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Die Mariensäule

Jorge González-Carril

Der zentrale Platz Münchens hieß ursprünglich „Schrannenplatz“, weil hier der Getreidemarkt stattfand. Der Getreidemarkt wurde erst 1853 zur Blumenstraße verlegt. Seit dem 9. Oktober 1854 benannte man den alten Markt- und Getreidemarktplatz in „Marienplatz“ um. Die Bürger von München widmeten ihn der „Patrona Bavariae“, da sie deren Fürsprache das Erlöschen der Cholera-Epidemie, die die Stadt seit dem Juli 1854 heimgesucht hatte, zuschrieben. Jahrhundertelang hat der heutige Marienplatz glanzvolle Feste und Ritterspiele erlebt. Das glanzvollste Fest, das hier stattgefunden hat, war die Hochzeit von Wilhelm V., dem Vater Kurfürst Maximilians I., und Renata von Lothringen im Jahr 1568. An dieses Fest erinnert das Glockenspiel am Turm des neugotischen Rathauses.

Die Mariensäule wird durch eine quadratische Balustrade vom übrigen Platz abgegrenzt. An ihren Ecken stehen vier Laternen aus Erz. Auf dem massiven Marmorsokkel ist ein schlanker Sockelkubus platziert, der die über elf Meter hohe Monolithsäule trägt. Auf den Ecken des Sockels sind vier kämpfende Putti (von italienisch „kleines Kind“) aus Bronze zu sehen. Sie symbolisieren den Sieg Marias über Hunger, Krieg, Pest und Häresie. Diese vier Unheilsmächte sind in Anspielung auf Psalm 91,13 durch vier Allegorien dargestellt, nämlich einen Drachen (für Hungersnot), einen Löwen (für Krieg), einen Basilisken – das ist ein Fabel-Mischwesen aus Schlange und Hahn – (für Pest) und eine Schlange (für Häresie). 

Die Monolithsäule besteht aus rotem Marmor aus Tegernsee. Auf deren korinthischem Kapitell ist eine Muttergottes-Statue aus vergoldeter Bronze angebracht. Maria ist hier als himmlische Königin dargestellt umgeben von Sonne (Goldfassung, die tagsüber glänzt) bzw. von Sternen, die Mondsichel zu ihren Füßen, mit einer Krone auf dem Haupt und dem Zepter in der rechten Hand. Auf dem linken Arm trägt sie das segnende Jesuskind mit dem Reichsapfel. Die Art der Darstellung spielt auf die Textstelle aus Apokalypse 11,19a; 12,1–2 und 4 an: „Der Tempel Gottes im Himmel wurde geöffnet ... Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt. Sie war schwanger und schrie vor Schmerz in ihren Geburtswehen ...

Der Drache stand vor der Frau, die gebären sollte; er wollte ihr Kind verschlingen, sobald es geboren war ...“. In der katholischen Frömmigkeit wurde diese apokalyptische Frau stets mit Maria gleichgesetzt.

Die Statue der Maria war wahrscheinlich bereits 1598 durch den niederländischen Bildhauer Hubert Gerhard, der am Münchner Hof arbeitete, für das Stiftergrab Herzog Wilhelms V. in der Michaelskirche angefertigt worden. Von 1606 bis 1620 stand sie auf dem Altar der Frauenkirche.

Aufgestellt wurde die Mariensäule zum Dank für die Verschonung der Residenzstädte München und Landshut während der schwedischen Besatzung. In der Drangsal des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) hatte Kurfürst Maximilian I. nämlich 1632 gelobt, „ein gottgefälliges Werk anzustellen, wenn die hiesige Hauptstadt und auch die Stadt Landshut vor des Feinds endlichem Ruin und Zerstörung erhalten würde“. Nachdem die schwedischen Truppen die beiden Städte verlassen hatten, ohne Zerstörungen anzurichten, und Maximilian I. nach München zurückgekehrt war, ging er sofort daran, sein Gelübde zu erfüllen. Im Dezember 1637 ließ er die Säule mit dem Marienstandbild auf dem Marktplatz errichten. Der Rat der Stadt München war an dieser Entscheidung nicht beteiligt, obwohl ein kaiserliches Privileg der Stadt die alleinige Zuständigkeit für die Bebauung des Platzes garantierte. Zur Weihe des Monuments war der gesamte Hof anwesend. Sie erfolgte durch den Freisinger Fürstbischof am 7. November 1638, dem ersten Sonntag nach Allerheiligen, jenem Tag, an dem jedes Jahr in Erinnerung an den Sieg in der Schlacht am Weißen Berg die so genannte Prager Prozession gefeiert wurde. Dort hatten die Truppen der katholischen Liga die Armee Friedrichs V. von der Pfalz geschlagen und so dessen Kö19 nigsherrschaft über Böhmen beendet. Das Heer der katholischen Liga war von Maximilian I. mit dem Schlachtruf „Maria“ ins Feld geführt worden. Auch die Ausrichtung der Marienstatue nach Osten ist eine Anspielung auf diesen Sieg, der der Fürbitte Marias zugeschrieben wurde.

Der Stifter der Mariensäule, Maximilian I. (1573–1651), war vom Geist der Jesuiten und der Gegenreformation geprägt. Er setzte sich die Erneuerung der katholischen Kirche und die Wiederherstellung der staatlichen Ordnung zum Ziel. Staatsverwaltung und Staatsgewalt führte er straff und nach der Art eines absolutistischen Fürsten. Die Landstände hatten keine Möglichkeit mehr mitzubestimmen.

Bestimmende Grundlage dieser Regentschaft sollte der religiöse Glaube sein. Insbesondere die Marienverehrung wurde regelrecht zum Staatskult, Maria zur himmlischen Herrscherin über das bayerische Land und Volk erklärt. Schon 1616 hatte er als Unterschrift unter die von Hans Krumper geschaffene Marienfigur an der Fassade der Münchner Residenz gleichsam als Programm und Proklamation den Titel „Maria, Schutzfrau Bayerns“ (Maria, Patrona Boiariae) anbringen lassen.

Maria als Schutzfrau Bayerns – diese Aussage kommt auch zum Ausdruck an der Beschriftung des Sockels der Mariensäule. Der Text stammt aus der Zeit Maximilians und wurde von Jakob Balde SJ verfasst. Er lautet (erster Teil auf der Ostseite, zweiter Teil auf der Westseite):

Dem gütigsten Gott,
der jungfräulichen Gottesgebärerin,
Bayerns gütigster Herrin und mächtigster Beschützerin
hat für die Bewahrung des Vaterlandes, der Städte, der Heere und
seiner selbst und seiner Hoffnungen

Dieses bleibende Denkmal für die Nachkommen dankbar
und demütig errichtet Maximilian, Pfalzgraf bei Rhein,
Herzog von beiden Bayern, des Heiligen Römischen Reiches
Erztruchsess und Kurfürst,
unter ihren Schutzbefohlenen der niedrigste
im Jahre 1638

Mit der Marienverehrung verband Maximilian eine Reihe von Verordnungen, die das Leben des Volkes bis ins Einzelne beeinflussten. Dazu gehört nicht nur die Überwachung von Fastengeboten und Sonntagspflicht, der Nachweis der Beichte mit Hilfe von Beichtzetteln, sondern auch die Verpflichtung zum Beten des Angelus und die Vorschrift, dass die Untertanen einen Rosenkranz besitzen mussten.

Die Errichtung der Mariensäule am Marienplatz war im Zusammenhang dieser politischen und wirtschaftlichen Reformen eine Art Bekenntnis: Maria wurde als Himmelskönigin und als Retterin vorgestellt, die Bayern und seine Bevölkerung vor fremden politischen Systemen und vor fremden Konfessionen schützt.

Literatur: Walter Graßmann, Die Münchner Mariensäule, in: Gudrun Gersmann/Torsten Reimer (Hg.), München im Dreißigjährigen Krieg. Ein universitäres Lehrprojekt, 2. Version vom 13.6.2002 unter: http://www.sfn.uni-muenchen.de/krieg/m30jk/mariensaeule.htm Physiologus. Griechisch-Deutsch. Herausgegeben von Otto Schönberger, Stuttgart 2001. Lexikon der christlichen Kunst: Themen, Gestalten, Symbole. Erarbeitet von Jutta Seibert, Freiburg/Basel/Wien 1980. Engelbert Kirschbaum u. a. (Hg.), Lexikon der christlichen Ikonographie, 8 Bde., Freiburg 1968. 

Quelle: Erinnerungszeichen in München