Münchner Friedhofsportal

Ostfriedhof

         

Name Ostfriedhof
Plz/Ort München
Straße St.-Martins-Platz 1
Öffnungszeiten

Oktober bis Februar 8:00 - 17:00
März, September 8:00 - 18:00
April bis August 8:00 - 19:00;

Ruhefrist 10 Jahre
Plätze 34000
Fläche 25.86 ha
Ostfriedhof

© Gerhard Willhalm, Ostfriedhof, CC BY-NC 4.0

Der östliche Friedhof.

Zu Beginn der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts sind die Münchener Friedhöfe an der Grenze ihrer Fassungs kraft, da in den vorhergehenden Jahren die kleineren umliegen den Gemeinden in den Verwaltungsbezirk der Stadtgemeinde München einbezogen wurden. Schon einige Zeit vorher war der Gedanke, einen Zentralfriedhof anzulegen, besprochen worden; dieser Vorschlag erschien im Hinblick auf die Zahl von acht zehn kleineren Bestattungsplätzen im erweiterten Münchener Stadtgebiet und deren erhebliche Betriebskosten als beste Lösung. Der städtische Bauamtmann Löwel legt 1889 ein Projekt eines Zentralfriedhofes als Erweiterung des alten Auer Gottesackers vor; die Friedhofskommission versagt jedoch die Zustimmung. Mittlerweile mehren sich die Einwände gegen eine solche zentrale Anlage: gewaltige Ausdehnung im einen, zeitraubefübernde Ent fernung von den übrigen Stadtteilen, Gefahr der Abschnürung des Hinterlandes durch die gewaltige Ausdehnung der Friedhofs anlage — solche Gründe wurden mit Recht als hinderlich für Zentralfriedhöfe angeführt. Hans Grässel, der als Nachfolger des erkrankten Bauamtmanns Löwel den Tätigkeitsbereich der Friedhöfe übernommen hatte, schlägt nun die Anlage von vier Einzelfriedhöfen, nach den vier Himmelsrichtungen angeordnet, vor und erhält 1891 die Planbearbeitung dieser neuen Friedhofsanlagen übertragen.

Der Plan zur ersten neuen Friedhofsanlage und ihrer Gebäude im Osten der Stadt München entstand 1891—1894. Hans Grässel konnte sich dabei auf keine ähnlichen brauchbaren Aus führungen stützen und sich keine anderen Erfahrungen zunutze machen als die Summe der ein zelnen Bestattungsergebnisse, die im Laufe der Zeit in München aufgetreten waren. Heimat und Ausland besaßen nur Gegenbeispiele. Die in Genua und Mailand errichteten großen Friedhofs anlagen sind nur Gruftbauten, keine Friedhofsgebäude mit sanitären Einrichtungen für die Be handlung und Aufbahrung der Leichen, und die dortigen Gräberfelder nur öde Armenfriedhöfe ohne Geist und Stimmung. Der Pariser Friedhof ,,P£re-Lachaise“ konnte für deutsche Verhält nisse und germanischen Geschmack ebenfalls nicht in Betracht kommen und ebensowenig die amerikanischen und ähnlichen Anlagen. * Die Münchener städtischen Kollegien genehmigten einstimmig Plan und Ausführung des Grässelschen Projektes, und im Jahre 1900 waren die Gebäude des Ostfriedhofes fertiggestellt. Die Gräberanlagen wurden stückweise nach Bedarf angelegt und deren Ausführung erst 1912 abgeschlossen. Die im Plan von 1893 vorgesehenen vier monumentalen Arkadengrufthöfe im Ostteii der Friedhofsanlage wurden dabei weggelassen, da inzwischen die Münchener Bevölkerung diese Art der Bestattung nicht mehr, wie früher im alten südlichen Friedhof König Ludwigs l.» bevorzugte.

Der alte Auer Gottesacker im Osten der Stadt war auf dem bekannten Nockherberg im Jahre i8zi angelegt worden und hatte bis i8yi verschiedene Erweiterungen gefunden. An seiner Westseite, längs derTegernseer Landstraße, befand sich sein Eingang. In der Mitte dieses, wie üblich regelmäßig und gradlinig angelegten Friedhofs lag die alte bescheidene Kapelle mit dem städti schen Leichenhaus, ein schlichter kleiner Erdgeschoßbau in .klassizistischen Formen mit einem Glockentürmchen, aus dem wehmütiges, dünnes Grabgeläute die Beerdigung verkündete.

FneuaFür das erweiterte Friedhofsgelände wurde nun eine etwa achtfach größere Bodenfläche (zusammen 25 ha) zur Verfügung gestellt, und es ergab sich infolge des von Nord und Ost durch Bahneinschnitte, von West und Süd durch Straßenzüge in Trapezform begrenzten Gebietes eine zuerst nicht ganz einfache Lage des monumentalen Friedhofsgebäudes. Grassel stellte dieses an die Südwestecke des Trapezes, in seiner Breitenausdehnung parallel mit dem dort angelegten Martinsplatze und mit dem Hauptteil in die Achse der auf den Platz mündenden Severinstraße. Diese senkrecht zur Gebäudegruppe liegende Süd-Nord-Achse zerteilt nun das ganze Begräbnisfeld vermittels eines großartigen Platzes in einen Westteil mit dem alten Auer Gottesacker und einen Ostteil mit der Neuanlage.

Das Friedhofsgebäude selbst erhält im Grundriß eine doppelte Hufeisenform, so daß sich zwei dreiseitig geschlossene Vorhöfe ergeben. Das überragende Zentrum der Baugruppe bildet der aus dem Viereck erstehende und mit einer Laterne gekrönte Rundbau der Trauerversammlungs halle. Diese entwickelt sich aus dem gelagerten, zu beiden Seiten durch vorgesetzte Säulenhallen vertikal unterteilten Gebäudezug der Leichenhallen und erhält als monumental betonte Zugänge beiderseitig vorspringende große sechssäulige Vorhallen. Die Flügelbauten, der beiden Vorhöfe verbinden den Längsbau der Leichenhallen an der gegen den Martinsplatz liegen den Seite mit zwei symmetrischen Eckbauten, welche die Räume für die Friedhofsverwaltung und die Dienstwohnungen enthalten, gegen die Friedhofsseite liegen weitere Leichenaufbahrungs räume und ebenfalls Wohnungen für Bedienstete. An diese Flügelbauten schließen sich endlich die beiden von Mauern umschlossenen Wirtschaftshöfe an, mit ihren Pflanzenhäusern, Geräte hallen, Verbrennungsofen, Leichenträgerräumen und Bad.

Die architektonische Wirkung dieser so entwickelten Gebäudegruppe ist außerordentlich und fand vor Anlage der weiteren Friedhofsbauten Hans Grassels nicht ihresgleichen. Groß zügigste Auffassung, bewußte Strenge und erhabene Ruhe sind ihre Hauptmerkmale. Das mit größter Sorgfalt verteilte Grün von Büschen und Baumgruppen in den Vorhöfen und Höfen steht in wirksamstem Gegensatz zu der sachlichen Herbheit und Monumentalität, mit der die auf ein graues Weiß abgetönten Gebäude in ihrer abgeklärten Formensprache auftreten.

Drei Eichentore mit Bogenfensterabschluß führen von dem Vorhof an der Straße durch die Säulenvorhalle zunächst in einen kleinen Vorraum mit der Treppe zur verdeckten Musiker empöre, sodann durch das hohe Mittelportal in die Trauerversammlungshalle.

Eine weite Rotunde voll Ewigkeitsstimmung nimmt uns auf. Ein musikalischer Klang süßester Farbenharmonien umfängt den Geist. Unsere Seele schwingt sich, von unbekannten Mächten getragen, in traumhafter Verklärung aufwärts und erfaßt die unerhört großartige Geistigkeit dieser Raumschöpfung als stärkstes Erlebnis. Holdseliges Erblühen matter Goldfunken, märchenhaft stilles Aufleuchten farbiger Flächen aus geometrisch strengen Formelementen gibt ihr Flügelschlag und unbewußte, verträumende Richtung nach dem Ideenkreis des Gemäldes, das der Kuppel ganzes oberes Rund über einem breiten, von Spiralengerank durchzogenen Fries umzieht. Fast orientalisch anmutender Farbenprunk ist hier in frühchristlichem Rhythmus ge bannt und von weichfarbigem Licht aus dem Zenit der Kuppel zu übersinnlichem Leben erweckt. Und wie eine neue Offenbarung erwächst in uns der Sinn des Hebräertextes, der dem Gemälde von Joseph Guntermann zugrunde gelegt ist: ,,Ihr aber seid hingetreten zum Berge Sion, zur Stadt des lebendigen Gottes, zum himmlischen Jerusalem, zu der Menge vieler tausend Engel, zu Gott, dem Richter aller, zu den Geistern der Gerechten, und zu Jesus, dem Mittler des neuen Bundes.

Erst allmählich, und nur bei geschlossenen Türen, durch welche erst die richtige Lichtwirkung und Ruhe verbürgt werden, erfassen wir im einzelnen die gewaltige Leistung dieser Raumgliederung, erwägen wir nach der Gesamtwirkung die Feinheit der Einzelheiten, der Ab messungen von Tiefe und Höhe des Kuppelbaues. Die im Lichtmaß zo m weite und 25 m hohe Rotunde wird in den Ecken des zugrunde liegenden Quadrates vertieft durch doppelte halbkreis förmige Bogennischen für die Aussegnung der Toten vor ihrer Bestattung. In den vier Achsen mitten öffnen sich marmorgerahmte vergoldete Metalltüren mit bildlichen Darstellungen, deren Umrisse mit dem Stichel leicht ins Metall punktiert (gebunzt) und auf dem grünpatinierten Grund goldflächig ausgelegt sind.

Durch Vorräume betritt man in Richtung der Längsachse der Gebäudegruppe auf beiden Seiten die Hallen für die Leichenaufbahrung. Für diese Leichenhallen ergab sich aus dem Zweckbedürfnis heraus ein basilikaler Querschnitt mit erhöhtem Mittelschiff über dem be gleitenden System der offenen Hallen mit ihren je einundzwanzig kannelierten dorischen Säulen nach der Straße und den je neunzehn rundbogig überspannten glatten Säulen längs des Friedhofs, In den Mittelachsen der Säulenabstände sind die Bogenfenster zur Beleuchtung der Besichtigungs gänge und über den Bogengängen die segmentförmig gebildeten, hoch gelagerten Fenster zur Be lichtung der Leichenhallen angeordnet. Der eigentliche Aufbahrungsraum für die Leichen ist ringsum vollständig isoliert und wird durch hier erstmals ausgeführte, weitgehende technische Anlagen auf einer gleichmäßigen Temperatur erhalten. Nach Wunsch der Hinterbliebenen ge schieht die Aufbahrung der Leichen öffentlich oder nur den Angehörigen zugängig und gleich mäßig für alle Bevölkerungsschichten in Steinuntersärgen, die von Blumen- und Lichteranord nungen umschlossen sind. Aus. den hochliegenden Lichtquellen und den seitlichen Bogenfenstern strömt weiches gelbes Licht und taucht auch diese Räume, die so leicht den Charakter starrer Totenruhe tragen könnten, in die Stimmung eines abgeklärten Friedens, der dem Tod die Schrecken nimmt und das Erlösende gibt.

Der Friedhofsbetrieb vollzieht sich vom Publikum unbemerkt in den rückwärtigen Ver bindungsgängen und in den beiden großen Wirtschaftshöfen zu beiden Seiten der Querflügel. Busch- und Baumanlagen beruhigen alles Betriebsmäßige auch bei den niederen Nutzbauten in den Höfen, die trotz ihrer reinen Zweckmäßigkeit künstlerisch vornehm wirken.

Attischer Frieden liegt über dem Schmuckhof zwischen den Säulenhallen gegen den Friedhof. Niedrige Springquellen plätschern in den breiten Wasserbecken zwischen grünen Rasen flächen und skandieren den Rhythmus von Ruhe und Kraft. Von hier aus schreiten wir an zwei von Grassel erbauten flankierenden Mausoleen vorbei hinab in das tiefer liegende, von einer monu mentalen Kreuztragungsgruppe abgeschlossene, durch Vasen und Urnenpfeiler belebte groß artige Forum mit seinem stärker erklingenden Farbenspiel grüner Pflanzungen und blühender Gewächse und erfassen die Gliederung des anschließenden weiten Friedhofsgeländes in Gräber felder, die auf geometrischem Grundriß zwischen hellen Kieswegen angelegt sind. Durch gleich artige Heckenbepflanzung ergeben sich Rückwände, vor denen sich die Grabmale in künstlerischer und technischer Vollendung erheben. In diesem neuen Friedhofsteil beängstigt keine Überfülle der Grabsteine. Immer nur einige breite, gelagerte Gräberfelder treten in den Gesichtskreis; alles überschattendes und überziehendes Grün mildert und versöhnt die kalte Totenwirklichkeit unserer Umgebung. Selbst die engherzige und rahmenumschlossene Dutzendromantik im alten Friedhofs teil ist so sehr unter Baumschmuck und Pflanzengrün gestellt, daß wir sie nicht mehr so kultur widrig und gefühlverletzend empfinden, wie sie ohne diesen Schmuck wäre. Und so verlassen wir daher stets diesen östlichen Friedhof der Stadt München mit der Empfindung eines starken, er hebenden Gesamteindrucks.

Während der Ausführungsarbeiten des Ostfriedhofes erhielt Hans Grässel 1895 den Auftrag zu einem weiteren städtischen Friedhof im Norden der Stadt, unterhalb Schwabing; 1897 zum west lichen Friedhof bei Moosach, 1904 zum Waldfriedhof im Süden der Stadt bei Holzapfelskreuth, und 1906 zu einem israelitischen Friedhof. Neben Entwurf und Ausführung dieser Friedhofsanlagen errichtete Grässel fast gleichzeitig in nicht erlahmender Kraft für die Stadt München noch Schul bauten, Stiftungsgebäude, Verwaltungsbauten und Wohnhäuser, und diese alle in höchster tech nischer und künstlerischer Vollendung um die Summe von rund 15 000 000 Mark. Die Kosten der Friedhofsanlagen betrugen 5% Millionen Mark; 2032800 für die Gebäude-und Gräberanlage des Ostfriedhofes, 1 078667 Mark für die des Nordfriedhofes, 1 119 932 Mark für die des Westfried hofes und 854 400 Mark für die des Waldfriedhofes. Das Gebäude des israelitischen Friedhofes kostete 170 000 Mark. Die große Arbeitsleistung des Architekten kann schon an diesen Bau summen ermessen werden. Dazu kommt die Vielgestaltigkeit der Bauaufgaben. In kaum zwanzig Jahren leistete Hans Grässel diese Arbeit.

Um so größer muß das bewundernde Interesse sein, mit dem wir an die Betrachtung seiner weiteren Friedhofsanlagen gehen.

Geschichte

  • Eröffnung des Ostfriedhofes

    Der Friedhof wurde sei 1894 geplant.

  • Der Stadtrat genehmigt ein Denkmal für Kurt Eisner und den Toten der Revolution

  • Enthüllung des Denkmal „Den Toten der Revolution“

  • Das Krematoriums im Ostfriedhof wird eröffnet

  • Einäscherung der NS-Hauptkriegsverbrechern im Ostfriedhof

  • Wiedereröffnung der Kaskaden



Literatur

Bilder