Englischer Garten

Zauner - München in Kunst und Geschichte (1914)

Zurück

Englischer Garten. Kurfürst Karl Theodor ließ ihn 1799—1803, hauptsächlich auf Betreiben des Grafen Rumford, vom Hofgartenintendanten Shell und von Freiherrn von Werneck auf dem Platz des früheren stundenlangen, aber sumpfigen Hirschgartens anlegen; daher die Inschrift König Ludwigs I. auf der Exedra (einem halbkreisförmigen Marmorsitz nach pompejanisehem Vorbild): „Hier, wo ihr wallet, war Wald nur und Sumpf!“ Aus jener Periode des Klassizismus, in der sich Rousseau’s Natursympathie mit der Begeisterung für die Reinheit antiker Formen paarte, steht als Stimmungseinleitung für den, der den Park vom Hofgartentor aus besuchen will, der sogen. „Harmlos“, von F. Schwanthaler (dem Aelteren) 1803 im Stil der Torwaldsen-Schule gearbeitet (vom Volksmund getauft nach dem Anfangswort der begleitenden Inschrift); der in etwas leeren Formen modellierte Knabe steht fast nur wie zufällig an dieser Stelle; seiner Idee nach gehört er in das Gebüsch an den wirklichen Anfang des Parkes, dessen Genuß er einleiten soll, — ein sprechendes Beispiel für das architektonische Problem der Ueberführung eines Straßenzuges in den Park.

Uebrigens ist dieser Park der erste in Deutschland, der, obwohl er von einem Fürsten auf fürstlichem Terrain angelegt wurde, von vornherein als öffentlicher Park zum Wohl der Bevölkerung dienen sollte — wohl die Folge einer Anregung des demokratischen Amerikaners Rumford. Der Park selbst zieht sich 5 km weit isarabwärts bis zum „Aumeister“ in der Hirschau bei Oberföliring, einem Forsthaus mit vielbesuchter Wirtschaft. Wie schon sein Name sagt, ist er im „englischen Stil“ angelegt, wobei die jüngste unter den Sprößlingen der freien Künste, die Gartenkunst, frei und groß gewaltet hat. Durch das englische Naturgefühl, das die zwanglose Anpassung an Klima, Boden und Baumwuchs forderte, waren die strengen geometrischen Prinzipien der französisch-italienischen Gartenkunst (z. B in Schleißheim) überwunden worden. Die Idee des „Parkes“ entstand im Gegensatz zum „Schloßgarten“ mit seinem ausgezirkelten Blumenparterre, seinen symmetrischen Laubgängen und geschnittenen Taxuswänden; jetzt wurde die Natur sich selbst überlassen, und sie hatte die ordnende und korrigierende Hand des Gartenkünstlers nur insofern zu dulden, als die Schönheit des Landschaftsbildes es unbedingt verlangte. München war es, wo zuerst in Süddeutschland das nicht wieder erreichte Beispiel eines groß und weit ausgedehnten Naturparkes entstand, dessen grüne Wiesenflächen und prachtvollen Baumgruppen eine ästhetische Befriedigung von unbegrenzter Dauer und lebensfrischer Ursprünglichkeit gewähren und wohl noch einmal 100 Jahre bewahren werden, nachdem sie schon ein Säkulum lang gleich einem Jungbrunnen von unerschöpflicher Kraft und immer neuer Ausschmückung von den Münchnern bewundert und genossen worden sind. Ludwig von Shell (1750—1825) hatte in Schwetzingen, Bruchsal und Zweibrücken seine Schule durchgemacht und ist für die Einführung des landschaftlichen Gartens in Deutschland von Bedeutung geworden; ein Aufenthalt in England mit Unterstützung des Kurfürsten hatte ihm ermöglicht, dort die Werke von Kent, Brown und Bridgeman zu studieren, vor allem aber die des weitgereisten Architekten Chambers, der eben die Gärten von Kew vollendet und sein berühmtes Werk „Oriental Gardening“ herausgegeben hatte. Stets hat echtes Künstlerblut in Skell geschlummert, das ihn durchaus nicht immer sklavisch den Vorschriften der pedantischen Engländer folgen, sondern sein eigenes Schönheitsempfinden obenan stellen ließ.

Die Gebäude des Englischen Gartens sind deutlich von Kew beeinflußt; der behäbige, aber elegant konstruierte Chinesische Turm aus 1791 (vermutlich von Kriegsrat Joseph Frey) ist eine freie Nachbildung der „Pagode“ des Chambers (zugleich schönes altes Beispiel eines Musik- und Aussichtpavillons), und der hübsche Rumford-Saal — ursprünglich ein Etablissement für vornehme Feste und Reunionen, jetzt benützt für die Polizeiwache — verrät wie die meisten vom Hofkriegsrat Joh. B. Lechner ausgeführten Gebäude deutlich seine Herkunft vom englischen Palladianismus [BAJ 188]. Das versteckt liegende Rumford-Monument von Franz Schwanthaler sei aus den ursprünglichen Monumenten eigens erwähnt.

In der Nähe des Brunnenhauses, dessen Maschine die beiden Springbrunnen am Universitätsplatz treibt, stürzt plötzlich ein Wasserfall am Rande eines breiten malerischen Felsblocks nieder; von hier aus prächtiger Blick auf den Monopteros, ein Ehrendenkmal für die Stifter und Förderer des Parks, Karl Theodor und Max I. (mit diesem archäologischen Namen bezeichnete Vitruv jene Rundtempel, die lediglich aus einem Säulenkranz bestehen, der ohne Zellenzylinder die Bedachung trägt); der Bau, 1830 von Klenze im jonischen Stil errichtet, weist auf 3 Steinstufen ein offenes Rund von 10 jonischen, aber unkannelierten Säulen, dreiteiligen Architrav, glatten Fries, Kranzgesims und ein flaches Kuppeldach, das im Anschluß ans choragische Monument des Lysikrates in Athen gebildet ist; in der Mitte ein Denkstein mit der Widmung Ludwig I.

Am nördlichen Ende liegt der „Kleinhesseloher See, benannt nach einer ehedem dort liegenden Ortschaft; der aus dem Sumpf entwickelte Teich entspricht allen Anforderungen: drei reizende Inselchen namentlich mit schönen Buchenbeständen, eine mannigfaltige Uferentwicklung und zahlreiche überraschende Perspektiven; in der Nähe ein Monument Skells und des Freiherrn von Werneck, des eigentlichen Schöpfers des Sees [B 06, BAJ, Rb],

Zauner - München in Kunst und Geschichte (1914)