Künstlerhaus

Zauner - München in Kunst und Geschichte (1914)

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Künstlerhaus, Lehnbachplatz 8. Erbaut 1896—1900 von Gabriel Seidl; „ein Musterbeispiel für die durch Seidl geschaffene Münchner Neurenaissance [Ro]; „innen durch Franz von Lenbachs beständiges rastloses Mitarbeiten zu einem ganz eigenartigen Schmuckkästchen gestaltet [Br 26]“. Gesamtanlage des Ganzen entstanden aus dem feinsinnigen Bestreben, das über die Baustelle hinweg zu der Synagoge und den Türmen der Frauenkirche sich erhebende reizvolle Städtebild so weit als möglich durch entsprechende architektonische Umrahmung zu steigern; daher Gruppierung der Bäume um einen Hof derart, daß dieser von 3 Seiten nur von ebenerdig in Bauteilen eingeschlossen ist und der Festsaalbau sich nur gegen Süden allein erhebt. Hauptbau mit dem Festsaal, „dem eigentlichen Heiligtum des Hauses“ im Südwesteck des Bauplatzes; vor demselben ein Hof, auf 3 Seiten von eingeschossigen Terrassenbauten umgeben, auf der Südostseite durch einen niedrigen zweigeschossigen Schmalbau mit der Nord Westfront des Hauptbaues verbunden; „durch den Hof mit seinen geschlossen wirkenden, an den Ecken durch aufgesetzte Pavillons betonten Flankierungsbauten erscheint der hohe, türmchenbekrönte viergiebelige Festsaalbau in vornehmer Zurückgezogenheit [KH 99/00]“.

Dreitoriger Haupteingang, gemäß der Sitte unsrer alten Privathäuser nicht direkt an der Hauptstraße, sondern im Südwesten an der Herzog Maxstraße mit Anschluß an den Saalbau. Nebeneingang an der nordöstlichen Schmalseite, an der Maxburgstraße, markiert durch einen übermütigen Kentaur: führt direkt in die nach dem Hof zu offene Vorhalle des Vestibüls des Saalbaues; hier flaches, reich in Stuck ornamentiertes Stichkappengewölbe, getragen von 5 freistehenden, hellgelb getönten Säulen; gegenüber dem Eingang in einer Nische der imposante St. Georg des Donatello; am Plafond schöne Flachreliefs mit musizierenden weiblichen Gestalten. Von da durch ein kleines, besonders betontes Portal ins Empfangzimmer, das sogen. „Lenbachzimmer‘; ganz nach Lenbachs Art zusammengestimmt, zeigt es mehrere Porträts des Meisters; Wandverkleidung mit dunkelrotem, vertikalgestreiftem Plüsch; beide Plafonds (durch einen Bogen in ungleiche Hälften getrennt) architektonisch reizvoll gegliedert, ausgezeichnet durch reiche Umrahmung der Felder, bunte Grotesken und schöne Beliefs; an der Wand die Originalskizze zu F. Kaulbachs stimmungsvoller „Festkarte“. Von bier ins Musikzimmer: durch seine hohe schwarze Vertäfelung und hellgrüne Seiden-Wandbespannung fein kontrastiert zum rotgoldenen Empfangszimmer: Plafond flach kassetiert in Ebenholz mit Perlmutterintarsien. Daranstoßend Bibliotheksaal mit rotgestrichenen Glasbücherschränken, auf Mappenkästen ruhend und durch ziemlich weitausladendes Gesims und Säulen stark gegliedert; auf diesen wieder eine Galerie, dessen geschmiedetes Eisengitter lichtgrau und goldbemalt ist.

Festsaal in der ganzen Länge des Oberstockes, „ein Kabinettstück prunkvoller Innendekoration“, von wundervoller Farben Wirkung. Durch einen reichgegliederten Triumphbogen in 2 ungleiche Bäume geschieden, von denen der größere in seinem komplizierten, tonnenartigen Gewölbe (im Durchschnitt) an einen vervielfachten Tudorbogen erinnert; als Farbe dominiert das eigenartig leuchtende, goldige Bot jener imitierten Gobelins, die uns wohl eine ins Märchenhafte umgearbeitete Legende der Madonna mit dem Einhorn 1) erzählen; „die zierlich steifen Bewegungen des burgundischen Edelfräuleins mit ihrer gehorsamen Tierwelt auf kleinem Wiesen plan stimmen uns besonders sympathisch in einer Zeit, in der wieder einmal die romantische Sehnsucht ganz leise erwacht“; in den Kassetten des lichtgrauen Plafonds weiße Sterne und Rosetten; über dem Triumphbogen großes Relief mit der Allegorie der „Kunst“, wie sie die Güter der Natur betrachtet. Im Fries des kleinern bühnenartigen Rahmens ein äußerst reizvoller Triumphzug, hellblau auf schwarzem Grund gemalt; darüber ein flaeher Plafond.

Restaurationssaal, ein heiterer und festlicher Raum mit fast etwas zu prunkender und flimmernder Ornamentik (hellgrün auf glatten weißen Flächen: „es ist eben ein Raum, in dem eigentlich nur perlender Wein und Champagner so recht munden können — ein Festspeisesaal, wie ihn bis dahin wohl keine öffentliche Restauration Deutschlands besessen hat“; in den Wänden eingelassen abwechselnd runde holländische Blumenstücke und oblonge Bilder mit Darstellungen von Grotesktänzen; Gewölbe ziemlich flach. An diesen 'großen Raum anschließend, nur durch 2 freistehende Säulenpaare abgetrennt, ein Nebenraum, etwas ruhiger und wärmer gehalten als der große; die schmalen Wandflächen zwischen dem goldumrahmten Spiegel und den Spiegeln, Säulen u. s. w. in warmem, rotem Ton bemalt; moosartig grüne Grottennische mit eingelegten Muscheln und Steinen; Decke in Gestalt eines leichten, aus grünen Leisten wirkungsvoll konstruierten gewölbten Daches.

Gegen den Lenbachplatz eine offene Restaurationsterrasse, die die einzige Schwäche an diesem Bau — „eine Münchner Architekturschwäche [Br 29] — nämlich den etwas zu tiefen Stand des Baues, verdecken hilft [Dr. Bredt „Das Münchner Künstlerhaus“ in KH 99,00].

 

1) Das mythische Ein horn tier ist im christlichen Mittelalter das Symbol unverletzter Keuschheit.

Zauner - München in Kunst und Geschichte (1914)