zu vergnügen. Ein Wohlbehagen hatte sich über alle Stände verbreitet.
Hiezu trug aber wesentlich der blühende Stand der Künste und Wissenschaften bei. Namentlich war den beiden vorigen Herzogen Albrecht V. und Wilhelm V. keiner der Fürsten seiner Zeit an Liebe und Pflege für das Anmuthige und Schöne der Kunst, wie für das Erhebende der Wissenschaft gleichgekommen. Die klassischen Werke des Meißels der alten Griechen und Römer wurden in Italien angekauft und nach München geführt, aus den köstlichen Schöpfungen berühmter Maler wurde eine Gemäldegallerie errichtet, durch Ankauf werthvoller Sammlungen von Büchern und Handschriften wurde damals der Grund zur berühmten Staatsbibliothek gelegt, und zugleich eine Münzsammlung angelegt. Die berühmtesten Künstler, wie der Tondichter Orlando di Lasso,
die Maler Christoph Schwarz, Hans Mielich, Peter Kandit, Anton Viviani, Friedrich Sustris, der Bildhauer Karl Pelagio wurden von den Herzogen nach München berufen, die Gelehrtesten des Landes, ein Wiguläus Hund, der Kanzler Simon Eck, Erasmus Bend, geheimer Archivar, saßen im herzoglichen Rathe. Ja, als Zeichen der fortgeschrittenen Entwicklung und des erwachten Interesses des Volkes an den öffentlichen Angelegenheiten sehen wir zu dieser Zeit die ersten regelmäßigen Zeitungen entstehen.
So bot München einen erfreulichen Anblick dar, es hatte sich zu einer der schönsten und blühendsten Städte Deutschlands emporgeschwungen. München trug alle Hoffnungen einer großartigen Zukunft in sich.
Aber alles dieses sollte plötzlich mit einem Schlage vernichtet und München in den Abgrund gestürzt werden. Dieß geschah durch den unseligen dreißigjährigen Krieg.
Schon vor dem Ausbruche des Krieges hatte sich, ungeachtet des eben geschilderten glänzenden Zustandes, in Folge der fortwährend wachsenden Religionswirren eine Gewitterschwüle trüb auf alle Gemüther gelagert, die einen nahenden Sturm, ein hereinbrechendes entsetzliches Uebel prophezeite. Alle Freude umdüsterte ein innerer Zug von Trauer und Beklommenheit, obwohl ein dringender Grund hiezu noch nicht berechtigt war und die Gefahr noch nicht so nahe erschien; es war eine unbewußte Ahnung, welche sich aller Gemüther bemächtiget hatte.
Aber den schon bald erfolgenden wirklichen Beginn des dreißigjährigen Krieges bezeichnete großes Unheil und Uebel, nicht nur für Bayern, sondern namentlich auch für die Residenzstadt München. Drohende Anzeichen verbreiteten Angst und Schrecken; es war nämlich im Jahre 1618 ein großer Komet am Himmel erschienen, der nach dem Wahne damaliger Zeit ein Vorzeichen kommender schrecklicher Ereignisse, Aller Herzen mit Bangigkeit erfüllte. Bald darauf wurden die Folgen des Krieges, ohne daß noch ein Feind den bayerischen Boden betreten hatte, für das Land, und insbesondere für München immer drückender; die vielfältigen Truppendurchzüge, die Kriegscontributionen, der gehemmte Handel brachten alles Ungemach und steigerten die Preise aller Lebensmittel. Das Elend wurde aber erst in den Jahren 1622 und 1623 durch ein neues fürchterliches Uebel recht erhöht, namlich durch die eintretende ungemeine Verwirrung im Münzwesen, die unter dem damaligen Namen der Kipper- und Wipper-Zeiten bekannt ist. Die Münzen wurden nämlich ungeachtet aller landesherrlichen Verbote durch eine Menge unregelmäßiger Münzstätten der kleinen Fürsten und Herrn, geistlichen Stiftern und Städten, damals „Heckenmünzen" genannt, immer schlechter geprägt, wodurch den Wucherern Gelegenheit gegeben war, die guten groben Münzsorten zu ihrem Vortheile gegen geringhaltiges Geld einzuwechseln. Der Werth des Geldes stieg dadurch so sehr in die Höhe, daß z.B. in München ein Reichsthaler 15 fl. galt. Da, um alles Uebel voll zu machen, das Jahr 1622 überdieß ein Mißjahr war, so erfolgte in ganz Bayern die drückendste Theuerung, so daß auf der Münchener Schranne vom 8. April 1623 das Schaffel Waizen 60 fl., Korn 52 fl,, Gerste 21 fl. und der Haber
19 fl. kostete. Aller Handel und Wandel stockte, die Kreditlosigkeit wurde allgemein, alle Zahlungen waren eingestellt, da Niemand das schlechte Geld annehmen wollte, die Handwerker wollten nicht mehr arbeiten, die Bäcker nicht mehr backen, die Metzger nicht mehr schlachten, alle bürgerliche Ordnung war des Kipper und Wippers halber aus den Fugen gewichen. Die Verarmung der Bürger und das Elend in München, wozu noch Krankheiten und gefährliche Seuchen kamen, war groß. Mehrere Tumulte, die in der Stadt entstanden waren, konnten nur mit Mühe beschwichtiget werden. Kurfürst Maximilian setzte hier auf zwar durch Verordnungen vom 23. September 1622 und 29. April 1623 den Werth der schlechten Münze zur Hälfte und zum Drittel herab, aber weit entfernt, dem Unheile hiedurch zu steuern, war durch diese gewaltsame Maßregel die allgemeine Noth nur noch schwerer geworden.
Obwohl bisher unmittelbare Kriegsgefahr für München nicht vorhanden war, wurde von Herzog Maximilian dennoch schon gleich im Anfange des Krieges für die Sicherheit der Hauptstadt möglichste Vorsorge getroffen. Bereits im Jahre 1619 wurde mit der äusseren Befestigung der Stadt unter Leitung des Hofbaumeisters Heinrich Schön begonnen und mit größtmöglichster Eile fortgesetzt; im Jahre 1620 wurde der Wall vor dem Schwabingerthore hergestellt. Noch größer wurde der Eifer der Bürger der Stadt, als im Jahre 1630 der König Gustav Adolf von Schweden in Deutschland erschien. Die Einwohner in München rüsteten sich nun rasch zum Widerstande, alle fähigen Bürger wurden zu den Waffen gerufen, die Befestigungswerke der Stadt wurden ausgebessert,
die Gräben mit Wasser gefüllt, und ein neuer Wall um die Stadt gezogen, wo er nicht schon in gutem Stande sich befand. Dreitausend Arbeiter der Stadt, selbst Weiber und Kinder arbeiteten sechs Wochen lang Tag und Nacht daran, ja selbst Züchtlinge wurden zur Arbeit verwendet.
Da erscholl zu Ende des Jahres 1631 die Schreckensnachricht, daß König Gustav Adolf nach feinem Siege bei Leipzig am 17. September 1631 in Bayern eingedrungen sei. Es nahte das für München fürchterliche Jahr 1632.
Schon am 2. April 1632 hatte Gustav Adolf Donauwörth eingenommen, und drei Tage später am 5. April erfolgte die für Bayern unglückliche Schlacht bei Rain, in welcher der große bayerische Feldherr Tilly die Todeswunde empfing. Rasch wendete sich nun Gustav Adolf nach Augsburg, um sich den Uebergang über den Lechstrom zu sichern, und von da nach Ingolstadt, um diese Festung zu belagern. Allein da der Kurfürst Maximilian I. inzwischen Regensburg besetzt hatte, entschloß sich Gustav Adolf, die Belagerung von Ingolstadt aufzuheben und geradewegs nach München zu gehen. Am 8. Mai traf das schwedische Heer in Landshut ein, das sich mit hunderttausend Thalern von der Plünderung loskaufen mußte, und gleich darauf in Freising.
München war in der schreckenvollsten Lage, und dessen Einwohner zitterten vor Angst und Furcht. Der Kurfürst befand sich bei seiner Armee; dessen Gemahlin, die Kurfürstin Elisabeth, begleitet von Herzog Albrecht und dem ganzen Hofe, flüchtete sich am Gründonnerstag, den 8. April,
nach Salzburg, wohin auch der kurfürstliche Schatz, die Gebeine des heil. Benno, das vorhandene Baargeld und andere Kostbarkeiten gebracht wurden. Dahin wurden auch die städtischen Urkunden in zwei Fässern unter Begleitung des Mühlrichters Ferdinand Ligsalz geflüchtet. Auch die wohlhabenden Bürger flüchteten sich mit ihren Schätzen und Kostbarkeiten aus der Stadt. Dagegen aber wanderten ganze Schaaren von Bauersleuten in die Stadt, und die nächstgelegenen Kirchen, Au, Haidhausen, Rammersdorf, Perlach u. a. brachten ihre Kirchengeräthe und Urkunden nach München, hinter den Mauern der Hauptstadt sicheren Schutz hoffend.
Anfangs, als die Gefahr noch nicht so nahe gerückt war, war die Bürgerschaft Münchens kampfmuthig und zur äussersten Vertheidigung ihrer Stadt entschlossen; alle Bürger hatten sich gerüstet, und man besoldete eigene kriegskundige Männer als ihre Anführer. Die jungen Bauernbursche, welche in die Stadt gekommen waren, wurden in Rotten eingetheilt, bewaffnet und fleißig eingeübt; überdieß wurden im April die Dachauer- und Wolsratshauser Landfahnen, 1022 Mann, stark, nach München verlegt; zum Stadtkommandanten wurde Julius Burggraf ernannt; ferner wurden sämmtliche Thore der Stadt gänzlich gesperrt und verrammelt, und auf die Wartthürme doppelte Wächter gesetzt, um ein allenfallsiges unvermuthetes Herannahen feindlicher Schaaren zu erspähen.
Als aber am 8. Mai Abends die Nachricht eintraf, daß der König von Schweden in vollem Anzuge nach München sei, änderte sich plötzlich der Stand der Sache.
An die Stelle des Muthes und der Entschlossenheit war Muthlosigkeit und Verzagtheit getreten; man sah ein, daß die Befestigung der Stadt nicht hinreichend sei, einer kriegsgeübten Armee einen nachhaltigen Widerstand zu leisten, und daß bei der großen Entfernung der bayerischen Armee auf eine Unterstützung oder auf einen Entsatz nicht zu rechnen sei. Man begann zugleich für das Schicksal der Hauptstadt ernstlich zu fürchten, als man die Drohung Gustav Adolfs vernahm, die er in Landshut gemacht hatte, München abzubrennen und wegen Magdeburg Rache zu nehmen. Zu dieser augenblicklichen Entmuthigung gesellte sich noch eine gränzenlose Verwirrung. Man gab daher den Gedanken an eine Vertheidigung der Hauptstadt gänzlich auf, und hielt für räthlicher, zu gütlichen Unterhandlungen seine Zuflucht zu nehmen.
Zu diesem Behufe wendete sich nun die Stadt an den eben zu München anwesenden französischen Gesandten am bayerischen Hofe, St. Etienne, da der Kurfürst Maximilian bereits durch Befehl vom 16. April den Magistrat angewiesen hatte, im Falle drohender Gefahr die Vermittlung desselben in Anspruch zu nehmen. St. Etienne, ein Mann von menschenfreundlicher Gesinnung, entsprach bereitwilligst dem Gesuche, reiste am 14. Mai dem vorrückenden Könige entgegen, den er zu Freising antraf, und machte demselben alle möglichen Vorstellungen zur Schonung der Stadt. Allein die Erbitterung des Königs war anfangs sehr groß; er wollte von irgend einer Schonung der Stadt nichts wissen, und zeigte sich besonders deshalb über München im höchsten Grade aufgebracht, weil ihm von Seite dieser Stadt noch keine Ab
geordneten entgegengeschickt waren, die er doch schon in Moosburg erwartet hatte.
St. Etienne schickte daher noch in der Nacht einen Boten nach München, und in Folge dessen wurden zwei Bürgermeister der Stadt, Friedrich Ligsalz und Ferdinand Barth, der äussere Rath Paul Parstorffer und der kurfürstliche Rath Johann Küttner von Kunitz abgeordnet, die auch am 15. Mai Mittags in Freising eintrafen. Erst nach dreimaliger Abweisung ließ sie der König vor, und nach langem fußfälligen Bitten ließ sich Gustav Adolf erweichen, uns schloß einen Accord, welcher von dem Feldmarschall Horn schriftlich aufgesetzt wurde, dahin ab, daß der König gegen Erlegung von 300,000 Thalern Brandschatzung Seitens der Stadt, davon die eine Hälfte während des Königs Anwesenheit, die andere mit ehester Gelegenheit bezahlt werden sollte, die Erhaltung der katholischen Religion und der städtischen Verfassung, Schonung der Stadt vor Brand und Plünderung, Sicherheit des Privateigenthumes und der Person aller Klassen der Einwohner Münchens versprach. Froh kehrten die Abgeordneten am 16. Mai nach München zurück und brachten der Stadt die freudige Nachricht.
Noch am nämlichen Tage, den 16. Mai, trafen die ersten schwedischen Truppen vor der Stadt ein; denn nach dem städtischen Ausgabenverzeichnisse mußte noch in. dieser Nacht einem schwedischen Offiziere vor das Neuhauserthor hinaus Wein und Brod geliefert werden. Auch kam an diesem Tage ein schwedischer Oberst in München an, der in dem Hause der französischen Gesandtschaft wohnte, und
wahrscheinlich zur Anordnung der nöthigen Maßregeln hieher beordert war.
Mondtag den 17. Mai Vormittags 11 Uhr hielt König Gustav Adolf seinen Einzug in München, an seiner Seite der ehemalige Böhmenkönig und Pfalzgraf Friedrich, Pfalzgraf August von Neuburg, die Herzoge Wilhelm und Bernhard von Weimar, der Herzog von Holstein und der berühmte schwedische Feldherr General Horn, geleitet von einer schwedischen Kavallerie-Compagnie und dem hebronischen Infanterie - Regimente. Der Zug ging, da der König von Freising her seinen Marsch auf dem rechten Isarufer über Ismaning genommen hatte, durch das Isarthor über das Thal und den Marktplatz, die Weinstraße und obere Schwabingerstraße (jetzt Theatinerstraße), zur kurfürstlichen Residenz, wo der König mit dem Pfalzgrafen Friedrich sein Quartier aufschlug.
So erblickte München zum erstenmale seit seiner Gründung ein feindliches Heer in feinen Mauern!
Sofort wurden alle Wachen und Stadtthore von den Schweden besetzt, das städtische Zeughaus bekam eine Sicherheitswache von 15 Mann und jedes Kloster eine von 4 Mann. Die Schweden übernahmen zugleich die übrigen Sicherheitswachen, worauf die Bürgerschaft entwaffnet, der ganzen Stadt hingegen aber eine schriftliche salva, guardia gegeben wurde. Kein Bürger wurde ohne schwedischen Paßzettel mehr in die Stadt ein- oder ausgelassen. Bei dieser Gelegenheit zeichnete sich ein Bürger, der Goldschmid Ferdinand Czaky, durch Patriotismus aus. Derselbe war Fähndrich beim Bürgermilitär, übergab aber bei der Entwaffnung der Bürgerschaft seine Fahne nicht
in die Hände der Schweden, sondern brachte sie mit großer Lebensgefahr in seine Wohnung und verbarg sie daselbst.
Die Armee bezog ein Lager vor dem Schwabinger Thore, wurde aber nach einigen Tagen bei den Bürgern einquartirt. Die Reiterei war auf die umliegenden Dörfer vertheilt. Dem Obersten Hebron, einem eifrigen Katholiken, welcher „beim Stubenwirthe einlosirt war," wurde das Kommando über die Stadt übertragen.
Schon Mittwoch den 19. Mai wurde die gesammte Bürgerschaft auf den Anger berufen und ihr verkündiget, daß der König der Stadt München eine Brandschatzung von 300,000 Reichsthalern auferlegt habe. Allgemeinen Jammer verursachte das Begehren einer solchen ungeheuren Summe, die bei den herabgekommenen Verhältnissen der Bürgerschaft unerschwinglich war. Allein eben so groß war die Opferbereitwilligkeit der Einwohner; Jeder steuerte bei, was er niit Anstrengung aller seiner Kräfte konnte. Man ging von Haus zu Haus, von Wohnung zu Wohnung, Edle und Bürger, Vornehme und Geringe, arm und reich, selbst Dienstboten gaben an Geld, was sie vermochten, ihre Schmucksachen, ihr zurückgelegtes Schatzgeld; die Kirchen der Stadt und Umgegend opferten ihre entbehrlichsten heiligen Geräthe von Gold und Silber, ihre Kelche, ihre Monstranzen. Dennoch konnten nicht mehr als 104,340 fl. an baarem Gelde und 40,568 fl. an Goldund Silbergeschmeide zusammengebracht werden. Man suchte zwar den Abgang an der Kontribution durch Geldaufnahme an andern Orten zu ersetzen, und sendete zu diesem Zwecke eine gemeinschaftliche Deputation des Hofes und der Stadt nach Augsburg; allein alle Mühe zur
Erhaltung eines Darlehens war ungeachtet eines vom Kurfürsten ausgestellten offenen Kreditbriefes vergebens.
In dieser Bedrangniß versuchte der Magistrat in einer Bittschrift das Herz des Königs zu rühren, in welcher er die traurige Lage der Stadt lebhaft darstellte, indem er anführte, „daß leider in vielen Häusern nicht ein einziger Heller, ja auch nicht ein Bissen Brod mehr zu sinden sei, und wohl anders nichts übrig bleibe, als daß nach und nach die unschuldigen Bürger vor Hunger verschmachten und sterben müßten." Es wurde daher um Nachlaß der noch fehlenden Summe gebeten; allein vergebens, der König bestand hartnaekig auf der Erlage der ganzen Brandschatzungssumme.
Die gleichzeitigen Schriftsteller rühmen zwar ungemein die strenge Mannszucht, die Gustav Adolf unter seinen Truppen hielt. Allerdings hatte er in dieser Beziehung sehr strenge Befehle erlassen. Keiner seiner Soldaten durfte sich Angriffe auf die Sicherheit der Personen oder des Eigenthumes erlauben und die Uebertreter wurden unnachsichtlich mit dem Tode bestraft. So wurde ein schwedischer Soldat, der Nachts beim Moserbräu Kleider stahl, ein anderer, der den alten Johann Pfringer, Lebzelter in der Dienersgasse, um einige Reichsthaler „ranzionirte", gleich des andern Tages auf öffentlichem Marktplatze gehenkt; ein anderer, der im Thale einem jungen Buben die Kleider auszog, hatte gleiches Schicksal, ein weiterer Soldat wurde eines ungenannten Frevels wegen enthauptet. Die Soldaten mußten ihre Lebensbedürfnisse, die sie einkauften, als Bier, Brod, Kleidungsstücke u. dgl. fleißig bezahlen, ebenso war ihnen auch bei Lebensstrafe
verboten, den katholischen Gottesdienst zu stören oder zu verspotten. Daß aber dessen ungeachtet Gewalttaten, Erpressungen, Diebstähle uns Bedrückungen des Volkes vorgingen, die selbst unbestraft blieben, kann dem Könige wohl nicht zur Last gelegt werden; solche Dinge geschahen gegen seinen Willen, ohne sein Wissen, selbst oft begünstiget von den schwedischen Ofsizieren und Generälen, deren Habsucht die Strenge des Königs nicht sehr erwünscht sein mochte.
In der That scheinen nach allen gleichzeitigen Berichten die Exesse, welche sich die Soldateska ungeachtet der vielgerühmten schwedischen Mannszucht erlaubte, nicht gering gewesen zu sein. Trotz einzelner strenger Bestrafungen und Hinrichtungen, die wie man glauben möchte, nur vorgenommen wurden, um an einigen armen Teufeln ein „Exempel zu statuiren," hausten die Soldaten in dem unglücklichen München auf eine schreckliche Weise; Diebstahl und Plünderung waren an der Tagesordnung, nichts war ihren habgierigen Händen zu gering, woraus sie Geld inachen konnten, und wo sie nicht stahlen, verwüsteten sie. Nicht nur wurden einzelne Privathäuser und öffentliche Gebäude rein ausgeplündert, sondern selbst die kurfürstliche Residenz wurde nicht verschont, die prachtvoll ausgeschmückten Gemächer wurden verwüstet, die kostbaren Tapeten von den Wänden gerissen und zerfetzt, die Möbel zerschlagen, die Bilder gestohlen. Gingen ja selbst die schwedischen Generäle mit einem schlechten Beispiele voran. Die beiden sächsischen Prinzen Bernhard und Wilhelm nahmen aus der kurfürstlichen Bibliothek manches Buch und kostbare Handschrift, die später in der
Gothaischen Bibliothek aufgestellt wurden; Pfalzgraf Friedrich nahm aus der Kunstsammlung mehrere Gemälde und Kunstsachen, die von ihm nach Mainz gebracht wurden. Erst nach langem Briefwechsel des Kurfürsten Maximilian an den Hauptmann Rudolf von Donnersberg in Burghausen, in dessen Gewahrsam sich der in der Schlacht von Nördlingen in bayerische Gefangenschaft gerathene Feldmarschall Horn befand, konnte die Restitution eines geringen Theiles der entwendeten Werth- und Kunstgegenstände erwirkt werden! Feldmarsschall Horn selbst, der Marschall von Krailsheim und andere hohe schwedische Offiziere eigneten sich werthvolle Kunstschätze an! In der Residenzkapelle rissen die Soldaten das Pflaster auf, um nach verborgenen Schätzen zu suchen, wobei Gewaltthätigkeiten vorfielen und ein Mann erschlagen wurde. Dem Schlosse in Schleißheim ging es nicht besser; es wurde gänzlich geplündert und fast einer Ruine gleich gemacht.
Was sie der Bürgerschaft, oder der Gemeinde, oder auf den umliegenden Dörfern raubten und stahlen, mußten ihnen die Einwohner der Stadt wieder abkaufen! So heißt es in den magistratischen Rechnungen unter anderm einmal:
„Demnach in den Schwedischen Ueberfall allhie des Feindes Soldaten Alles, was sie umb die Stadt angetroffen, ausgeplündert und davon« getragen, und daher auch bei gemeiner Stadt Zimmerstädeln viel eiserne Werk hinweg genommen, welches sie hernach hin und wieder verkauft; und weilen der Martin Dieth, Hammerschmid, eine ziemliche Portion von denen
Soldaten erhandelt, also hat man's ihm wieder gelöst, wie er's bekommen, als: 750 Wassernägel, 24 Pickel, 170 Deichbüchsen, 12 Wagenketten, 2 Sägen, 1 messingene Stampf zu 96 Pfund, etliche Gaisfüß, Schaufeln u. a. item ein kupfern Kessel, so in des Ländhüters Thurm herausgenommen worden, item eine Glocke, ein Tischl, 4 paar eiserne Bänder, ein eiserne Hebtatzen, eine Stange zum Schleifstein, 4 paar Wasserstiefel und mehreres."
Aus einem gleichzeitigen „Bericht und Urkhundt deß entstandenen Ubels und Unruehe in München im Jahre 1632," verfaßt von einem Augenzeugen und abgedruckt in Westenrieders Beiträgen Band 7, entnehmen wir folgendes: Aus ihrem Lager, welches zuerst auf den Schwabinger Aengern, und dann vor dem NeuhauserThore sich befand, brachten die Schweden alle möglichen Gegenstände in die Stadt zum Verkaufe, Tische, Stühle, Bänke, Bretter und dergleichen; ferner eine Menge Rosse, Rinder, Schweine, Leinwand, Flachs und Garn, Weiberschleier, Höllhafen, zinnerne Schüsseln und Kandeln, Kupfergeschirr, gestohlene Kelche, Wachsstöcke und was sonsten zur Kirche gehörig, ganze Bauernwägen, die Schienen von Rädern, Schlösser und Thürbänder, Mäntel, Weiberröcke, Pelze, ganze Betten, welchesalles um den geringsten Preis von der Stadt Jnwohnern ist aufgekauft worden."
Gegenüber diesen kleinen Dieben verschmähte aber selbst Seine Majestät der vielgepriesene große König Gustav Adolf es nicht, den großen Dieb zu machen. Ungeachtet des mit der Stadt München eingegangenen „Accordes" betrachtete er sich als Eroberer Bayerns, das er „durch Gottes des Allmächtigen alleinigen
Gnaden in seine rechtmäßige Gewalt gebracht," und sich sohin als zuständig, „damit nach feinem königlichen gerechten Willen zu disponiren und zu verordnen' wie er selbst „geben im k. Veltlager bei Donawörth den 3. Abrilis 1632" erklärt!
Er selbst nahm aus der kurfürstlichen Residenz, aus der Bibliothek und aus der Kunstkammer eine Menge werthvoller Gegenstände weg, wozu ihn insbesondere der Marschall von Krailsheim aufgemuntert haben soll. Unter diesen Gegenständen war, wie der Kurfürst aus einer schriftlichen Aeusserung vom 5. April 1635 entnehmen läßt, besonders ein Gemälde von ausserordentlichem Werthe und ein Kunstwerk von Silber, das „Goldbergwerk" genannt. Die meisten dieser Werthgegenstände, namentlich die Gemälde, machte er der Königin, seiner Gemahlin, zum Geschenke. „Was man", fährt obiger Bericht eines Augenzeugen fort, „in der kurfürstlichen Residenz, Kunstkammer und Bewehrung (Zeughaus), großen Stucken, deren nit eine geringe Anzahl vergraben lag, und andern vornehmen Sachen, gefunden, das alles hat der König nach Augsburg führen lassen, welches die Münchener Zimmerleute begleiten haben müssen. Zudem hat er auch viel tausend Salzscheiben, so allhie in den Salzstädeln gelegen, feil gemacht, denen Burgern dieselben anfänglich um 2 fl., alsdann um einen Reichsthaler verkauft, bisweilen armen Leuten ein wenig mittheilen lassen." Als der König das kurfürstliche Zeughaus besah, bemerkte er eine Menge leerer Lafetten, und argwohnte nicht ohne Grund, daß die dazu gehörigen Kanonen irgendwo vergraben feien; leider fand sich auch dießmal unter den Bayern selbst ein Verräther,
ein Bauer entdeckte dem Könige das Geheimniß, und man fand in einem Keller der Residenz 140 metallene Kanonen unter der Erde vergraben, worunter 50 Fünfundsiebzig Pfünder, und die sogenannten zwölf Apostel. Diese Kanonen, welche größtentheils im pfälzischen und dänischen Kriege erobert worden waren, fand man mit Gold gefüllt; nach einigen Behauptungen mit 30,000 Goldgulden, nach andern mit eben so vielen Dukaten. Sie wurden als gute Beute nach Augsburg geführt, wurden aber später nach Eroberung dieser Stadt durch die Bayern wieder zurück gebracht.
Die vielgerühmte Mannszucht, Ehrlichkeit und Gerechtigkeit des Königs Gustav Adolf reduzirt sich sonach auf ein sehr geringes Maß!
Dem Könige scheint die innere Pracht der Stadt München ausserordentlich gefallen zu haben; man erzählt, daß er sie mit einem goldenen Sattel auf einem dürren Gaule verglichen und einmal geäußert habe, er wünsche die Residenz auf Walzen nach Stockholm führen zu können. Sein Benehmen gegen das Volk war ausserordentlich freundlich und herablassend. Strömte ihm dasselbe haufenweise nach, wenn er öffentlich auf der Straße erschien, so warf er Dukaten unter die jubelnde Menge; am heiligen Auffahrtstage, den 20. Mai, begab er sich zu Fuße mit den beiden Pfalzgrafen, den beiden Herzogen von Weimar und einem ansehnlichen Gefolge in die Kirche zu U. l. Frau, wohnte dem Gottesdienste stehend an dem Benno-Altare bei, unterhielt sich freundlich mit dem Dechante, und besah sodann die Merkwürdigkeiten der Kirche, insbesondere die fürstliche Gruft, wobei er diesen um die nähere Erklärung der katholischen Ceremonien und Gebräuche befragte. Hierauf begab er sich in das Jesuiteneollegium, woselbst er des Pater Rektors lateinische Anrede in der nämlichen Sprache beantwortete. In der Kirche frug er nach den Gründern des majestätischen Gebäudes. Als er nun vernommen, daß Herzog Wilhelm der Stifter des Hauses und Tempels gewesen, und daß dieser an der Stelle, wo man sich eben befinde, begraben sei, war seine weitere Frage, wo das Mausoleum des Stifters zu sehen sei? Und als der Rektor dem Könige eröffnete, daß nach des Stifters Willen außer dem Bilde des Gekreuzigten ein weiteres Denkmal nicht errichtet worden, zollte König Gustav Adolf dieser Demuth seine volle Bewunderung. Nach Beendigung des eben gehaltenen Gottesdienstes drängte sich eine Menge Volkes an die Schranken des Hochaltares. Der König wollte die Ursache dieses Gedränges wissen, und erfuhr durch den Rektor, daß das Volk nach geendigtem Amte heran zu kommen pflege, um die Besprengung mit dem Weihbrunnen zu empfangen. Gustav Adolf beobachtete aufmerksam den Verlauf dieses Gebrauches, und stellte sofort viele Fragen über den Sinn und Zweck des katholischen Ritus an den Rektor. Alle diese Gespräche führte der König in lateinischer Sprache. Hierauf wendete er sich vom Hochaltare weg zu jenem des heil. Ignaz, dem er in dem Augenblicke nahe kam, als der pontifieireiche Priester bei der Wandlung eben die heilige Hostie erhob, so daß die gesammte den König umgebende Menge, sich zu Boden werfend, dem heiligen Sakramente ihre Anbetung bezeugte, welches ingleichen auch von dem Rektor des Hauses ge
schah. Als sich dieser wieder erhoben, wurde er von dem Könige mit vielen Fragen zur Erklärung aller Einzelnheiten aufgefordert, die der Monarch während der Feier des Meßopfers vor sich gehen sah. Auch ließ sich Gustav Adolf in eine ausführliche Diseussion über das heilige Sakrament des Altares ein. Darauf begann er über das Opfer für die Verstorbenen zu reden, und stellte die Frage: ob der Rektor auch ein solches für Tilly gehalten? Als dieser es verneinte, sagte der König: „Und wo glaubt Ihr wohl, daß er sich jetzt befinde?" — „Das steht nur Gott zu wissen zu", war des Rektors Antwort; „doch ich hoffe, er sei im Himmel, denn er war fromm im Leben und Gott sehr eifrig ergeben." — „Er war", erwiderte der König, „ein Tyrann (fuit tyrannus)." — Der Jesuiten-Rektor erstattete über diesen Vorfall und das Benehmen des Königes einen so lobpreisenden Bericht an den Ordeusgeneral nach Rom, daß er darauf die Weisung erhielt: „sich kälter und kürzer zu fassen, wenn man doch von Ketzern Gutes zu sagen habe."
Am 27. Mai begab sich Gustav Adolf auf einige Tage nach Augsburg, kehrte am 5. Juni wieder nach München zurück, wohnte aber dießmal nicht mehr in der Residenz, sondern bei dem Gastwirthe Freihammer am Marktplatze. Dieses Haus ist gegenwärtig mit einer Gedenktafel, die den Aufenthalt Gustav Adolf's in demselben kund gibt, versehen und trägt die Haus-Nummer 5. Die gemeine Volkssage in München bezeichnet aber als Absteigquartier des Königs jenes Haus am untern Theile des Marktplatzes Nr. 18, an welchem über einem Fenster drei Kronen angebracht sind. Allein mit Unrecht, denn
dieses Haus heißt schon im Stadtgrundbuche vom Jahre 1449 „das Gröndl", und im Grundbuche vom Jahre 1572 „die Gron," unbekannt aus welcher Veranlassung. Wahrscheinlich waren an dem Hause das man später mit dem wirklichen Absteigquartiere des Königs Gustav Adolf am Marktplatze verwechselte, seinem Namen entsprechend schon in älterer Zeit drei Kronen angemalt, wozu dann noch ein späterer Maler irrthümlich das seinige beitrug, indem er bei einer Restauration die alten drei Kronen in schwedische umwandelte, wonach die Sage nun augenscheinlich erst fix und fertig dastand!
Die Stadt München hatte inzwischen an der verlangten Brandschatzung nicht mehr als 90,000 Reichsthaler erlegt, indem der Ueberrest der eingeholten Kontributionsbeiträge zu besonderen Geschenken für die habfüchtigen schwedischen Generäle verwendet werden mußte. Mehr konnte zur Zeit nicht erlegt werden, denn alle Mittel der Stadt und der Bürger waren auf das Aeusserste erschöpft. Die Bürger fürchteten, und nicht ohne Grund, es möchte deshalb der Stadt Uebles widerfahren; denn Pfalzgraf Friedrich, der sogenannte Winterkönig, der gegen den Kurfürsten Maximilian, welcher ihm Böhmens königliche Krone entrissen, den größten Haß trug, hatte um seine Rache zu befriedigen, dem Könige Gustav Adolf dringendst angerathen und darauf gedrungen, die Stadt anzuzünden und die vier Hauptthore und die kurfürstliche Residenz in die Luft sprengen zu lassen. Wirklich wurden hiezu schon Vorbereitungen getroffen; es waren an den betreffenden Stellen bereits Gruben gegraben, um sie mit Pulver anfüllen zu lassen, und das an der Stadtmauer
am Anger aufgeschichtete Holz war mit Stroh und Pechkränzen untermischt bereit, auf Befehl jeden Augenblick angezündet zu werden. Doch trafen glücklicherweise diese schrecklichen Befürchtungen nicht ein. Gustav Adolf, milder gesinnt, begnügte sich bis zur völligen Bezahlung des rückstandigen Restes die Stellung von vierundvierzig Geiseln, von denen die Hälfte aus weltlichen, die Hälfte aus geistlichen Einwohnern der Stadt München bestimmt wurde, zu fordern, welche aber, da unter ihnen zwei sich krank befanden, auf zweiundvierzig reduzirt wurden.
Da kam plötzlich die Nachricht, daß der kaiserliche General Wallenstein, der bisher allen Verheerungen in Bayern ruhig zugesehen hatte, sich mit einer Armee über Eger her gegen die Oberpfalz wende, und Kurfürst Maximilian mit seinem Heere von Regensburg aus ihm entgegenziehe, um sich mit ihm zu vereinigen. Gustav Adolf, diese Vereinigung zu hindern, eilte ihnen über Augsburg, Donauwörth uns Weissenburg entgegen.
Der 7. Juni war der glückliche Tag, an welchem München von seinen fürchterlichen Feinden und Drängern befreit wurde, um dieselben glücklicherweise nie wieder in seinen Mauern zu sehen. Nachdem Gustav Adolf die Truppen, die in Landshut, Freising und Umgegend vertheilt waren, rasch an sich gezogen hatte, verließ er an diesem Tage Vormittags zwischen 9 und 10 Uhr mit seiner ganzen Armee die Stadt. Mit sich nahm er die zweiundvierzig Geiseln, deren Schicksale wir weiter unten berichten werden, um hier den Gang der Ereignisse in Munchen nicht zu unterbrechen.
Die Lage der Stadt nach dem Abzuge der Schweden
war aber eine traurige; der innere Wohlstand der Bürger war auf mehrere Jahre zerstört, der größere Theil der Einwohner, welche zur Aufbringung der Brandschatzung ihren letzten Heller hergegeben hatten, war gänzlich verarmt, alle Gewerbe stockten, alle Felder, Wiesen und Gärten in einem weiten Umkreise um die Stadt waren zerstört und verdorben, alle um München herumliegenden Wohnungen und Dörfer abgebrannt oder verödet. Die Felder waren mit todten Körpern von Menschen und Vieh, die unter einander zerstreut lagen, wie besäet; bei dreißig Menschen hatten zwei Tage lang zu thun, um die Leichname wegzuschaffen und zu begraben, — auf den Feldern des Burgfriedens allein lagen bei vierzig Körper von Manns und Weibspersonen. Die städtischen Kassen waren ganz leer, und selbst die vorzüglicheren Quellen des Einkommens versiegt, denn der Geldvorrath, der vor der feindlichen Besetzung nach Salzburg geflüchtet worden war, war bei den großen und ungewöhnlichen Ausgaben bald erschöpft; man mußte zur Aufnahme neuer Kapitalien schreiten, wo man doch die Zinsen der älteren Schuld zu bezahlen nicht im Stande war. Nur allein der Schaden, den die städtische Kassa während des dreiwöchentlichen Aufenthaltes der Schweden an geliefertem Proviant, Haber, Holz und den entwendeten Kriegsgeräthschaften erlitten hatte, übersteigt die Summe von 13,000 Gulden.
Die nächsten beiden Jahre verflossen für München ruhig vor feindlichen Anfällen, obwohl der Pfalzgraf Christian von Birkenfeld, der die in Bayern zurückgebliebenen schwedischen Kriegsvölker befehligte, die Gegenden um München, Augsburg, Landsberg und Landshut
verheerte und beinahe zu einer Wüste machte. Da erfolgte am 7. September 1634 die entscheidende Schlacht von Nördlingen, worin die Schweden total geschlagen wurden, die Hälfte ihres Heeres auf dem Schlachtfelde blieb, und ihr Feldherr Gustav Horn in bayerische Gefangenschaft gerieth. Bayern war auf lange Zeit von den Schweden befreit. Da erschien ein neuer noch schrecklicherer Feind vor den Thoren Münchens, die Pest.
Es sei dem Verfasser vergönnt, ehe er den unsäglichen Jammer dieser Tage beschreibt, über das frühere Auftreten der Pest in München in Kürze zu berichten.
Es war im Jahre 1348, ein Jahr nach Kaiser Ludwigs Tod, als fürchterliche Naturereignisse und Trübsals Europa erfüllten und erzittern machten. Am 25. Jänner desselben Jahres Nachmittags begann ein Erdbeben, welches vierzig Tage lang mit abwechselnden Stößen alle Länder erschütterte; Berge senkten sich und fällten mit ihrem Schutte die Thäler aus; ganze Städte versanken in die Tiefe des Abgrundes, namentlich in Kärnthen die Stadt Villach; Flüsse traten aus und veränderten ihren Rinnsal; viele tausende von Menschen wurden von ihren einstürzenden Häusern erschlagen, und in Oberbayern allein stürzten die Mauern von mehr als zwanzig Städten und Schlössern zusammen. Allein kaum waren diese Schreckenstage vorüber, als ein noch größeres Unheil kam. Genuesische Schiffe brachten die Pest aus dem Morgenlande nach Italien. Die Krankheit zeigte sich an einer dunkelfärbigen Beule, besonders unter der Achsel; der davon befallene starb längstens am dritten Tage. Diese
Pest, der schwarze Tod genannt, verbreitete sich mit unglaublicher Schnelligkeit über ganz Italien, in Venedig allein starben hunderttausend Menschen; von da schritt sie rasch nach Frankreich und England, und kam im Jahre 1349 nach Deutschland. Vier Jahre währte diese Seuche, in Bayern im Jahre 1349 am heftigsten. Cortusius, ein gleichzeitiger Geschichtsschreiber, bemerkt daß die Sündfluth kaum so viele Menschen möge hinweggerafft haben, als diese Seuche. In der damals sehr bevölkerten Stadt Lübeck starben innerhalb eines Jahres 90,000 Menschen, in Straßburg starben 16,000, in Wien wurden einmal an einem Tage 500 begraben, aus den Thoren von Passau trug man an einem Tage bei 300 Leichen. In Bayern starb der achte Theil der ganzen Bevölkerung, Städte und Flecken waren entvölkert, ja in manchen Dörfern war auch nicht ein einziger Mensch mehr vorhanden. In gleicher Weise wüthete sie auch in München, dasselbe hatte den siebenten Theil seiner Einwohner verloren.
Eine zweite bedeutende Pest in München kam im Jahre 1462 vor. Die naßkalte Witterung dieses Jahres erzeugte bösartige Fieber und Ruhren. Die Seuche (Brechruhr?) dauerte von Weihnachten 1462 bis Ende 1463 nicht nur in München, sondern auch in ganz Deutschland; Städte und Dörfer waren voll von Leichnamen, in Augsburg allein starben von Jakobi bis St. Lueia bei 9000 Menschen. Die Wissenschaft der Arznei, damals auf noch tiefer Stufe und in den Händen unwissender Bader, brachte keine Hilfe. Da entschloßen sich die Müchener zur Abwendung des Uebels die Hilfe des Himmels anzuflehen. An einem Tage um Michaeli 1463 zogen
5000 Personen, die Männer und Frauen gesondert gehend, mit großer Andacht, „mit weinenden Augen und doch frohlockendem Herzen," — wie uns das Fragment einer Chronik der Stadt München erzählt, — in großer Prozession zu dem würdigen Heiligthume auf den Berg nach Andechs. Dem frommen Gebete wich endlich die Seuche. Herzog Johann war aus Furcht von München nach Haidhausen geflüchtet, wo ihn aber dessenungeachtet am 18. Dezember 1463 der Tod fand.
Alten Chroniken nach herrschte auch in den Jahren1515 und 1517 in München die Pest, worüber in der ehemaligen Wiskapelle hinter der St. Peterskirche eine Votivtafel vorhanden gewesen war. Ebenso im Jahre 1572 in Folge eines großen Nothjahres.
Während des dreißigjährigen Krieges trat sie in München zuerst im Jahre 1628 auf. Am 28. September dieses Jahres starb plötzlich eine Dienstmagd des kurfürstlichen geheimen Vicekanzlers Richel, und man erkannte am Leichname die Spuren der Pest; sogleich aber wurden die strengsten Vorsichtsmaßregeln angeordnet, das Haus wurde gesperrt, die Seelnonne, der Arzt, der Bader und überhaupt alle Personen, welche mit der Verstorbenen Umgang gepflogen hatten, wurden abgesperrt, und so griff dießmal dieses Uebel ausser wenigen Personen nicht weiter um sich.
Das Jahr 1634 brachte aber die Pest als Kind des Krieges in ihrer vollen zerstörenden Wuth.
Ganze Strecken Landes waren während dieser Kriegsläufe unbebaut geblieben, da es theils an Leuten zur Arbeit fehlte, theils die Landleute das nöthige Getreide und Geld nicht hatten, theils auch, weil Niemand aus Furcht vor Verwüstung die Felder zu besäen wagte. Die Folge davon war allgemeiner Mangel und Noth. Der Werth der Güter war so sehr gesunken und der Mangel des Geldes war so groß, daß Bauerngüter im Werthe von 20,000 fl. und mehr um 70 bis 80 fl. feil standen. Ausgehungerte, abgemagerte, hohlaugige Schattengestalten von Menschen wankten allenthalben umher, zu diesem körperlichen Elend gesellte sich der tiefste Gram und die Verzweiflung ; viele waren glücklich, den Hunger mit Hunden, Katzen und Mäusen stillen zu können; ja in Augsburg verschmähte sogar die wüthende Gier des Hungers nicht, das Fleisch menschlicher Leichname zu verzehren! Dazu die weit und breit auf den Feldern liegenden Leichen von Menschen und Vieh, die wochenlang unverscharrt liegen blieben und durch ihre Verwesung die Luft verPesteten. Unter solchen Umständen konnten verheerende Seuchen nicht ausbleiben. Da kamen im Juli 1634 spanische Kriegsschaaren bei 4000 Mann stark von Weilheim und Tölz hieher nach München, ein sehr unreinliches Volk, das einen Krankheitsstoff mit sich führte, denn in den wenigen Tagen ihres Aufenthaltes in München zählten sie über 150 Todte. Schon im nächsten Monate August darauf zeigten sich in München Spuren von ansteckenden Krankheiten, die man aber Anfangs nicht, als gefährlich achtete. Allein im September brach die wirkliche Pest mit größter Heftigkeit aus. Aeusserlicher Frost bei innerlicher Hitze, heftige Kopfschmerzen, große Ermattung, Blutergießungen, waren die ersten Anzeichen der Krankheit, denen sehr schnell Pestflecken und Pestbeulen als tödtliche
Symptome folgten. Der Verlauf der Krankheit war ein sehr rascher. In aller Eile wurden vier Lazarethe und ein Garten vor der Stadt zur Aufnahme der Kranken hergerichtet, und alle nöthigen Vorsichtsmaßregeln getroffen, um die Verbreitung der Seuche zu verhindern ; nur zwei Thore, das Isar- und das Neuhauserthor, blieben geöffnet, vor jedem dieser Thore wurde ein Garten zur Beherbergung der Fremden, denen der Eintritt in die Stadt verboten war, hergerichtet, den Einwohnern der Stadt aber auch der Eintritt in diese Garten verwehrt. Alle Briefe wurden geöffnet, geräuchert und dann wieder verschlossen, das Geld, das angenommen wurde, zuerst in Essig geworfen. Alle Gemeinschaft mit angesteckten Personen, der Eintritt in deren Häuser oder der Gebrauch ihrer Kleidungsstücke war bei Lebensstrafe verboten, und zur Abschreckung und zum Vollzuge dieser Androhung waren in den Gassen der Stadt öffentlich Galgen errichtet; alle Kleider und alles Bettgewand der angesteckten Personen wurden vor den Thoren verbrannt. Um die Communikation und dadurch die Verbreitung der Seuche zu verhindern, wurden die Strassen mit eisernen Ketten gesperrt, ja die Eisenmannsgasse, Damenstiftsgasse und das Kreuz, als gänzlich insizirt, wurden mit Brettern verrammelt und vollständig abgesperrt. Hingegen blieb sonderbarerweise die Herzogspitalgasse von der Pest ganz verschont.
Aber alle diese Bemühungen und Vorkehrungen waren fruchtlos. In den Monaten Oktober und November wüthete die Pest am ärgsten, in jeder Woche dieser beiden Monate wurden 200 bis 250 Wohnungen, unter diesen theils ganze Häuser, theils nur einzelne Zimmer gesperrt,
die Leichname wurden von den Straßen oder aus den Häusern zur Nachtszeit auf die Todtenwägen, deren Räder mit Filz umwunden waren, geworfen, ohne auf die Namen oder den Stand zu merken oder dieselben aufzuzeichnen ; den Todtengräbern mußten längere Zeit hindurch gegen 20 Tagelöhner beigegeben werden, um die nöthigen Gruben zuzurichten, in deren jede an 940 Leichen gelegt oder geworfen wurden; der bisherige Raum des Gottesackers wurde zu enge, und mußte derselbe beträchtlich erweitert werden.
Im Dezember ließ die ausserordentliche Sterblichkeit etwas nach; allein erst im Februar 1635 hörte sie endlich beinahe ganz auf.
Was nun die Anzahl der Menschen betrifft, die dieser Seuche in München zum Opfer sielen, so geben die Sterberegister der beiden Pfarreien zu U. l. Frau und St. Peter nur geringen und unverläßigen Aufschluß, sie sind in dieser Zeit höchst mangelhaft und unvollstandig geführt, was auch bei der Größe dieser Kalamität sehr begreiflich ist; hingegen aber gibt der bekannte Geschichtschreiber Adlzreiter, ein Zeitgenosse dieser traurigen Verwüstung, der als kurfürstlicher Hofkanzler und Oberaufseher der Polizei während der ganzen Periode in München sich befand, nebst andern gleichzeitigen Schriftstellern an, daß während dieses Zeitraumes, nur in München allein, bei 15000 Menschen verstorben seien. Da nun München nach der amtlichen Volkszählung vom Jahre 1589 eine Bevölkerung von 20,000 Seelen hatte, die sich während der Schrecken des dreißigjährigen Krieges eher verminderte als vermehrte, so hätte nach der Adlzreiter'schen Angabe die Stadt
durch die Pest drei Viertheile ihrer Einwohner verloren! Diese Angabe ist auch vollkommen wahrscheinlich, denn nach einer Zählung der Bevölkerung Münchens am 15. August 1704, also 70 Jahre später, hatte die Stadt damals nicht mehr als 13,649 Einwohner, stand also noch gegen das Jahr 1580 weit zurück! Ueber dem Thore des Hauses Nr. 7 in der Kaufingergasse sieht man noch heut zu Tage ein T (Tod bedeutend) angemalt, zum Andenken, daß dieses Haus bei dieser Pest ganz ausgestorben war.
Aber alle Geselligkeit des menschlichen Lebens, selbst die Bande der Natur waren zerstört. Der Mann verließ seine kranke Gattin, das Weib ihren Gatten, Aeltern und Kinder trennten sich gegenseitig, das Schicksal, das sie betroffen hatte, war ihnen unbekannt, und nachdem die Häuser wieder eröffnet und der gemeinschaftliche Umgang erlaubt wurde, sah man überall unglückliche Waisen um den Verlust ihrer Aeltern, Wittwen um ihre Männer, Aeltern um ihre Kinder trauern. Viele Häuser und Wohnungen waren öde, und von manchen Familien nicht eine Seele mehr vorhanden.
Die Leiden der Stadt München während des dreißigjährigen Krieges schienen sich mit der Pest erschöpft zu haben. Zwar war im Jahre 1646 der schwedische General Wrangel wieder in Bayern eingebrochen und verwüstete die Gegenden an der Jsar. Allein seit dem Jahre 1638 hatte Kurfürst Maximilian mit einem Kostenaufwand von beinahe 2,000,000 fl. und mit angestrengtester Thätigkeit die Befestigung der Stadt München vollenden lassen. Als daher im September 1646 die vereinigte französische und schwedische Armee in der zuversichtlichen
Erwartung, die Thore offen zu finden, vor München erschien, und die gute Befestigung der Stadt und die Menge der streitbaren Männer auf den Wallen, — ausser den Bürgern und den zahlreich hergeflüchteteil Landleuten waren sie mit 600 Soldaten unter dem Kriegsbefehle des tapfern Obersten von Puch er wohl besetzt, — erblickte, zog sie wieder, ohne einen Angriff zu versuchen, ab. Im nächstfolgenden Jahre 1647 mußte München einen gleichen Anfall dieser feindlichen Horden befürchten; allein auch dieser wurde, gleichwie jener vom Jahre 1646, durch den Muth der Einwohner und durch die Thätigkeit des Kommandanten Generalmajors von Rouyer vereitelt.
Das nächste Jahr 1648 brachte den westphälischen Frieden und damit das Ende des dreißigjährigen Krieges.
Es erübriget uns jetzt noch, die oben unterbrochene Erzählung von den Schicksalen der Münchener Geiseln fortzuführen.
Diese Geisel waren folgende.
Geistliche:
Anton Mandl, Dr. der Theologie, Kanonikus und Pfarrer bei U. l. Frau.
Georg Agrikola, regulirter Chorherr vom Kloster Jndersdorf.
Michael Strobl, Zisterzienser von Fürstenfeld.
Georg Graf, Zisterzienser von Fürstenfeld.
Johann Lanz, Jesuit
Joachim Gotthart, Jesuit.
Andreas Brunner, Jesuit
Christoph Kletzlin, Jesuit
Christoph Widmann, Jesuit
Adam Schifferl, Jesuit
Benedikt Hagn, Augustiner
Vinzenz Geßler, Augustiner
Liberat Hörker, Augustiner
Fulgenz Kirchmair, Augustiner
Paul Albl, Franziskaner
Kaspar Mair, Franziskaner
Franz Sigl, Franziskaner
Blasius Rechbacher, Franziskaner
Klaudius Keller, Franziskaner
Eusebius Saherr, Kapuziner
Gemiman Ronpeckh, Kapuziner
Philibert Meinl, Kapuziner
Weltliche:
Wolfgang Jakob Pronner von Prandthausen, innerer Stadtrath.
äussere Räthe und Handelsmänner.
Paul Parstorfer,
Johann Rapp,
Hartman Reischl,
Martin Valpichler,
Georg Perhammer,
Albrecht Jnderstorfer, Gastgeber.
Johann Geyersperger, Gastgeber.
Georg Egetter, Lebzelter.
Mathias Biecher, Rothgerber.
Georg Voith, Barettmacher.
Melchior Kamerloher, Lebzelter.
Johann Jakob Koch, Krämer.
Johann Nindorfer, Eisenhändler.
Georg Starnberger, Bierbrauer.
Johann Hub er, Rothgerber.
Johann Stöberl, Eisenfaktor.
Ludwig Reutter, Methschenk.
Michael Reutter, Lebzelter.
Wilhelm Mayr, Handelsmann.
Am 7. Juni 1632, Morgens 10 Uhr, bei dem Abmarsche der feindlichen Armee, wurden die sämmtlichen Geisel, nachdem sie noch zuvor in der Jesuitenkirche dem Gottesdienste beigewohnt, in Kutschen gesetzt und in Begleitung von zwei Kompagnien Dragonern nach Augsburg geführt, woselbst sie am folgenden Tage ankamen, und von dem liebenswürdigen Augsburger Pöbel, der schwedisch gesinnt war, mit Hohn und Gespötte, mit rohen Beschimpfungen und selbst Mißhandlungen empfangen wurden. Das erste nach ihrem Eintritte war, daß sich alle für einen, und einer für alle zur Haftung ihrer Personen schriftlich verbindlich machen mußten, worauf sie am 16. Juni nebst den Geiseln von Landshut, Freising und Weilheim unversehens aus dem Gasthofe, in welchem sie bisher untergebracht waren, abgeholt, in die alte bischöfliche Residenz geführt und hier wie förmliche Gefangene behandelt wurden, indem sie alle, in der Zahl von etlichen und sechzig Personen, zusammengesperrt und alle Ausgänge der Residenz, bis auf einen, vermauert wurden. Hier nun wurden sie auf das Härteste behandelt, sie hatten mit allen Entbehrungen und mit jeglicher Art des Elendes zu kämpfen, ja sie wurden mehrmals selbst mit dem Tode bedroht.
Deshalb machten am 21. Juni sämmtliche Geiseln das Gelübde, nach ihrer glücklichen Wiederkehr nach München einen Dankgottesdienst zu Ramersdorf abhalten und daselbst zur ewigen Erinnerung eine Gedächtnißtafel errichten zu lassen.
Ungeachtet die Geiseln mehrere schriftliche Vorstellungen durch ihren Mitgefangenen Andreas Brunner, den sie zu ihrem ersten Rathgeber und Sekretär erwählten, sowohl an die Regierung als auch an den Magistrat München machten, um die Bezahlung des Restes der Brandschatzung und dadurch ihre endliche Freilassung zu erwirken; obwohl sie zu diesem Zwecke mit Erlaubniß der schwedischen Machthaber selbst Abgeordnete nach München sendeten so hatten alle ihre Bemühungen lange keinen Erfolg, da das Geld nicht aufzutreiben war. Erst unterm 23. Juli wurden 5000 Thaler und am 2. August 68,000 Reichsthaler von München nach Augsburg gesendet. Diese Verzögerung und diese zu geringe Zahlung gab den Schweden erwünschte Veranlassung, die Geiseln noch härter zu behandeln, ungeachtet der von ihnen dem schwedischen Kommandanten gemachten großen Geschenke, worunter eine mit Diamanten besetzte Hutschnur im Werthe von 1030 Reichsthalern. Täglich wurde die Bezahlung des Restes von 137,000 Thalern unter den schärfsten Drohungen und Vorwürfen gefordert, neue Bedrückungen und Mißhandlungen gegen die armen Geiseln wurden verübt, ja sogar die Androhung gemacht, München und Landshut gänzlich in Asche zu legen.
Der Tod des Königs Gustav Adolf in der Schlacht bei Lützen am 1. November 1632 brachte den Geiseln
nicht nur keine Verbesserung ihrer Lage, sondern vielmehr war ihr Schicksal in noch üblere Hände gerathen, indem man ihnen verkündigte, daß sie nun nicht mehr Geisel der Krone Schweden, sondern Gefangene der Generäle und Obersten wären, welchen man den Rest der Brandschatzung zugewiesen habe.
So zog sich ihre Gefangenschaft fort, denn ungeachtet oftmals Abgeordnete von ihnen nach München und an den Kurfürsten, der in Braunau weilte, abgesandt wurden, obgleich auch im Anfange des Jahres 1633 von München aus der kurfürstliche Kriegsrath Küttner und der Bürgermeister Ridler nach Augsburg abgeschickt wurden, um mit dem Gouverneur Orenstierna und den übrigen schwedischen Generälen wegen eines Nachlasses an der noch ausständigen Kontributionssumme und wegen Ausgleichung des Restes in Unterhandlung zu treten, so waren diese Schritte doch alle ohne Erfolg; die Sache gerieth in's Stocken, wobei eine Partei der andern die Schuld gab uud Vorwürfe machte. Aber dabei kam kein Geld, und so wurde die Lage der Geiseln immer trauriger und schrecklicher. Dazu kam noch, daß eine unehrenhafte Handlung von zweien der Geiseln selbst Veranlassung gab, die Schweden auf das Aeusserste zu erbittern. Wie erwähnt, mußten dieselben öfter Abordnungen nach München und an das Hoflager des Kurfürsten nach Braunau machen, wobei sich die Abgeordneten immer schriftlich und bei ihrem Eide verpflichten mußten, nach verrichteter Sache zurückzukehren. Allein zwei dieser Abgeordneten, der innere Rath und Handelsmann Martin Valbichler von München und einer von Landshut, welche Anfangs Juni 1633 nach
München abgeschickt worden waren, kehrten ungeachtet ihres Eidschwures und trotz mehrfältiger Aufforderung nicht mehr zurück, sondern verblieben ruhig zu Hause bei ihren Familien und Anwesen. Die Schweden beschlossen nun, ihre oftmals gemachten Drohungen wahr zu machen, die Geiseln zur Armee abzuführen, und sie unter die Obersten zu vertheilen. Wirklich wurden sie am 16. Juni 1633 zu Fuße unter starker Militärbedeckung von Augsburg weg nach Biberbach, des folgenden Tages aber nach Donauwörth transportirt, wo sie bis zum 25. Juni verblieben, dann aber unter Bedeckung von I0O Musketirern und paar» weise gefesselt mit der Armee nach Nördlingen geführt wurden. Herzzerreißend sind die Schilderungen, welche sie von ihren Leiden und den Mißhandlungen machten, denen sie ausgesetzt waren und noch ferner zu erdulden erwarten mußten. „Sie bitten nur zu Gott," — heißt es in einem dieser Briefe, — „daß, weil er sich alles Gericht und Rache vorbehalten habe, ihnen kein ungeduldiger Himmelschrei ausbreche, der ihn vermöge, seine Waffen auf alle die zu wetzen, so sie in diese Noth gesteckt und so, erbärmlich sitzen lassen."
Doch wurde ihnen nach vielen Bitten erlaubt, am 29. Juni wieder zwei Abgeordnete, den Jesuiten Andreas Brunn er und den Handelsmann und Rathsherrn Hartman Reischl an den Kurfürsten nach Braunau abzusenden , nachdem sich die übrigen Geiseln schriftlich für deren Zurückkunft innerhalb längstens drei Wochen „mit Leib und Blut" verbürgen mußten. Allein auch diese Verhandlungen, die mit dem Bürgermeister Max Ridler von München gepflogen wurden, nahmen einen untröstlichen
Ausgang, da dieser wohl einen Nachlaß an der noch schuldigen Kontribution anstrebte, was der schwedische KomMandant in Augsburg verweigerte, aber eine Zahlung als zur Zeit unmöglich darstellte. Auch in Braunau beim Kurfürsten waren alle Bemühungen, Geld zu erlangen, fruchtlos. Doch hatten ihre Bestrebungen wenigstens zur Folge, daß die Geiseln am 27. August wieder von Nordlingen nach Augsburg zurücktransportirt wurden. So verstrich das ganze Jahr 1633.
Am Anfange des Jahres 1634 wurden vom Kurfürsten und von der Stadt München neue Abgeordnete, nämlich der Höfkammerrath Wangereck und der Stadtschreiber Melchior Erhard abgesendet, welche die Sache dahin schlichteten, daß man den schuldigen Rest mittelst Salzlieferungen abtragen wolle, zu welchem Ende mit den beiden Stadtpflegern von Augsburg Jakob Stenglin und Paul von Stetten, dann den Handelsleuten Hans und Jeremias Buron er, Georg Hunold's Erben, Otto Lauginger und Heinrich Thenn die Uebereinkunft getroffen wurde, gegen Empfang von 49,765 Scheiben Salz an den schwedischen Gouverneur Georg aus dem Winkel und den Obersten Pfuhl eine Summe von 141,000 Reichsthalern zu erlegen.
Durch diese Ubereinkunft war zwar die Befreiung der Geiseln noch nicht bewerkstelliget, vielmehr mußten sie noch in der Gefangenschaft verharren, da theils wegen Mangels an Pferden, theils wegen der Kriegsverhältnisse und der Pest nicht mehr als 1,100 Scheiben Salz geliefert werden konnten; aber ihr Schicksal war doch durch eine etwas mildere Behandlung erleichtert. Dessen ungeachtet war ihre Lage eine gränzenlos unglückliche und schreckenvolle. Nicht nur waren ihre Gemüther von Angst und Sorge über das Schicksal ihrer Heimath und ihrer Familien erfüllt, sondern man ließ sie absichtlich, um sie zu martern, das Unglück ihres Vaterlandes schauen, indem man das aus Bayern geraubte Vieh und die entwendeten Güter vor ihrer Wohnung vorbei führte, und sie den Brand und die Verwüstung der bayerischen Grenzen von dem erhöhten Dache ihres Gefängnisses sehen ließ. Zu diesem gesellten sich die Drohungen und Vorwürfe der Einwohner von Augsburg, welche die Sperrung des Handels, die Theuerung und den Mangel, die lange Blokirung und all das Uebel, das Augsburg von Seite Bayerns drückte, auf ihre Veranlassung schob. Was aber alle diese Qualen übertraf, war der beständige drückendste Mangel der unentbehrlichsten Lebensbedürfnisse, worüber fast alle ihre Briefe die lautesten Klagen enthalten. Anfangs schaffte der Kredit der unter ihnen besindlichen Handelsleute bei ihren Bekannten in Augsburg Rath; allein da diese aufgenommenen Gelder meistens ,,mittelst Wechsel" in Botzen und Salzburg bezahlt werden mußten, und hier manchmal der Mangel an Geld, "oder die Unsicherheit der Wege u. dgl. eine Verzögerung verursachte, so fing ihr Kredit allmählig an in Abnahme zu kommen. Man schickte zwar von München aus vielfaltig Wägen mit Viktualien, Salz und Baargeld zu ihrer Unterstützung, allein auch diese Lieferungen wurden meistens verzögert, und es war unterdessen ihre Schuld oft schon größer angewachsen, als daß sie durch die angekommene Summe,
die überdieß zu ihrem ferneren Unterhalte bestimmt war, hätte getilgt werden können. Dadurch geschah es, daß sie von den Gastgebern keine Kost mehr erhielten, und oft manchen Tag ohne alle Nahrung zubringen mußten. Ihre Noth stieg aber am höchsten zur Zeit der schrecklichen Blokade von Augsburg, wo die Einwohner nur das Fleisch von Pferden, Hunden, Katzen und Mäusen hatten, zur Stillung ihres Hungers das Leder kochten und aßen, ja selbst am Ende zum Fleische menschlicher Leichname ihre Zuflucht nehmen mußten.
Endlich aber schlug die Stunde ihrer Befreiung. Nach der großen Niederlage der Schweden bei Nordlingen am 7. September 1634 dachte man zwar noch nicht daran, die Geiseln gegen den gefangenen Feldmarschall Horn auszuwechseln. Hingegen aber inhaltlich des zwölften Artikels der Leonbergischen Accords-Einigung vom 13. März 1635 mußten sie ohne Entgeld frei gegeben werden, obwohl von den geforderten 300,000 Reichsthalern bis dahin nicht mehr als 253,000 fl. erlegt worden waren.
Während der Gefangenschaft waren vier derselben gestorben, nämlich «der Augustiner Benedikt Hagn, Johann Nindorfer, Johann Stöberl und Johann Huber. Der Franziskaner Blasius Rechpacher war zu Ostern 1634 zum Protestantismus übergetreten.
Die Uebrigen wurden am 27. März 1635 aus der Gefangenschaft entlassen, und trafen nach einer traurigen Abwesenheit von beinahe drei Jahren unter lautem
Jubel ihrer Mitbürger und Familien glücklich wieder in München ein.
Die von den Geiseln gelobte Votivtafel besindet sich zum fortwährenden Andenken noch heutigen Tages in der Kirche zu Ramersdorf.