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Mayer - Münchner Stadtbuch (1868)
Im Jahre 1530 hatte der großmächtigste Kaiser Karl V. von Bologna aus ein Ausschreiben an die Stände erlassen, in welchem er sie zu einem am 8. April zu Augsburg zu eröffnenden Reichstage einlud, um die lutherischen Religionsstreitigkeiten zu ordnen. Es fand sich hiezu in Augsburg eine große Anzahl von Fürsten, Rittern und Geistlichen mit einem zahlreichen Trosse von Dienern und Pferden ein.
Der Kaiser selbst aber ließ lange auf sich warten, denn nur langsam und in kurzen Tagreisen näherte er sich. Der Kurfürst Joachim I. von Brandenburg und die Herzoge Georg von Sachsen und Wilhelm IV. von Bayern waren ihm bis Innsbruck entgegen geritten.
Am Freitag in der Pfingstwoche, den 10. Juni, nahte Kaiser Karl der herzoglichen Hauptstadt München mit großem Gefolge, wobei sein Bruder, der König Ferdinand von Böhmen, die Herzoge Friedrich, Otto Heinrich, Markgraf Friedrich und Hans Albrecht,
ferner der Kardinal Lorenzo Campeggio, die Erzbischöfe von Salzburg, Lüttich und Trient, und die Bischöfe von Passau und Briren, sammt einer Unzahl polnischer und spanischer Geistlichen. Da zogen ihm auf eine Stunde Weges der Adel, die Geschlechter, die Bürgerschaft und das Landvolk zum Empfange in ausgewähltem reichen Schmucke entgegen. Auf einem freien Platze waren sechzehnhundert Mann Fußvolk in Schlachtordnung aufgestellt, neben ihm fünfhundertfünfzig zu Roß; sie führten bei hundert Stück Feldgeschütz mit sich, darunter eine hölzerne mit eisernen Ringen umwundene Kanone, die den aufrührerischen Bauern bei Rastadt abgenommen worden war. Auf diesem Platze war eine hölzerne Burg mit Thürmen und Basteien versehen und mit steinfarb angestrichener Leinwand überzogen, aufgebaut, mit Kriegsvolk wohl besetzt und mit Handgeschütz bewehrt.
Als nun der Kaiser mit den Kardinälen, Bischöfen, Fürsten und Herrn angelangt war, wurde ihm das Schauspiel der Erstürmung einer Festung gegeben; mit Kriegsgeschrei lief das Fußvolk Sturm, der von der Burg aus mit großem und kleinem Geschütze kräftig empfangen wurde; ein Theil der Besatzung der Burg machte sodann einen Ausfall und es entspann sich nun auf der Ebene ein Gefecht, während die Burg aus Mörsern tüchtig beschossen und endlich erobert wurde. Nach Beendigung, dieses Manövers, in welchem jedoch mehrere Personen unglücklicherweise wirklich umkamen oder beschädiget wurden, stellte sich das Heer wieder in Schlachtordnung, worauf es vom Kaiser inspizirt, und namentlich das Geschütz besichtiget wurde.
Hierauf trat der Zug seinen Weg gegen die Stadt zu an, während ein künstlicher Drache mit dem kaiserlichen Wappen geziert in den Lüften schwebte.
An der Isarbrücke angekommen, hielten die Münchener Fischer, in weiß und blaue leinene Wämser und Hosen gekleidet, ein Fischerstechen, „wobei mehrere in das Wasser gefallen, ist fast lächerlich und lieblich anzusehen gewesen."
Darauf zog Kaiser Karl um 5 Uhr Nachmittags unter dem Donner der Geschütze von den Wällen in die Stadt ein, zu seiner Rechten sein Bruder, König Ferdinand von Böhmen, zu seiner Linken der päbstliche Legat Cardinal Lorenz Campeggio. Dem Kaiser voran wurden Reichsschwert und die Krone, dem Kardinal aber das Kreuz vorangetragen. Den Zug eröffneten sämmtliche herzogliche Beamte, die Geistlichkeit und der Magistrat der Stadt München. Im Thale, etwa zweihundert Schritte innerhalb des Thores, hielt der Zug und es wurde auf einer errichteten Bühne ein biblisches Schauspiel gegeben, die Geschichte der Esther vorstellend, „so lieblich, künstlich und wohl geordnet, daß männiglich sich verwundert, und nit wohl möglich zu bessern gewesen wäre." Zweihundert Schritte wieder weiter, ehe man zum Raththurm gelangte, wurde abermals auf einer errichteten Bühne ein geistliches Schauspiel aufgeführt, darstellend die Geschichte der Massageten-Königin Tomvris, „die dem König Cyro sein abgeschlagen Haupt in einen Zuber voll Bluts stoßet." Am Marktplatze erhob sich ein zierliches Schloß von Holz und Leinwand, welches, nachdem aus demselben einige hundert Schüsse und Freudenfeuer losgebrannt waren, in Flammen auflodern mußte.
In der Burggasse, wohin der Zug einlenkte, erwartete den Kaiser wieder ein Schauspiel. Auf einer Bühne wurde die Geschichte des Königes Kambyses von Persien dargestellt, „der einen ungerechten Richter schinden und seine Haut über einen Sessel spannen ließ, darein dessen Sohn zum Richter schuf und ordnete, damit er bei der Haut, des ungerechten Urtheils feines Vaters eingedenk, ein Recht ertheile nach Gerechtigkeit."
Dann erst folgte der Einzug des kaiserlichen Gastes in die neue Veste.
Vier Tage lang weilte der Kaiser in München, wo seine Anwesenheit mit großem Glanze und Aufwand gefeiert wurde. Tafeln und Bankette wechselten mit den Vergnügungen der Jagd und den Freuden des Tanzes. In des Herzogs Lustgarten an der Residenz, der Rosengarten geheißen, hielt bei einem solchen Balle die kaiserliche Majestät den Vortanz mit der Gemahlin des Herzoges Wilhelm, Maria Jakobäa.
Nach viertägigen Festlichkeiten begleiteten am 14. Juni die beiden herzoglichen Brüder den Kaiser zum Reichstage nach Augsburg. Er übernachtete an diesem Tage im Kloster zu Fürstenfeld, und hielt am folgenden Tage, den 15. Juni, seinen feierlichen Einzug in Augsburg.