Ausstellungen in München

Sarah Sonja Lerch - Münchens vergessene Revolutionärin

Eine Frau taucht Anfang 1918 unvermittelt an der Seite Kurt Eisners in München auf und betreibt gezielte Agitation für einen Generalstreik, mit dem sie den Krieg beenden, den Frieden mit Russland erzwingen und Deutschland in eine Republik verwandeln will. Es ist Sarah Sonja Lerch, geb. Rabinowitz (1882-1918), die schon nach wenigen Streiktagen verhaftet und 8 Wochen später im Gefängnis Stadelheim erhängt aufgefunden wird. Wer war diese Frau? Eine gelangweilte Professorengattin, die den Aufstand probte? Eine russische Agentin? Die Geliebte Kurt Eisners?

Seit 2015 recherchierten Günther Gerstenberg und Cornelia Naumann weltweit in Archiven und fanden erstaunliche Fragmente aus dem Leben einer vergessenen jüdischen Russin, die in der Schweiz und Deutschland studierte, 1905 als Revolutionärin nach Russland zurück kehrte, 1912 heiratete und der Politik den Rücken kehrte. Erst 1917, mit der Gründung der USPD, wird Sarah Sonja Lerch wieder aktiv - in den Januarstreiks 1918, die bisher von der Forschung vernachlässigt wurden. Laut Kurt Eisner waren es aber gerade diese Arbeiterstreiks, die wenige Monate später zur Revolution führten, obwohl sie im Januar zunächst erbarmungslos niedergeschlagen wurden.

Die Ausstellung zeigt bisher unveröffentlichte Dokumente aus dem Leben der Sarah Sonja Lerch und ihrem historischen Umfeld. Dazu gehören ihre berührenden Briefe aus dem Gefängnis, Reaktionen ihrer politischen Freunde auf ihren Tod, u.a. Clara Zetkin, und die Rezeption der Zeitgenossen, u.a. Ernst Tollers berühmt gewordenes Drama "Masse - Mensch".

Die Ausstellung tritt der weit verbeiteten Ansicht entgegen, daß die friedliche Revolution 1918 von Männern "gemacht" wurde. Im Gegenteil waren deutsche, im Februar 1917 russische Frauen die ersten, die gegen das Morden, die miserable Versorgungslage und die chaotischen Zustände an der "Heimatfront" protestierten. Aber der weibliche Protest wurde als "Hungerkrawall" abgetan, seine Protagonistinnen als Flintenweiber, Petroleusen, russische Steppenfurien u.v.m. diffamiert und nicht für würdig befunden, Eingang in die Geschichtsbücher zu finden.

Günther Gerstenbergs künstlerische Gestaltung der Tafeln lenkt das Augenmerk mit viel Sympathie auf das jeweilige Umfeld der Wegbereiterin der Revolution.

In Anlehnung an die Kunstobjekte der russischen feministischen Künstlerinnen des letzten Jahrzehnts sind Aspekte des Lebens der Grenzüberschreiterin mit "Lebenszeichen" aus Stoff markiert.

Die Tragik der Sarah Sonja Lerch, die ihr kurzes Leben - sie starb unter ungeklärten Umständen im Münchner Gefängnis Stadelheim - regte Cornelia Naumann zu ihrem Roman Der Abend kommt so schnell an (Gmeiner Verlag 2018).


Datum 24.11.2020 - 21.02.2021
Öffnungszeiten 10:00 - 17:00
Ort Kulturhaus Neuperlach 2. Stock
Plz / Stadt München
Straße Albert-Schweitzer-Straße 62
Preis Kostenfrei
Personen Lerch Sarah Sonja

Literatur

Sarah Sonja Lerch - Münchens vergessene Revolutionärin
Sarah Sonja Lerch - Münchens vergessene Revolutionärin