Residenz, Königliche

Zauner - München in Kunst und Geschichte (1914)

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Residenz, Königliche. Residenzstr. 1.

Baugeschichte. Die Residenz in München ist heutzutage fast ein ganzes Quartier. Das war nicht immer so, sondern der alten kleinen Stadt entsprechend hat es anfänglich auch nur einen kleinen Fürstenhof gegeben, den heute noch unter dem Namen „Alter Hof“ bestehenden Gebäudekomplex an der Burgstraße. Aber dieser „Alte Hof“, der ringsum von der Stadt und deren Mauer umgeben war, wurde noch im Mittelalter verlassen — hauptsächlich wegen der Bürgerunruhen von 1384 — und schon 1385 durch einen andern Residenzbau, die „Neue Feste“ ergänzt, die an die Nordwestecke der Stadt verlegt (in den „Greymoltswinkel“ der Graggenau), an jeder Ecke des quadratischen Hofes durch einen Wehrturm geschützt und extra noch mit einem breiten Wassergraben umzogen wurde, über den dann eine eigene Schlagbrücke direkt ins Freie führte. Noch 1701 (vgl. den Stich von Wening) war der ganze Komplex im wresentlichen vorhanden, ist jedoch 1729 durch einen Brand bis auf den nordwestlichen Wehrturm, den sogen. Christophturm’) zerstört worden. Dieser Christophturm, an der Ecke gegen das Armeemuseum gelegen, tritt auf dem Stich Wenings besonders markant hervor. Neben ihm zeigt sich der schmale Bau der Georgskapelle; daran anstoßend der Georgssaal (am jetzigen Marstallplatz) 1540 unter Wilhelm IV. durch Leonhard Haider im gotischen Stil erbaut, jedoch schon 1559—62 unter Albrecht V. durch Wilhelm Egkl in einen Prunksaal im Geiste der Renaissance umgewandelt, der das uneingeschränkte Lob aller zeitgenössischen Schriftsteller fand, und uns noch auf einer Miniatur des Hans Mielich zu den Motetten des Cyprian da Bore (Staatsbibliothek) im Bilde erhalten ist. Noch zeigt der Stich in der Mitte dieser Ostfront jene Terrasse auf dem Dach des Georgssales, von der man die brillante Aussicht auf den vielfach geschlängelten Lauf der Isar und auf den Hirschgarten rühmte. Darauf folgt — als Gegenüber zum Christophturm — der turmartige Bau mit „Runden Stube“. Die Fortifikation im Norden und Osten drängte den Herzog, als er sich für seine kostbaren gesammelten Kunstschätze 1559 eine eigene Kunstkammer von Egkl bauen ließ, mit diesem Bau gegen die Süd Westseite, also der Stadt zu; die völlig veränderten politischen Verhältnisse zwischen Stadt und Fürst gestatteten jetzt nämlich an dieser Seite die Offenlassung des Burgzwingers; dann wurde 1570 zwischen Burg und Kunstkammer, parallel zu letzterer, der sogen. Hirschgang als offene Bogenhalle erbaut und mit der Kunstkammer durch seitliche Anschlüsse verbunden: so wurde damals schon der Brunnenhof in seiner jetzigen Achteckform festgelegt. Die Verbindung des „Hirschganges“ mit der „Neu-Feste“ wurde, wie Sandtners Modell zeigt, durch ein Ballhaus“ und einen „Küchenstock“ hergestellt. Wilhelm V. führte 1580 im Südwesteck an der Residenzstraße für die Witwe Maria Anna des Herzogs Albrecht V. einen besonderen Stock als Witwensitz auf, der 1667 von Kurf. Ferdinand Maria mit dem eigentlichen Residenzbau völlig verbunden wurde und von dem sich ein dreiachsiger Rest mit seiner eigentümlichen Fenstereinteilung, seinem etwas niedrigeren Dach, namentlich aber mit seiner auffallenden Fassadenbemalung, (von K. Amort) deutlich von der spätem maximilianischen Residenzfassade abhebt, für deren Fluchtlinie er maßgebend wurde; der andere Teil wurde 1826 in den Königsbau einbezogen. Wilhelm ließ alsdann 1581 durch Sustris die „Kunstkammer“ Albrechts V. in einen festlich geschmückten Gartensaal — das heutige „Antiquarium“ — umbauen, wobei die Kunstsammlung im Obergeschoß des alten Marstalls (jetzt Münzgebäudes) und die Bibliothek — der Kern unserer Kgl. Staatsbibliothek — im Alten Hof untergebracht wurde, der damals mit dem jetzigen „Schwarzen Saal“ der Residenz durch einen besondern Gang verbunden war. Die Räume des ersten Stocks (der ehemaligen Bibliothek) sind indes heute nicht mehr dieselben, sondern haben 1746 als „Kurfürstenzimmer“ eine Rokokodekoration erhalten.

An der Südseite des Antiquariums wurde gleichzeitig nach den Plänen Sustris der alte Residenzgarten angelegt, der eine verschwenderische Ausstattung mit Marmor- und Bronzewerken (Teile davon sind die „Bavaria“ im Hofgarten, die Plastiken im Brunnenhof u. s. w.) erhielt, aber im 18. Jahrh. von Neubauten und schließlich 1829 vom „Königsbau“ fast gänzlich aufgezehrt wurde. 1588 ließ Wilhelm V. für seine persönliche Wohnung angrenzend an diesen Residenzgarten um den jetzigen Grottenhof den sogen. Grottenhoftrakt erbauen. Wilhelms Nachfolger Kurfürst Maximilian I. führte zunächst 1597—1603 die Entwürfe seines Vaters aus, indem er den Südtrakt des Grottenhof für die neuen Wohngemächer des Herzogs erweiterte, im Anschluß an den Witwenstock gegen Westen die Wohnung der Herzogin (die „Herzoginzimmer“, jetzt Staatsratszimmer und Hartschiersaal) erbaute, 1603 zwischen dieser und dem Grottenhoftrakt die Hofkapelle einfügte, davor späterhin ein Gartenzimmer am Grottenhof zur „Reichen Kapelle“ umwandelte und zum herzoglichen Oratorium bestimmte, und endlich diesen Kapellenhof gegen Norden durch den „Hofdamenstock“ abschloß, der den Jesuiten- oder Gontrafeitgang und das ehemalige „Winthaus“ Albrechts V. (später zum „Herkulessaal“ umgebaut) umfaßte und dessen Nordostecke endlich durch den Uhrturm ausgezeichnet wurde. Von etwa 1603—11 ruhten die eigentlichen Bauvornahmen, und es ging jedenfalls die Innenausstattung der neuen Räume vor sich. Mittlerweile hatte Maximilian auch die ganze Ostseite der Residenzstraße angekauft, und 1611—19 entsteht an der Residenzstraße der große „Kaiserhof“, ein regelmäßiges Quadrat mit breiten Korridoren, prächtigen Treppen und geräumigen Wohn- und Festräumen. Gleichzeitig wird ein Teil der Neu-Feste abgetragen und diese selbst mit dem Kaiserhof durch 2 gangartige Flügel (südlich durch den „Charlottengang“, nördlich durch den neuen „Hirschgang“ der in den „Hirschgarten“ führte) verbunden, so daß gegen den Hofgarten bezw. Marstallplatz ein noch größerer, länglich-rechteckiger Hof entsteht, der „Küchen-oder Apothekenhof“ (hier wurden nämlich die Küchenräume und die Hofapotheke eingerichtet); 1614 werden die 2 Portale an der Residenzstraße mit der Madonna und 1613—15 der jetzige Hofgarten angelegt.

Bauleiter für die Zeit 1611–19 war wahrscheinlich teter Candid; daneben werden H. Reiffenstuel und Hanns Krümper, der Tochtermann des Sustris, genannt. „Mit den mittelalterlichen Burgen und Schlössern hat diese maximilianische Residenz nichts mehr zu schaffen: sie ist in ihrer Gesamtanlage und Fassadengliederung durchaus nach den (damals) modernen Prinzipien der Renaissanceschlösser gebaut — und sie blieb auf Jahrhunderte hinaus der großartigste Schloßbau Deutschlands! Der Burgherr des Mittelalters fühlte sich, weil die Hauptrücksicht immer der militärischen und fortifikatorischen Sicherung der Burg galt, in den dicken Türmen mit den engen Schießschartenfenstem am wohlsten — weil er hier am sichersten war. Maximilian aber führte auf dem großen, für die Verhältnisse innerhalb der Stadtmauer sogar ungeheueren Terrain einen Bauplan durch, der die stolze, unbekümmerte Sicherheit eines Grandseigneurs dokumentiert. Schon nach außen hin stellt sich der Bau als eine grandiose Einheit dar: die sämtlichen Fronten, ebenso die Hofseiten sind mit einer einzigen Pilasterordnung bekleidet (es war nicht das erstemal, daß die Architekten ihre Fassaden in nur einer Ordnung komponierten und die übliche Trias der dorischen, jonischen und korinthischen Säulenordnung als ein kleinliches Motiv verwarfen: Michelangelo hatte auf dem Kapitol diese grandiose Neuerung schon vor einem halben Jahrhundert eingeführt — aber bei uns im Norden war diese Erfindung der ihre Mittel immer mehr vereinfachenden und die Wirkung steigernden Bauphantasie bis dahin noch nicht angewendet worden). Allerdings ist die Fassade nicht in Haustein durchgeführt, der unbedingt das eigentliche fürstliche Baumaterial gewesen wäre, sondern ist nur bemalt: die alte Tradition der Münchner Fassadenmalereien indessen, die an oberitalienischen Palazzi und tirolischen Schlössern ebenfalls häufig sind, legitimierten diesen Ersatz auch bei einem Residenzbau, da der Stein in München offenbar zu kostspielig geworden wäre [W 98]“.

In scharfem Gegensatz zum kräftigen, strengen Stil der maximilianischen Renaissance wurde unter Kurfürst Ferdinand Maria (1651—79), dessen Gemahlin die prachtliebende Adelheid Henriette von Savoyen war, die am prunkstrotzenden Hof zu Turin herangewachsen war, der Barock der italienischen Palastarchitektirr maßgebend; denn mit ihr, die auf die Kunstrichtung am bayerischen Hof einen viel energischeren Einfluß ausgeübt als ihr zurückhaltender Gatte, zog zugleich eine große Schar italienischer Hofleute und Hofkünstler aller Art in München ein (von den Zimmerfluchten aus dieser Zeit haben sich indes nur 2 der „Reichen Zimmer“ und die sogen. „Päpstlichen Zimmer“ bis auf uns erhalten). Die Lücke zwischen der Maximiliansresidenz und dem Witwensitz aus der Zeit Wilhelms V. wurde durch einen kleinen Neubau mit dem Audienzsaal, dem sogen. Goldenen Saal, ausgefüllt; im Witwenstock errichtete Adelheid ihrem Schwiegervater Maximilian eine „Ehrengalerie“, und als südlicher Abschluß des Residenzgartens wurde ein schmaler, mit einer Altane gedeckter Trakt erbaut mit dem Liebeszimmer, dem Bosenzimmer und der Bibliothek der Kurfürstin (Fassadenbemalung von K. Amort).

Der Brand vom 9./10. April 1674, der im Hofdamenstock ausbrach und den Westtrakt ergriff (nach Norden bis zum Schwabingertor, nach Süden bis zu den Zimmern der Kurfürstin), beschädigte nur den Dachstuhl und das obere Mezzaningeschoß, verschonte jedoch das Hauptgeschoß. Trotzdem zogen sich die Wiederherstellungs- arbeiten bis in die Regierungszeit des Kurfürsten Max Emanuel (1679 bis 1726) hinein, wobei die Leitung gleichfalls wieder=3nem Italiener übertragen war, nämlich Enrico Zuceali. Dieser stattete auch die „Sommerzimmer“ im schweren italienischen Barock aus. Gleichzeitig wurde die Süd- und Nordfassade des Grottenhofes verändert und an den Schmalseiten des Brunnenhofes je ein Stockwerk und der Giebel draufgesetzt. Eine Ansicht des Residenzbaues aus dieser Zeit gibt uns Michael Wening in seiner „Topographia Bavariae“ 1701. Der spanische Erbfolgekrieg 1704 bis 1714 unterbrach die Bautätigkeit. Nach der Rückkehr des Kurfürsten aus der Verbannung in Frankreich 1714 zog mit seinem neuen Hofbaumeister, dem jungen Joseph Effner (den Max Emanuel auf seine Kosten in Italien und in Paris (bei Robert de Cotte) hatte ausbilden lassen, „das französische Frührokoko nach Art des Jean Berain und Daniel Marot bei Hofe ein — wobei eine ganz eigene süddeutsche Abart der französischen Dekorationsformen sich entwickelte [BAJ 122]“. Dies geschah hauptsächlich dadurch, daß „Pariser Meister verschrieben wurden, die mit bayerischen Hilfskräften arbeiten mußten [Aufleger-Schmid, 8.21]“. Auf diese Weise wurde bis 1729 die Neuausschmückung der Räume lim Parterre und Obergeschoß des Südtraktes am Grottenhof fertiggestellt.

Leider brach im selben Jahr am 14. Dezember dortselbst wieder Feuer aus, das 4 dieser soeben von Effner eingerichteten Räume (damit auch die berühmte „Himmelfahrt Mariä“ von Albrecht Dürer und ein herrliches Madonnenbild Raffaels) zerstörte. Die Neueinrichtung der beschädigten Räume begann bereits im Januar 1730, jedoch nicht mehr unter Leitung des barockisierenden Effners, sondern unter Francois Cuvillies, eines ehemaligen Pagen Max Emanuels, den dieser am Pariser Hof erziehen und 1720/21 an der Pariser Akademie unter Blondei „im vollendeten Pariser Rokoko, wie es Meissonier und Oppenordt gleichzeitig in Frankreich als letzte Mode brachten [BAJ 123]“, ausbilden hatte lassen. So entstand bis 1737 in den neuen Räumen der Reichen Zimmer die Prachtausstattung des Wohnzimmers und Schlafzimmers, des Spiegel- und Miniaturenkabinetts und die Grüne Galerie.

Auf Karl Albrecht folgte schon 1745 sein Sohn Mai III. /Dieser verlegte seine Wohnung in die Zimmer oberhalb des Antiquariums, die hierzu vom Hofbaumeister J. Gunezrhainer 1746—48 umgebaut wurden (Entwürfe zu ihrer Rokokoausstattung vielleicht von Cuvillies [Aufleger-Schmid]), jetzt „Kurfürstenzimmer“ genannt. Am 5. März 1750 zerstörte ein neues Brandunglück die alte „Neu-Feste“ und griff auch die beiden Verbindungstrakte, den Hirsch- und Charlottengang an, welch letztere jedoch neu eingedeckt werden konnten und bis auf König Ludwig I. bewohnt blieben. Auch wurde ein großzügiges Projekt erwogen: an Stelle der alten Neu-Feste einen neuen Trakt mit Mittelpavillon und Seitenflügeln zu errichten (Modell hierzu mit Fassaden im Louis XVI.-Stil von Cuvillies heute noch vorhanden), desgleichen die Nordseite (zum Hofgarten) einheitlich zu gliedern) — der Plan blieb jedoch unausgeführt. Dagegen wurde im Anschluß an die Grüne Galerie nach Cuvillies Plänen 1764 ein Speisesaal errichtet (dem die erst 1735 entstandene neue Prachttreppe weichen mußte, ferner das ovale Spiegel- oder Holländische Kabinett Max Emanuels 1757 als Cäcilienkapelle eingerichtet und — als bedeutendstes Monumentalwerk — 1751—53 das Residenztheater erbaut. Des kinderlosen Karl Theodors (1777—99) Nachfolger Kurfürst Max IV. 1799—1825 (als Bayerns erster König 1803 Max Joseph I.) aus der Linie Zweibrücken des Hauses Wittelsbach verlegte seine Wohnung in den Nordwestteil der Residenz, wobei der Kaisersaaltrakt Maximilians I. durch Teilung in 2 Geschosse in die sogen. Hofgartenzimmer umgewandelt wurde.

Nun folgte auf dem Wittelsbacher Thron der große Mäcen Ludwig I. 1825—48 (gestorben 1868). Seinem klassischen Geschmack konnten die alten Räume der Residenz mit ihrer Ausstattung im Barock und Rokoko nicht genügen. Durch die Niederlegung des alten Riedler-Regelhauses (Nonnenkloster) und des alten Franziskanerklosters wurde im Süden ein großer Platz frei für den imposanten Königsbau, von Klenze 1826—35 im italienischen Frührenaissancestil erbaut, sowie für das Hoftheater. An der durch den Brand von 1850 stark beschädigten Ost- und Nordseite der Residenz entstand 1832—42 der prächtige Festsaalbau, gleichfalls von Klenze. jedoch in der äußern Disposition in Anlehnung an das Modell Cuvillies (Aufleger-Schmid); die Stelle des alten Georgsaalbaues aber nahm der Trakt mit der Festsaalbautreppe und der sich anschließenden Hofapotheke ein. (Ueber die „Allerheiligenhofkirche“ siehe dortselbst.) Eine „sumptuoseAusstattung im Stile Ludwigs XIV.“ erfuhr die Residenz durch Adaptierung des nördlichen Pavillons zu Wohnräumen für König Ludwig II., durch gleichzeitigen Aufbau der Tonnenbedachung eines eigenen Wintergartens für Ludwig II. am nordwestlichen Flügel und durch Wiederherstellung architektonischer Dekorationen aus der Zeit des Kurf. Maximilian I.

I. Beschreibung der Westfassade und der Höfe.

Westfassade an der Residenzstraße aus 1613—16, bestimmt zur Maskierung der hinter ihr liegenden ungleichartigen Höfe und Bautrakte. Die Fassade ist zweigeschossig mit je einem Mezzanin über jedem Stockwerk und entwickelt eine Länge von 31 Achsen. Ihr architektonischer Schwerpunkt liegt in den beiden Portalen; jedes enthält eine große rundbogige Fahröffnung und für Fußgänger 2 Seitentüren; beide reichen noch hinauf bis ins 2. Geschoß, von dem sie in sehr wirksamer Weise je 1 Fenster miteinbeziehen. Kräftig genug profiliert, um für sich selbst zu wirken, sind sie mit ihrer Piiasterarchitektur (dorisch-römischen Stils), mit dem ruhigen Material des roten Marmors und der Bronze doch wieder so fein gehalten, daß sie nicht aus der graugrün getönten Fassadenmalerei herausfallen und die damals niedrigen und schlichten Häuser der Umgebung erdrückten. Beim linken Portal lagern auf den Giebelschrägen die Allegorien der „Prudentia“ und „Justitia“ (Klugheit und Gerechtigkeit), beim rechten „Fortitudo“ und „Temperantia“ (Tapferkeit und Mäßigung), Frauengestalten aus Bronze, die „in die zahlreiche Familie der Liegefiguren medizäischer Herkunft gehören, die Michelangelo für das Grabmal in S. Lorenzo zu Florenz geschaffen hatte und seitdem in der Grabdenkmalkunst, namentlich Roms, erscheinen als Ueberleitung aus der Horizontale der Basen zur Vertikalen des Sockels und später als Giebelfiguren auf der „Porta triumphalis“, und so nahm die Einfahrt zur kurfürstlichen Residenz ganz natürlicherweise diesen triumphatorischen Charakter an [W. 14]“. Aus ihnen spricht der wirklich große Geist dieser Periode. Man sagt solchen Werken nach, sie seien eine Barockarchitektur — und diese steht im Gerüche der Willkür. Allein innerhalb der Freiheit waltet hier eine künstlerische Notwendigkeit von allerhöchster Art. Hier könnte wirklich kein Akzent anders sitzen: Das Ganze hat jene Unverrückbarkeit der ganz großen Kunstwerke und ist — ohne bombastisch zu sein, ohne irgendwie mit pathetischer Gebärde auszuladen — im wahren Sinn der würdige Eingang zu dem Königshaus. Schmuckvoll wirken ferner die übrigen bronzenen Zierstücke: das verschlungene Monogramm des Kurfürsten Maximilian I. und seiner Gemahlin Elisabeth von Lothringen als Bekrönung des Ganzen, die zu beiden Seiten des einbezogenen Fensters herabhängenden Fruchtgehänge, die Metopen- und Zwickelfüllungen und die über den Seitentüren angebrachten mächtigen Wappen Bayerns und Lothringens, ersteres von Löwen, das andere von Greifen gehalten. Vor den Toren halten je 2 Bronzelöwen mit allegorienbesetzten Wappenschildern Wache, ursprünglich für das Mausoleum Wilhelms V. in der Michaelskirche bestimmt, schließlich hier den Eckpfeilern der ehemaligen Balustrade vor der Residenz aufgesetzt. Vor der Hanptwache steht ein Marmorbrunnen vom Ende des 18. Jahrh., ein sehr hübsches Stück des beginnenden zierlichen Naturalismus, der dem ernsten und manchmal pedantischen Klassizismus des 19. Jahrh. vorausgegangen ist. Beide Eingänge — Italien mit seiner strengen Achsengerechtigkeit ist auch hier der Lehrmeister [BAJ 105]“ — sind auf die Mitten der zwei ganz verschiedenen Höfe gerichtet, sind aber auch nach außen die Hauptmotive einer ganz symmetrischen Form, deren Mitte zudem noch durch die reiche Nische mit der Muttergottesstatue markiert wird als der Patrona Bavariae und mit der schönen Laterne fürs „Ewige Licht“ darunter. „Vergeblich wird man in Italien nach einem Seitenstück dieser Gruppe suchen: an dieser vornehmen Stelle der Fassade auf die Straße hinaus brachte der italienische Nobile sein Wappen an; die Herkunft des Motivs muß also wo anders gesucht werden: es geht zurück auf die alte einfache Bauernsitte des Hausbildes mit dem ewigen Licht in der Mauernische, das — mit Blumen und Reiser geschmückt — noch heute überall im Gebirge und auf dem Land gefunden wird; die bayerische Residenz macht sich den heimischen Brauch zu eigen und steigert die volkstümliche Schlichtheit des Holzbildes mit den Mitteln der großen Kunst [W 114]“; zudem war gerade „der Herrscher, der sich dieses Heim erbaut hatte, ein katholischer Fürst, der mutige und aufopferungsvolle Vorkämpfer in den Jahren des 30jährigen Krieges für den alten Väterglauben, den er mit unerbittlicher Strenge seinem Volk erhalten wissen wollte; und über der Statue, dem ersten Denkmal jener zartsinnigen Marienverehrung, der Maximilian später noch in der „Mariensäule“ einen so volkstümlichen Ausdruck gab, halten zwei Himmelsknaben den in seinem demütigen Gottvertrauen für den Fürsten so bezeichnenden Ausspruch: ,Sub tuum praesidium confugimus, sub quo securi laetique degi- mus‘ — etwa: Die sich Dir ergeben, in Sicherheit leben“ [Karl Trautmann in SB 02, 23 „Die Neubemalung der Fassade u. s. w.]“. Die Entwürfe übrigens zur Madonna wie zu den Erzstatuen über den Portalen stammen von Hans Krümper, der Guß selbst von Barth. Wenglein. Altbayerisch auch wie das Motiv des Hausbildes „erscheint uns — neben dem hochgiebeligen Preisendach, das über dem leichten, durchlaufenden Konsolengesims einsetzt, auch die Anwendung der Fassadenmalerei (im Frühbarock). Wie bekannt, war München schon während des Mittelalters ein bevorzugter Sitz dieser Behmuckart und in den Tagen der Renaissance weit berühmt wegen der farbigen Zier seiner Behausungen; was die hervorragenden Meister wie Hans Muelich, Bocksberger, Christoph Schwarz im 16. Jahrh. geschaffen, war die alte Art, die ihre buntbewegten Schlachtenszenen, Allegorien, Fürstenbilder und Grotesken mehr lustig und genial als organisch über die ganze Fläche hin verstreuet hatte. Aber gerade der Ambliek solcher Werke, die ja ihre tägliche Umgebung bildeten, mußte den Münchner Meistern der Residenz wohl die Ueberzeugung befestigen, daß jede freiere Gestaltung, jede vielfarbige Wirkung der Malerei den getragenen Ernst ihrer kolossalen Fronten unbedingt zerstören mußte. Und so entstand im bewußten Gegensatz zur hellen Freude an bunter Zier jenes gemalte Architekturgerüst, das gewiß eine der strengsten Fassadenmalereien darstellt, die jemals geschaffen wurden: aber neben der Wucht der Portale kann und will die Malerei nicht vollständig wirken; und so ist sie mit ihren durchgehenden Pilasterordnungen (dorisch-römischen Stils) in der Tat nichts weiter als das Ausklingen der dort angeschlagenen Akkorde über die ganze Fassade hin — und mehr war nicht gewollt [Trautmann, 1. c.]. Und abgesehen von dieser Scheinarchitektur liegt in der Front noch ein Anderes, sehr Bedeutendes: es ist der prachtvoll sprechende Rhythmus des Verhältnisses der Fenster und Portale als Maueröffnungen zum Geschlossenen der Mauerwand, das A und O aller Mauerwirkung und aller Architektur überhaupt, ein Rhythmus in den Folgen von großen und kleinen und noch einmal großen und kleinen Fenstern, in den Folgen der zwei Geschosse und der zwei Mezzanine, daß man sagen muß: es ist das Bedeutendste und Stärkste, das unmittelbarst Gegriffene in der ganzen Frontentwicklung der Residenz überhaupt. Das Nordportal der Westfassade führt in den Kaiserhof (1611—1616), einen imposanten quadratischen Hof, um dem sich breite Korridore, prächtige 'Heppen und geräumige Wohn- und Festräume gruppieren. Er wirkt besonders durch seine stimmungsvolle Fassaden- aekoration, die im Untergeschoß Doppelpilaster in dorisch-römischer, oben in korinthischer Ordnung weist, also deutlich kontrastiert zur Stimmung der Außenseite. Daran schließt sich gegen Osten der Apothekenhof aus der gleichen Zeit oblong und noch größer als der Kaiserhof, fast etwas unwirtlich. Seine Arkaden sind im pompejanischen Stil ausgemalt (der später von Ludwig I. auch für die Hofgartenarkaden aufgenommen wurde und selbst den am Max Josephplatz liegenden Portikus der Hauptpost als etwas zur Residenz Gehöriges anspricht.) Durch die Säulenhalle an der Südwestecke geht es in den diagonallaufenden Brunnenhof mit seinen abgestumpften Ecken, der nicht nur durch den Uhrturm und die eigentümlichen Volutengiebel an den Schmalwänden reich wirkt, sondern auch durch den Wittelsbacher Brunnen in der Mitte einen beson- dern Vorzug und auch seinen Namen bekommen hat. Der Brunnen selbst hat seinem Namen von der bronzenen Hauptfigur, die (jedoch wahrscheinlich zu Unrecht [BAJ 110]) als das Bild Herzog Ottos von Wittelsbach angesprochen wird; die denkmalartige Brunnengruppe — von der einzelne Stücke aus dem alten Residenzgarten, andere von einem Brunnen herrühren, den Herzog Ferdinand, der Bruder Wilhelms V., vor seinem Haus am Rindermarkt hatte aufstellen lassen [BAJ 1. c.] — hat gleich dem Augustusbrunnen in der Fuggerstadt Augsburg „sein Vorbild in der zahlreichen Familie der italienischen Brunnenwerke auf der Piazza“ : Gruppierung einer Anzahl von allegorischen und mythologischen Figuren um eine historische Hauptfigur. Auf einem Aufbau von 3 Stufen erhebt sich die Einfassung, deren längliche Form jener des Hofraums harmonisch entspricht; auf dem Rande lagern 4 Tritonen mit Urnen und anderm Beiwerk; darstellend die 4 großen bayerischen Flüsse Donau, Inn, Isar und Lech: schöne, muskulöse Gestalten in vorzüglicher Proportion. Die 4 andern Figuren personifizieren als Neptun, Vulkan, Juno und Ceres die 4 Elemente Wasser, Feuer, Luft und Erde. Es sind Werke Peter Candids von wunderbar weichen, meisterhaften Formen, bemerkenswert auch der eigenartige geschmackvolle Kopfputz der Frauen, auf den der Meister bekanntlich besondere Sorgfalt zu verwenden pflegte; charakteristisch ist auch hier, namentlich an einer der Frauen, die verhältnismäßige Kleinheit des Kopfes im Vergleich zur Gesamtfigur; dazwischen 4 kleinere Tiergruppen von je 2 miteinander kämpfenden Seeungeheuem — sämtliche Figuren aus Bronze. In der Mitte erhebt sich das hohe reichgeschmückte und architektonisch bedeutende Postament, mit wasserspeienden Delphinen und Masken geziert und am Sockel mit den Wappen von Bayern und Lothringen und den Monogrammen von Maximilian I. und Elisabeth. Das Ganze beherrscht von der Bronzefigur des geharnischten Ritters. — Im westlichen Ausgang der Christophstein mit den 3 Nägeln. Südlich durch eine Türe in den Grottenhof mit dem Grottenhoftrakt Wilhelms V. 1580—1590, eines der ersten Werke de Sustris in der Residenz und zugleich „die liebenswürdigste und intimste Schöpfung der ganzen Residenz: das erlesene „Kabinettsgärtlein“ mit kühler Muschelgrotte mit Säulenhallen und Terrassen für den eigensten Gebrauch des Fürsten und mit seinen Wohnräumen in engster Verbindung stehend. Er legt heute noch des Herzogs feinsinnigem Wesen, seinem Hang zu stiller Beschaulichkeit ein beredtes Zeugnis ab [BAJ 101]“.

Der östlichen Bogenhalle entsprach ursprünglich auf der Westseite eine ebensolche; des fernem waren auch auf der Nord- und Südseite Nischen mit antiken Figuren vorgesehen und über dem Südtrakt war eine künstlerisch ausgestattete Altane; die Süd- und Nordfront erhielt erst durch Cuvillies mit dem Neubau der „Reichen Zimmer“ nach dem Brand von 1729 die jetzige Gestalt. Von großem Reiz sind schon die Marmortürwandungen und ihre Bekrönung mit Marmorkartuschen. Die südliche, besonders schmuckvolle Seite öffnet sich jetzt in der einen Säulenhalle, deren dorisch-römische Marmorsäulen die Gleichzeitigkeit mit der Westfassade der Residenz sogleich verraten, gegen das Gärtchen; die Wandnischen enthalten barocke Kopien antiker Büsten. In der Mitte der Halle tritt das Grottenwerk von 1586 hervor, das die einspringende Ecke des dahinterliegenden Antiquariums maskiert; sein architektonischer Aufbau ist vielfach verkröpft, ganz mit Muscheln, Tropfsteinen, Korallen und Steinchen verziert (darunter Kristall, Amethyst, Malachit, Lapis lazuli u. s. w.) und ausgestattet mit halb stilisierten, halb naturalistischen Figuren, Vögeln, Fischen und Blumenkörben und bekrönt mit dem kurfürstlichen Wappen. Das Wasser ergoß sich in 3 Nischen, deren mittlere ein Tropfsteingewölbe trägt, während in den Seitennischen weibliche Halbfiguren sind, aus deren Brüsten einst auch Wasser sprang, Marmorschalen vor sich haltend; über dem ganzen schwebt ein Merkur aus vergoldeter Bronze, eine Kopie nach einer Statue des Gian da Bologna in der Florentiner Galerie. Von der dekorativen Ausstattung der Grottenhalle stammt von Paduanos Hand das große Gemälde der südlichen Schildwand: Athene, im Begriff, sich auf den Helikon zu begeben, um die durch den Hufschlag des Pegasus entstandene Quelle Hippokrene zu besichtigen; die beiden großen Ovaldeckenbilder der „Götterversammlungen“ sind der Mythe Paetons einzureihen. Von Peter Candid ist u. a. das nördliche Schildwandbild „Ariadne am Webstuhl“ und das östliche Lunettenbild: Juno setzt die Augen des enthaupteten Argus in den Schweif der Pfauen ein. Von Viviani sind die 3 übrigen Lunettenbilder: Merkur schläfert Argus ein, Merkur erblickt Herse tanzend, sodann Merkur und die Winde. In die Grotesken teilen sich Viviani und Ponzano.

Von Carl Pellago sind die Nischenbüsten, von Sustris der Grottenbrunnen mit dem Merkur und wahrscheinlich von Andre Weinhart die großen Figuren in den Wandnischen des Hofes. Die Grottenhalle als Ganzes mit ihrem häuslichen intimen Charakter „ist gedacht als die Stätte peripatetischer Gespräche des fürstlichen Schloßherrn mit den höchsten Herrschaften: daher die vornehme Ausstattung mit Büsten und Figuren, mit Mosaik und Gemälden, Apollo und Diana, Herkules und Mars, Amor, Pluto, Vulkan, Proserpina und Merkur — kurz dem ganzen Olymp. Das Prachtstück des Höfchens ist wohl der Perseusbrunnen mit der Bronzegruppe des Perseus und der Medusa von P. Candid 1583 (mit sichtlicher Anlehnung an Cellinis berühmtes Werk in der Loggia dei Lanzi in Florenz). Der Brunnen selbst zeigt die Kelch- Cantharusform: über einem steinern Bassin trägt ein zierlicher Bronzefuß eine maskenverzierte Bronzeschule, über der erst die Bronzegruppe steht. Ehedem waren noch 4 kleinere Brunnen im Grottenhof; davon stammen die noch hier befindlichen 8 Putten mit Wassertieren sowie die Figuren der 4 Jahreszeiten im Bayer. Nationalmuseum; die Modelle dieser Figuren schnitt der Münchner Goldschmied Georg Mair, den Guß besorgten Dionys Frey und Barth. Wenglein, der Künstler der Entwürfe dagegen ist unbekannt. So zeigt denn „diese reizendste Schöpfung Wilhelms des Frommen deutlicher noch als seine kirchlichen Bauten (Michaelskirche) auf italienische Muster, im besondern auf die florentinischen Brunnenhöfe. Damals war die phantastische Komik der Muschelfigur und der Tropfsteingrotte in Florenz gerade modern; in den Giardini Boboli ist dergleichen in größtem Umfang zu sehen; und keinen Palazzo gab es, der nicht hinter seiner trotzigen Steinfassade einen kleinen CortÜe mit rauschenden Magnolien und einer rieselnden Quelle — deren Fassung immer ein gutes Stück Florentiner Plastik war, versteckt hätte [W 91]“. Als Architektur betrachtet repräsentiert der Grottenhof in seiner Säulenhalle gegenüber dem älteren fast erdrückenden Münzhof — dem Werk eines einheimischen Meisters — die zierliche, sonnige Seite der bereits italieni- sierenden Renaissance, also den ausgesprochenen Gegensatz des rein nördlichen Empfindens zum südlich geschulten Empfinden. Vom Südportal der Westfassade geht es in den Kapellenhof, dessen Trakt errichtet ist von Reiffenstuel und dessen Stuckdekoration in den Hallen und Treppen gleich jene der Michaelskirche ausschließlich eine geometrische Felderteilung zeigt. Dahinter der Königsbauhof, begrenzt vom Königsbau Ludwigs I., vom Grottenhoftrakt mit den Päpstlichen und Reichen Zimmern (der hier noch die Spuren der Bemalung von Kaspar Amort zeigt) und von der Grünen Galerie, deren reizvoll dekorierte Fassade von Gu- villies stammt. Im Hofe einige Bronzefiguren aus dem ehemals hier errichteten alten Residenzgarten.

II. Beschreibung der Innenräume in den alten Teilen der Residenz.

A. Kapellenhof-Trakt. Silberkammer, vom Portal zum Kapellenhof aus rechts parterre. Stuckverzierung des Gewölbes noch vor 1600; zarte Durchbildung des Details und Gewölbeteilung noch in deutscher Art; in einem Raum Teilungsprofile sogar noch von der Form der gewundenen Reihungen der Spätgotik. Enthält einen reichen Schatz von Silbergeschirr und Porzellan. Hofkapelle „zu Ehren U. L. Frau von der unbefleckten Empfängnis“ 1000—03; Rechteck mit Apsis und Tribüne; an der Langseite dreigeschossige Logen. Wände und Tonnengewölbe 1614 von Castelli in Weiß stuckiert. Seit Erbauung der Allerheiligenhofkirche nur mehr bei den Georgiritterfesten, in der Karwoche und bei Trauerfeierlichkeiten benützt. Darüber die Reiche Kapelle „Mariä Verkündigung“, 1607 geweiht, doch erst 1615 in der Ausstattung vollendet; ursprünglich als Oratorium für die Herzogin Elisabeth bestimmt, später als Schatzkammer für die liturgische Kunst verwendet; daher ihr Name. Wirkungsvolles Vestibül, dessen Wände durch Doppelpilaster in gelblichem Stuckmarmor mit Kompositkapitälen gegliedert sind. Portal aus Stuckmarmor im dorisch-römischen Stil mit schönen Intarsien; im Türaufsatz außen Gemälde „Mariä Verkündigung“ von P. Candid, innen eine vergoldete Erlöserstatue. Innenraum fast quadratisch und mit einem Klostergewölbe mit Stichkappen, aus dem ein Tambour mit einer kleinen Kuppel emporsteigt. Wände in Scagliolatechnik ; daran Architekturperspektiven mit Szenen aus dem Leben Mariä. Am Gewölbe flache szenische Reliefs in Stuck und aufgemalten Arabesken, wohl von italienischer Hand, Kartuschen, leichte Ranken und Monogramme (Maximilian I. und Elisabeth) von vergoldetem Stuck auf blauem Grund. Hauptaltar ädikulaförmig, in deutschem Stil aus Ebenholz; in den seitlichen Teilen und im Aufsatz vergoldete Silberreliefs. Aehnlich die 2 Seitenaltäre. Reichgestickte Vorhänge aus rotem Seidendamast. An der Decke Kronleuchter aus Silber und mit Edelsteinen besetzt. Prachtorgel aus Ebenholz, mit emaillierten Metallplättchen und Kameen geschmückt; Pfeifen aus Silber; Klaviaturtasten mit Silberornamenten ausgelegt. „Die Ausführung ist in allen Teilen dieses Raumes von hoher Vollendung, die Motive (wenn auch etwas kleinlich) zu einer Gesamtwirkung von vornehmster Pracht zusammengestimmt, wie sie aus dieser Epoche in Deutschland nicht wieder zu finden ist [D]“.

Auf den Altären und in Vitrinen der unermeßlich kostbare und auch kunsthistorisch wichtige hirehenschatz (von einigen geschätzt auf über 100 Millionen Mark), worunter vor allem (nach iJehio beschrieben) die Aedicula König Arnulfs, ein Tragaltärchen in Form eines Ciboriumaltares, Holz mit Goldblech überzogen; westfränkisch, Ende 9. Jahrh., mit Veränderungen aus dem 11. Jahrh.; Votivkreuz der Königin Gisela von Ungarn und Reliquiar Heinrichs II., Regensburger Arbeiten vom Ende des 10. und Anfang des 11. Jahrh. Eichstätter Silberaltärchen vom Augsburger Silberschmied Georg Seid 1492; stilgeschichtlich sehr merkwürdig, indem teils auf romanische Formen zurück-, teils auf die der italienischen Renaissance übergegriffen wird; künstlerisch am höchsten stehen die gravierten Platten der Außenseiten.

Der Albertinische Kasten, Reliquienbehälter in Form einer Truhe, mit aufgesetzten, unübertrefflich fein geschnittenen Bergkristallscheiben (letztere von einem Niederländer, während das Korpus aus Holz und Edelmetall deutsche Arbeit ist. Aehnlich, nicht ganz so reich, der Schrein der Unschuldigen Kindlein, um 1600. Prachtaltärchen Albrechts V., ein Wunder der Goldschmiedekunst; ebenso die 2 kleineren, im Entwurf dem Hans Mielich zugeschrieben. Altärchen aus dem Besitze der Maria Stuart, vorzügliche französische Arbeit des 14. Jahrh. in translucidem Email.

B. Brunnenhof-Trakt.

Südwestlich am Brunnenhof das Antiquarium, vom Hofbaumeister Wilhelm Egckl 1569 als Kunstkammer für die reichen Kunstschätze und Raritäten Albrechts V. erbaut, der außerdem im Obergeschoß die Hof bibliothek beherbergte. Langer niedriger Raum mit Tonnengewölbe, in das Stichkappen tief einschneiden; im Aufbau ein echtes Werk bayerischer Frührenaissance, schwer und wuchtig und in kurzen, stämmigen Proportionen (gleich dem alten Marstallgebäude, jetzt Münzhof); zudem „stand Egckl hier vor einer ganz neuen und eigenartigen Aufgabe: er baute den ersten Sammlungsraum im Norden, wenigstens in München das erste Museum; jedenfalls war von Anfang an darauf Bedacht genommen, die plastischen Werke gefällig und dekorativ aufzustellen [W 76]“,

Wilhelm V. verlegte 1581 die Bibliothek aus der Kunstkammer und begann nach dem Entwurf des Sustris einen Umbau des ganzen Stockes, der im Parterre, dessen Aufbau unversehrt blieb, einen festlich geschmückten Gartensaal, das heutige Antiquarium, und im Obergeschoß prächtige Zimmer erhielt (bekannt als die Kurfürstenzimmer). Die Malereien und die Stuckierungen „kämpfen sichtlich gegen die massive Architektur an: sie wollen auflösen, die Wandflächen durch zierliche Grotesken beleben, leichter machen, kurz—den lastenden Eindruck des Gewölbes möglichst aufheben; es war indessen wenig zu ändern, das Gewölbe hatte schon zuviel Charakter; außerdem war es ja die Absicht des Baumeisters, ein bombensicheres Mauerwerk zu errichten, denn hier war ja die Schatzkammer, der Tresor, den man das Kostbarste anvertraute.

Sustris hat in seinen Entwürfen die Renaissancehalle vor Augen gehabt, die luftige Loggia, und seine ausführenden Meister, die Venezianer Ponzano (der schon bei Fugger in Augsburg gearbeitet hatte) und Viviani unterstützten seine Absichten mit Glück [W, 1. c.]11. Die Ansichten von 102 bayerischen Städten und Burgen stammen von Hans Thonauer 1588—96, eines Deutschen, und die 16 allegorischen Figuren im Gewölbespiegel sind von P. Candid. Die Pfeiler erhielten Statuennischen und prächtige Stuckkapitelle. Die 192 Büsten und Statuen antiker Persönlichkeiten sind zum Teil echt, zum Teil Erzeugnisse der schon im 16. Jahrh. in Italien blühenden Fälscherindustrie. Portal aus rotem und grauem Marmor von gleichem architektonischen Aufbau wie der Kamin mit seinem hübschen Bronzewappen (Inschrift und Jahrzahl 1600 zeigen die Fertigstellung des ganzen Saales an). Im Obergeschoß des Antiquariums die neun Kurfürstenzimmer, entstanden um 1590 unter Wilhelm V. an Stelle der Bibliothek Albrechts V., 1746—48 von Gunezrhainer im entwickelten Rokoko umgestaltet. Ausstattung in reichvergoldetem Stuck und Schnitzerei auf weißem Grund.

1. Vorzimmer: Landschaftsmalerei als Surportes.

2. Speisesaal: 2 Ansichten vom Schloß Nymphenburg und eine von München von B. Belloto da Canaletto 1761.

3. Salon: in geschnitzten Goldrahmen Oelgemälde (Jagd'hirTa 'Ackerbau) 17. Jahrh.

4. Schlafzimmer: in der Hohlkehle stuckierte und bemalte Allegorien auf die Jahreszeiten und kleine Laudschaftsbilder.

5. St. Cäcilien- Hofkapelle (auch „Josephskapelle“ genannt), ehemals von Max Emanuel als holländisches Kabinett oder Spiegelkabinett erbaut, 1757 aber von Max III. als Kapelle eingerichtet. Raum oval und mit kasset- tierter Kuppel überwölbt, Wände durch schwarze Marmorpilaster gegliedert, 2 kleine geschnitzte Altäre — gleich der übrigen Einrichtung — im prunkvollen Rokoko.

6. Bibliothekzimmer: gemalte Surportes sowie reich geschnitzte und vergoldete Bücherschränke; an der Rückwand Porträt der Gemahlin Max Josephs 1.

7. Schreibzimmer: in der Hohlkehle sowie an der Decke in Stuckkartuschen zart gemalte Chinoiserien.

Schlafzimmer: in der Hohlkehle Landschaftsbildchen; Decke übersäet mit kleinen Tieren in Stuckrelief. 9. Speisesaal: mit Gobelins vom 18. Jahrh. Der Schwarze Saal (oder P erspektivesaal) als östliche Fortsetzung der Kurfürstenzimmer, erbaut von Wilhelm V„ umgeändert von Kurf. Maximilian I. nach 1622 (von JJehio datiert 1611). Einst für die Paradeausstellung der gestorbenen Fürsten bestimmt und deshalb mit düster gefärbter Dekoration ausgestattet (daher der Name), die — obwohl größtenteils nur gemalt, und zwar in schwerem Barockstil — sehr stimmungsvoll wirkt. Am eigenartigen nachgedunkelten Spiegelgewölbe eine perspektivische Scheinarchitektur (daher der 2. Name), gemalt von Hans Wernle (nach Hehio von Christoph Schwarz); 4 Portale und der Kamin aus schwarzem Marmor „in feierlicher welscher Grandezza [JJehio]“. Ueber dem Kamin 2 Figuren mit dem kurbayerischen Wappen. An den Wänden eine Reihe von schön gravierten Hellebarden der Hartschiere (Leibgarde), Charlottcngang (zwischen Brunnenhof und Apothekenhof) mit Gewölbestukkatur von Ant. Castelli 1612 (?). — Ueber der Durchfahrt vom Brunnenhof zum Kapellenhof der Georgssaal im Empirestil mit einer St. Georgsstatue von Gedern. An der nordwestlichen Schmalseite des Brunnenhofes Aufgang (aus ungef. 1605) zum Herkulessaal, angeschlossen an den Georgssaal, und benannt ven einer Herkulesstatue, die vordem über dem Kamin stand; wie ersterer um 1605 von Beijfen- stuel errichtet und gleichfalls von König Max I. im Empire ausgestattet (jetzt jährlich am Gründonnerstag zur Zeremonie der Fußwaschung der sogen. 12 Apostel verwendet); an den Schmalseiten je eine Empore, an den Langseiten Pilastergliederung.

C. Grottenhof-Trakt.

Im östüchen Teil des Obergeschosses im Südtrakt die „Reichen Zimmer“, im westlichen die „Päpstlichen Zimmer“. In der Anlage auf Maximilian I. (bezw. noch Wilhelm V.) zurückgehend wurde 1667 jene östliche Zimmerflucht von Barelli zur Wohnung Ferdinand Marias, und die westliche Flucht von Bistorini zur Wohnung der kurfürstlichen Gemahlin Adelheid von Savoyen im italienischen Barock umgestaltet, teilweise jedoch erst 1680—85 unter Max Emanuel von E. Zuccali vollendet. Wegen ihrer Deckenfresken aus dem Leben Alexanders des Großen hießen diese Räume, die Max Emanuel als „Sommerziminer“ auswählte, auch die „Alexanderzimmer“. Aus dieser Zeit ist allein noch das sogen. „Marterzimmer“ mit seiner ursprünglichen Ausstattung (an der Südwestecke des Grottenhofes) erhalten. Die übrigen Räume ließ der Fürst nach seiner Rückkehr aus Frankreich von 1719 von Effner im Stil des französischen Frührokoko umgestalten; der gleiche Meister richtete auch, jedoch erst unter Kurfürst Karl Albert, die Erdgeschoßräume neu ein. Doch der Brand von 1729 verschonte nur die „Päpstlichen Zimmer“ und von den „Reichen Zimmern“ bloß den „Empfangssaal“ und den „Audienzsaal“. Die übrigen Räume wurden 1730—37 von Fr. Cuvillies im reichsten Rokoko neu errichtet und ausgestattet und östlich durch die „Grüne Galerie den großen Festsaal, abgeschlossen. Von den berühmten Reiehen Zimmern und ihrer Prachtdekoration kann man sagen, „daß sie“iTieimpo- "VanTeste Form repräsentieren, die privates Dasein in unsern Gegenden gefunden hat, und unmittelbar zu vergleichen sind mit den großen kirchlichen Räumen gewaltigster Ambition. Die Kunst Frankreichs, die von jeher den leichten Schritt geliebt hat, sie hat in diesen Zimmern ein Werk geschaffen, von dem man ruhig behaupten kann: Frankreich selber hat nichts, was sich damit vergleichen ließe, wenigstens nichts, was gerade in dieser Note als Aequivalent angeführt werden könnte — diese Räume sind also in des Wortes vollster Bedeutung Sehenswürdigkeiten ersten Ranges, die München, ja die Deutschland besitzt“. Und wenn irgendwo, gilt hier der Ausspruch von Geymüllers: „Das letzte Wort des Rokoko wurde in Deutschland gesprochen 1“ *)

1. Empfangssaal oder ,Antecamera“. Er ist der einfachste und reservierteste von allen Räumen. Die Decke ist hier vollkommen weiß gelassen: sie soll ganz licht und darum leicht wirken. An den aufwändigen Teilen aber zeigt sich schon das Ornament, wie es züngelnd da und dort bereit» das Gesims durchbricht, wie überhaupt in diesen Räumen das Elementarste der Wirkung in dem Abschluß liegt, der durch die Decke gegeben ist. In den Proportionen aber ist entscheidend das Dominieren der „stehenden“ Flächen, also derjenigen Flächen, in denen das Höhenmaß das Breitenmaß überragt; denn nicht der ernste, gravitätische Eindruck, der an die „liegenden“ Proportionen gebunden ist, ist das, was man hier sucht. Dazu kommt, daß schon hier im Empfangssaal, ganz besonders aber in den folgenden CuvillitJsßälen, alle Rahmung von der denkbar dünnsten und leichtesten~Sft' ist r~ die Form muß sich nicht „wie mit Ellenbogen stemmen“ gegen die Umgebung, um sich zu behaupten, sondern alles breitet sich aus mit der größten Selbstverständlichkeit und alles bildet sich ohne Mühe zur Form, die die von innen heraus gewollte ist. Und die geraden Linien sind es überhaupt nicht, in denen der letzte Trumpf liegt: die gerade Leiste hat noch nicht jenes Maß von Leichtigkeit, nach dem die Absicht steht; sobald wir zu den Cuvilliäszimmern kommen, ist auch schon alle tektonische Strenge gewichen, und nur noch in den spielenden Kurve des Vegetabilischen, des frei Gewachsenen, haben solche Flächen ihre Grenzen. In diesem Saale ist das Weiß der Decke gehoben durch vergoldete Stuckornamente; auch die weißen Pannaux der Wände haben vergoldete Holzschnitzereien und — teilweise — moderne rote Seidentapeten, zwar nach alten Dessins, jedoch in einem tintigem,, kalten Rot, das recht unangenehm aus dem zarten Gesamtton herausfällt. In den Sürportes (17. Jahrh.) Bildnisse römischer Kaiser. Ferner ein Marmorkamin mit schönem Eisengitter; darauf eine Uhr mit vergoldeter Bronze von Baillon in Paris. Porträts des Kurf. Karl Albrechts mit Gemahlin; desgl. ein Gemälde (Ende 17. Jahrh.): Diana mustert dieJagdbeute. Tisch und Stühle sowie 2 Oefen aus der Entstehungszeit des Saales. Alle Bildhauer- und Schreinerarbeiten vom Münchner Meister Adam Pichler.

2. Audienzsaal. Dekoration ähnlich jener im Empfangssaal. Oelporträts Max Emanuel und dessen Gemahlinnen Maria Antonia von Oesterreich und Therese Kunigunde von Polen, von Vivien 1710. Ofen vom Wiener Meister Anton Ghanovese. Holzgeschnitztes Uhrgehäuse mit Keiterstatue Max Emanuels von Bronze. Prachtstanduhr von vergoldeter Bronze (Apollo mit dem Sonnenwagen) von Lenoir in Paris. Alle Holzschnitzereien von Joach. Dietrich 1729.

3. Thronsaal. Nach dem Brand 1729 erweitert und im Anschluß an die ursprüngliche Ausstattung durch Ejfner eingerichtet. Hier beginnt Cuvillies Arbeit, der von jetzt an vom Kurfürsten dem alten Effner vorgezogen wird und dessen erster großer selbständiger Auftrag die Dekoration der weiteren Folge der Beichen Zimmer ist. „Das System ist das bekannte der Bokokoperiode: die geradlinige Felderteilung der Wände, die breiten und stark profilierten Gesimse, alle tektonischen Glieder wie Pilaster, Kapitell, Gebälk treten ganz oder fast ganz zurück vor der naturalistischen Ornamentation, die auf allen Wänden und am Plafond überwuchert; nur in zarten, aber straffen Linien ist die Disposition der einrahmenden, trennenden und verbindenden Grundformen erkennbar, wobei es Begel ist, daß sie plötzüch verschwindet, um nach einem kurzen Intervall wieder aufzutauchen — wie eine Wasserader, die eine Strecke unter Tag fließt; unter den sich rankenden, aufsteigenden und herabhängenden vegetabilischen Formen lebt eine überlustige Schar von tanzenden Putten und ausgelassenen Nymphen oder von jenen mythologischen Zwittern, die alle zoologischen Möglichkeiten zu kombinieren trachten; an die Stelle der Voluten, des Boll- und Band Werkes treten Muscheln in den abenteuerlichsten Kurven und Spiralen; Möbel — wie Spiegelkonsolen, Kamin und Tisch — werden mit den Wandmustern organisch verbunden; Bilder und Spiegel sind unverrückbar in die Wand eingelassen. Der Beichtum nimmt von Zimmer zu Zimmer zu; im Paradeschlafzimmer erreicht er wohl seine Höhe. Aber an Zierlichkeit und spitzenzarter Feinheit übertrifft alle andern Panneaux die holzgeschnitzte Umrahmung der Bildchen im Miniaturenkabinett; hier fand bei großen Festlichkeiten die Zulassung der auserlesenen Gäste zum Kurfürsten statt, in einem vis a vis mit dem Souverän, zu dem die Kostbarkeit der Umgebung den goldenen Glanz gab. Die erstaunliche Formsicherheit der Handwerker (vgl. Amalienburg unter Nymphenburg) wie der Schnitzer, Stukkatoren, Sticker und Weber, der Goldschmiede und Gießer erklärt allein die vollendete Harmonie der Wirkung: überall dasselbe Feingefühl in der Führung des Schnitzmessers selbst bei den duftigsten Formen, überall dieselbe Handgeschicklichkeit in der Zeichnung der stuckierten Banken und Muscheln; dazu die Solidität des Materials bei den roten Sammeten und der reichen Vergoldung — und, wo man hinblickt, die gleiche, wohlgeschulte Unterordnung des ausführenden Arbeiters unter die zielbewußte und ihrer Wirkung stets sicheren Leitung des entwerfenden und leitenden Künstlers; nur in den sublimsten Epochen der Kunstgeschichte tritt eine solche taktfeste, wahlverwandte und freudige Zusammenstimmung von Meister und Gesellen auf. Unter den Bildhauern ist an erster Stelle der Böhme Mirofsky zu nennen; er war tätig seit 1731 und verfertigte nicht nur die Schnitzereien an den Panneaux, sondern auch Tür- und Fensterverkleidungen; er stattete das Schlafzimmer, die Grüne Galerie und das Spiegelkabinett aus; die Schnitzereien im Miniaturenkabinett hat der uns von der Amalienburg her bekannte Münchner Dietrich (in der Au) geliefert; die Vergoldung besorgte Lauro Bigarello; als Stukkatoren waren tätig der Münchner Gg. Baader und namentlich der Wessobrunner Joh. Zimmermann; die Beschläge und sonstige Gußarbeiten stammen von Wilhelm de Groff. Kurfürst Karl Albrecht hat damit in den Reichen Zimmern ein Werk in die Welt gesetzt, das in seinen schönsten Teilen auch von den andern deutschen Höfen nicht übertroffen worden ist [W 169 ff.]“. Von der übrigen Einrichtung des Thronsaals ist zu erwähnen in den Surportes Bildnisse 4 römischer Imperatoren (17. Jahrh.) und Kaiser Ludwigs des Bayern (dieses von P. Candid); ferner der Marmorkamin mit schönem Eisengitter, der rotsamtene Thronbaldachin mit Goldstickerei; an der Nordwand Gemälde: Josephs Versuchung durch Putiphar.

4. GrüneGalerie. Nach dem Brand von 1729 an Stelle eines Schlafzimmers als Testsaal angelegt. Als Hauptschmuck 5 große venezianische Glaslüster vom 17. Jahrh., Wände mit grünen Seidentapeten über reichgeschnitztem Sockel bespannt. Marmorkamin. In der Hohlkehle vergoldete Reliefs von Genreszenen und 2 Medaillons mit Bildnissen Karls des Großen und Ludwigs des Bayern.

5. Wohnzimmer. Vorhänge sowie Bepannung der Wände und Möbel aus rohem Goldbrokat; in den Surportes die 4 Weltteile von Kaspar Dizziani. Prachttisch mit Platte in Pietradura, Fuß mit Elfenbeinschnitzereien. Uhr in Form einer Mariensäule von J. G. Mayer-München, 18. Jahrh. 6. Schlafzimmer. Dekoration Gold auf Weiß. Im Spiegelrahmen Medaillenporträt Karl Alberts. In den Surportes die Tageszeiten von Valeriani. Abschluß des Alkoven durch eine Balustrade; Wandpanneaux in Gold auf rotem Samt gestickt. Das Paradebett ist ein stolzes Prunkstück, „das mit dem lit de parade des Delobel für Ludwig XIV. (1701) in Konkurrenz zu tretenden Anspruch hat; die Stickereien sind vom Franzosen Jean Fr. Bassecour in München gemacht; Gesamtausgaben c. 400000 Mk. nach heutigem Geldwert [W., 1. c.]. Sitzmöbel gleichfalls in rotem Samt mit Goldstickerei. Eine Anzahl Girandolen und Uhren, auf japanische und chinesische Porzellanfiguren montiert, von P. Groff-München, L. Montjoie, J. und P. Leroy- Paris. Große Vase von Meißner Porzellan. Kommode und Schreibtisch in Lackarbeit ä la japonais mit reichem vergoldetem Bronzebeschläge. 7. Spiegelkabinett, eingerichtet als das zum Schlafzimmer gehörige Toilettezimmer. Dekoration in Weiß und Gold; dazu bunte Porzellangefäße (aus dem holländischen Kabinett Max Emanuels herübergebracht). Möbel gleichzeitig. Vier in Silber getriebene und vergoldete Gueridons 

 

mit eingelegten Porzellanmalereien. In der Mitte ein in Elfenbein gedrechselter und geschnitzter Lüster (Arbeit des Kurf. Max Emanuels). Hier ist es nicht nur die Helligkeit des Raumes, sondern in noch viel höherm Grad das Spiegelglas selbst, das dienen soll, dem „malerischen“ Bedürfnis ein letztes Genüge zu tun; denn wenn das Malerische im Abschluß der einzelnen Flächen und einzelnen Räumen aufs Grenzenlose geht, sokannman diese Grenzenlosigkeit bei der Beschränktheit der irdischen Mittel auf keine Weise besser erreichen als dadjirch, daß man alles im Spiegel auffängt und das Schauspiel dann wieder in einem Spiegel gegenüber ins; Unendliche fortsetzen läßt. 8. Miniaturenkabinett, als Schreibzimmer eingerichtet und benannt nach den 128 Miniaturgemälden (auf Kupfer, Elfenbein und Pergament), Kopien von Werken der berühmtesten deutschen, italienischen, französischen und niederländischen Meister; sie sind in Gold gefaßt und stehen unter sich wieder in netzartiger Verbindung; eines der Ornamente bietet die Jahrzahl 1732. Elfenbeinlüster mit reichster figürlicher Schnitzerei, „Kunstwerk ersten Ranges [Aufleger-SchmidJ“. Die Päpstlichen Zimmer, so genannt seit dem Aufenthalt des Papstes Pius vL {i78?)" ~tn denselben. Von Maximilian I. für seine Mutter, die Herzoginwitwe Maria Anna erbaut, nach deren Tod für die Gemahlin, Ferdinand Marias, die prachtliebende italienische Prinzessin Adelheid von Savoyen, als Wohnung eingerichtet (von Pistorini nach den ZeichiRmgen Barellis). Im Gegensatz zu den benachbarten, eine Generation früher geschaffenen Steinzimmern mit ihren immerhin als nordisch-niederländisch italienisierend anzusprechenden Dekor zeigt sich hier von vornherein echt italienischer Barock. Der Fortschritt auch im malerischen Geschmack Bekundet sich (gegenüber den „Steinzimmern“) zunächst darin, daß die Bewegung der Wände in einen ganz nahen Zusammenhang mit der Decke gebracht ist: sie erleiden in ihren in großer, rauschender Bewegung aufwärts gehenden Teilen keine Unterbrechung da, wo sie in die Decke übergehen. Aber diese Bewegung zeigt sich in gedrängten Wellen und wie mit starker Wucht stoßend, die hier und da bis ins Beklemmende sich steigern kann namentlich da, wo die Raumabmessungen sehr enge sind und wo die im frühen Stil immer vorhandene klare Scheidung zwischen den Architektur- und den bloßen Möbelformen fast ganz aufgehoben ist, so daß man z. B. im Alkovenzimmer nicht recht weiß, ob jene dominierende Form des Alkovenrahmens eine architektonische Form der Zimmereinteilung ist oder eine bloße Gerätform. Für den Vergleich mit dem zeitlich folgenden Rokokodekor der Reichen Zimmer ist wichtig das Verhältnis und die Art des Zusammenstoßes von Tür und Bildaufsatz, z. B. im Alkovenzimmer, wo das mächtig eingerahmte Bild förmlich auf die Türe zu drücken scheint, jedenfalls aber nicht ein fingerbreiter, frei disponibler Raum dazwischen überbleibt. 1. Das Empfangszimmer (Muschelzimmer). In der reichgeschnitzten Felderdecke als Mittelbild die Allegorie der Vereinigung von Liebe und Majestät auf dem Fürstenthron; 4 Nebenbilder mit den Allegorien der Kraft, Weisheit, Freundschaft und

 

Standhaftigkeit. Friesbilder mit ähnlichem Inhalt. An den Wänden Pflanzen- und Tierbilder in Scagliola aus der Zeit Maximilians I. Ueber dem Kamin (1732) ein älterer Aufsatz mit einer Muschelnische, worin St. Sebastian als Marmorfigur. In der Westwand eine Brunnengrotte aus Muscheln (daher der Beiname des Zimmers); über dem Becken die Marmorfigur eines den Weinschlauch tragenden Mannes als Wasserspender. In der Nische der Südwand (die sich ehedem auf einen Erker öffnete) ein großer Spiegel in reichem Rahmen aus der Zeit Karl Albrechts. Sitzmöbel von c. 1667. Kleiner Spieltisch, eingelegt mit Perlmutter und Schildpatt. Bouletisch auf Groteskfüßen. Prachtschreibtisch mit (in Perlmutter geschnittenen) Darstellungen aus den Türkenkriegen und dem Monogramm Max Emanuels. Ueberlebensgroße Marmorbüste des Papstes Pius VI. 2. Wohnzimmer. Als Mittelbild an der Decke die Allegorie des Glückes, begleitet von Zeit, Freundschaft, Wahrheit und Gerechtigkeit; als Seitenbilder Lebensweisheit, Wissenschaft, Freundschaft und Beständigkeit; alle gemalt von A. Iriva. An den Wänden Seidentapeten vom 18. Jahrh. Wandsockel, Fensterleibungen, Spiegeltisch und Kamin von 1732. Porträt Max Emanuels von Stamport 1701. In den Surportes 2 niederländische Stilleben. Bouletisch auf Groteskfüßen. Prachtuhr in Aediculaform mit Schildpatt und Emailmalereien von D. Bachmann, Anfang 18. Jahrh. Zwischen den 2 schmalen Türen zum Alkoven (Schlaf- Gemach) auf dem offenen und reich ornamentierten Bogen die Monogramme von Ferdinand, Maria und Adelheid Henriette sowie die Wappen von Bayern und Savoyen. Prachtbett in grüner Seide mit Goldstickerei; auf den bespannten Wänden Madonna mit Kind (von einem Rubensschüler); Joachim und Anna, Joseph und Maria, Gobelins der Münchner Manufaktur von Sentigny 1766; St. Petrus und ein weibliches Brustbild in Mosaik; Madonna mit Kind (von einem Niederländer); büßende Magdalena (Rubenssehule). Wandsockel, Spiegel, Tisch und Sitzmöbel von 1732. Uhr, bekrönt von einem Pfauen aus Metall, von Otto Halleicher aus Augsburg, Anfang 18. Jahrh.; Rokokogirandolen von vergoldeter Bronze. 3. St. Josephskapelle (nördlich hinter dem Schlafzimmer), mit kleinem Altar und geschnitzter Decke; im Charakter der Päpstlichen Zimmer unter Ferdinand Maria eingerichtet. 4. Schreibzimmer (HerzkaLunettj. Originelle Darstellungen der Qualen liebeskranker Herzen (von A.Triva). Das Herzmotiv — daher der Beiname des Zimmers — kehrt immer wieder in der Form der Kartuschen und dem Ornament der (von Th. Baader geschnitzten) Decke. An der Ostwand Gemälde: 3 Hofdamen der Kurfürstin (2 Gräfinnen Törring und eine Gräfin Spaur), Herzen in einen Teppich stickend. In den Wandfeldern Architekturperspektiven in Scagliola (1640). Sitzmöbel aus der Zeit Ferdinand Marias-, Tisch und 2 Gueri- dons in Boule mit Max Emanuels Monogramm. Kleiner Schreibtisch im Louis XVI.-Stil von 1732. In den Erkerfenstern 2 spätgotische Glasgemälde. 5. Goldener Saal (Audienzsaal oder Hautelissesaal) im Witwenstock Wilhelms V., ausgestattet um 1665. Kostbare Ausstattung in wunder-

 

vollen Hautelissen (Gobelins) — daher der Beiname des Saales — aus deutscher Werkstatt. Uebrige Auskleidung der Wände durch eingelassene Gemälde und Reliefornamente in Mattgold, der Zeit nach dem 30jährigen Kriege entsprechend hauptsächlich kriegerische Embleme darstellend. In der reichgeschnitzten und vergoldeten Lindenholzdecke (von B. Ableithner) Gemälde von J. H. Schönfeld und K. Amort (dem Charakter des „Audienzsaales“ entsprechend) darstellend, wie Fürsten verschiedener Nationen Audienz erteilen; Mittelbild: Kaiser Trajan, die Bittschrift eines armen Weibes entgegennehmend. Im Fries Gemälde mit ähnlichen Sujets in Kartuschen abwechselnd mit Schildern (geschnitzt von Matth. Schütz), die von römischen Kriegern gehalten werden. Wandsockel, Fensterleibungen und Läden gleichfalls reich geschnitzt und vergoldet, mit Monogrammen Ferdinand Marias und Adelheid Henriettes, Kamin mit Pan- neaux und Spiegel von 1732. Die Ahnengalerie und Schatzkammer im Parterre südlich am Grottenhof. Nach 1730 von Kurf. Karl Albrecht nach Entwürfen Cuvillies angelegt. Anden Wänden der Ahnengalerie rankende Goldornamente als Rahmen für die Ahnenbilder der Wittelsbacher. Schnitzereien von J. Dietrich-, die Bilder von Herzog Arnulph (640) bis Karl den Großen von Jac. Amigoni, die übrigen bis Karl Albrecht von Georg Desmarees; die der nachfolgenden Herrscher von J. Kellerhofen und J. Bernhard. Decke reich stukkiert von Joh. B. Zimmermann, mit Bildern von Aug. Albrecht (bezugnehmend auf die Gründung des Georgiritterordens und dessen Wiederherstellung 1729 durch Karl Albrecht. Anschließend an die Ahnengalerie die im gleichen Stil gehaltene Schatzkammer mit einer vortrefflichen von Joh. Zimmer - mann stukkierten Decke. Der kgl. Hausschatz selbst ist jetzt in einer eigenen neuen Schatzkammer am Küchenhof untergebracht. Der Hausschatz wurde gegründet von Kurf. Maximilian I. unter Einverleibung der wertvollsten Stücke aus der Kunstkammer Albrechts V., vermehrt von Max Emnuel namentlich durch türkische Beutestücke, unter Karl Albrecht durch den Schmuck seiner Gemahlin M. Amalie von Habsburg und unter Karl Theodor durch Einverleibung des kurpfälzischen Hausschatzes. Hauptstücke: Gebetbuch Kaiser Karl des Kahlen c. 870; Krone der Kaiserin Kunigunde der Heiligen c. 1030 (nur der untere Teil ursprünglich); sogen. Krone Kaiser Heinrichs II., Arbeit des 13. Jahrh., böhmische Krone 14. Jahrh,; Prunkschwert der fränkischen Herzoge 1485; Georgi- ritterschwert c. 1560; St. Georgsstatue, goldemailliert 1630; sogen. Kaiser- Ludwigskrone c. 1720; Kopie der Trajanssäule 1780; die königlichen Kroninsignien 1806. D. Kaiserhof-Trakt,. Trierzimmer (oder Kölner Zimmer) zwischen Kaiser- und Küchenhof. 1612 als fürstliche Gastzimmer erbaut und benannt nach Clemens August, dem Sohn Maximilians I., der als Erzbischof von Trier und Köln hier sein Absteigquartier nahm. Die Zimmer liegen hier alle dem Hofe zu; denn damals war es fast selbstverständlich, daß man gegen den Hof zu wohnte und nach

 

außen zu, „wo man einem die Fenster einwerfen konnte“, nur die Korridore liefen. Die 4 mittleren Räume im 18. Jahrh. verändert, die andern im Charakter ziemlich verändert, wiewohl vielfach restauriert. Dekorationssystem: hoher Sockel aus Stuckmarmor, Hauptfläche der Wand mit Teppichen verkleidet, hoher Fries mit Stuckreliefs und eingeschobenen Gemälden, geschnitzte Holzdecke in Naturfarbe mit teilweiser Vergoldung; fWAä Türverkleidungen aus rotem Stuckmarmor. Das Ganze nach Entwürfen Candids, einschließlich der Gemälde, der gerade in diesen „so ziemlich das Beste geleistet, was von den Renaissancemalereien jener Zeit in München erhalten geblieben ist [L. Zottmann, 1. c.]“. Im Gang an der Ostseite Gewölbestukkierung aus 1612. 1. Empfangszimmer. An der Holzdecke die Monogramme M und E (Maximilian und Elisabeth)-, eingelassene Gemälde mit Allegorien auf den guten Rat; im Fries gleichfalls daraufbezügliche Gemälde. In den Fensterbögen und den korrespondierenden Wandnischen Wappenmedaillons. Fünf Wandgobelins nach Gemälden von Chr. Winck, in der Münchner Manufaktur gefertigt von C/te- deville bis 1818. Zwei reichgeschnitzte Renaissanceschränke. Tisch mit Platte in Scagliola. Geschnitzte und eingelegte Uhr und Tisch vom 18. Jahrh. 2. Wohnzimmer. Deckengemälde mit den Allegorien der Wahl und der Entscheidung, worauf sich auch die Friesbilder beziehen. Ueber dem Kamin großer Spiegel in reichem Goldrahmen um 1700. (fytoiA- Prachttisch, getragen von Sklaven figuren; Platte mit Perlmutter und Schildkrot eingelegt. Auf Etageren eine Menge indischer, chinesischer und japanischer Porzellangefäße. 3. Schlafzimmer. Ausstattung einheitlich aus dem ersten Drittel des 18. JaHrh., aber stärk restauriert. Decke weiß mit vergoldeten Stuckornamenten und gemalten Chinoiserien auf schwarzem Grund. An den Wänden schwarze Panneaux. In den Surportes Stilleben. Prachtschmuckkasten aus Silber mit reichem Emailornament. 4. Schreib- kabinett, unter Kurf. M ax III. im Louis XVI. ausgestattet. Auf weißem blaßgrünem und rosa Grund geschnitzte Ornamente, dazwischen 14 Pastellporträts aus der 1. Hälfte des 18. Jahrh., zum Teil von der Malerin Rosalba Carriera (zumeist aus dem sächsischen Fürstenhaus). — An diese Zimmerflucht für männliche Gäste schließen sich die Zimmer für die weiblichen fürstlichen Gäste: 5. Schreibzimmer im Louis XVI. Wände und Möbel bespannt mit hellblauer Seidentapete in Vogel- und Blumenmuster. 6. Schlafzimmer im entwickelten Rokoko; an den Wänden vergoldete HolzscEmlzereien auf rotbraunem Holzgrund; 2 Gobelins mit Darstellungen der Jahreszeiten, 1773 und 75 in München von Sentigny gefertigt. Sur- portesgemälde: Flora und Chronos. Schöner Rokokoofen. 7. Wohnzimmer in ursprünglicher Ausstattung. In der Decke 2 Allegorien auf das kanonische und bürgerliche Recht mit entsprechenden Friesbildern. Drei Gobelins mit Kriegsszenen, niederländisch vom 17. Jahrh. Als Surportes geschnitzte Waffengruppen. Ueberaus üppige Spiegelrahmen und schön gearbeitete Marqueteriemöbeln. Feine Porzellanvasen. 8. Speisesaal. Allegorien auf die Vorsicht des Fürsten für Krieg (Waffen) und Frieden V*' (tr-

 

(Gesetze). 4 Gobelins mit Szenen aus dem Landleben, Brüssler Arbeit nach niederländischen Malern vom Ende 17. Jahrh. Zwei schöne Messinglüster aus gleicher Zeit. Geschnitzter Tisch in Barock. Auf modernem Büffet italienische Majolikaschüsseln und -gläser. — Aus den Trierzimmern gelangt man'durch Am Herkulessaal und den Contrafaitgang (ehemals mit einer Ahnengalerie, daher der Name) zur Flucht an der Residenz- ' • - Straße mit den Steinzimmern (früher bewohnt vom Prinzregenten Luitpold). In der Anlage noch ursprünglich von 1611—17, durch den Brand von 1674 weniger beschädigt als gewöhnlich angenommen. Errichtet als fürstliche Fremdenzimmer und u. a. auch von König Otto von Griechenland bewohnt. Schweres Getäfel, Oelgemälde von satten Farben in den Decken, marmorne Türeinfassungen und Kaminumrahmungen — daher der JNäme der Säle —, Stuckmarmor und vergoldeter Stuck geben die feierliche Grundstimmung. Stilgeschichtlich entscheidend ist die in starken Konturen ausgebildete, schwere, in dunklen Tönen gehaltene Holzdecke, desgleichen die gewichtige Rolle des Friesstreifens, der unter der Decke hinläuft und auf die Wand zu drücken scheint: das Zimmer soll um jeden Preis gravitätisch, pompös erscheinen; daher auch schwere Giebelaufsätze über den Türen und den Kaminen, die bis an die Decke reichen. Die farbigen Holzdecken nach dem Brande großenteils erneuert. 1. Vor- 1J zimmer, Grauer Stuckmarmor, belebt durch Scagliolgornamente, großer Kamin aus dunklem Marmor, Holzdecke in mäßigem Relief (mit einem Gemälde: Allegorie auf die Ausbreitung der katholischen Kirche). Nieder- 2\ ländische Gobelins. 2. Audienzzimmer. Decke wie im Vorzimmer. Deckengemälde: Die katholische Kirche im Kampf gegen den Unglauben mit den Mitteln der Autorität, Wahrheit, Wachsamkeit und Geduld. Im Stuckfries Kartuschen mit den Monogrammen Maximilians I. und Elisa- , heths sowie mit Herzogshüten und Königskronen. 3. Arbeitszimmer. Im Deckengemälde Allegorie der Ewigkeit. Im Fries Festons tragende ,Hermen. 4. Schlafzimmer. An der Decke (Spiegelgewölbe mit ebenen Seitenflächen) Pflanzenranken und Hermen in Stuck; Deckengemälde: in der Mitte Allegorie des Jahres, in den Ecken die 4 Jahreszeiten, ergänzt durch die 12 Monate in der stukkierten Hohlkehle. Am Kamin Reliefornamente aus weißem Marmor; im Aufsatz als Relief Mars, Venus und Amor — das Ganze eine hervorragend schöne Arbeit, wahrscheinlich aus Italien und, nach den Monogrammen M A, aus der Zeit Albrechts V. 5) 5. Speisesaal. Im Deckengemälde: der Mensch als Beherrscher der Erde sowie Bacchus und Ceres. Im stukkierten Fries Tritonen und Sirenen abwechselnd mit Hermen. Am Kamin Jahrzahl 1617. Reiche Schlachtengobelins von 1758. Barocke Aufsätze über den Türen zu Seiten des Kamins. 6. W ohnzimmer. Einfache Felderdecke; darin Allegorien der Elemente und 4 Winde. Im Fries zwischen Hermenkonsolen Maximilians I. Monogramm. Hartschiersaal, Verbindungsraum zwischen dem Contrafaitgang einerseits und dem Wappengang und den Staatsratszimmern an der Residenzstraße andererseits. Ueber der Türe der Name des Kurf. Ferdinand

 

Maria. An den Wänden Porträts bayerischer Fürsten. Großer Renaissanceschrank, in neurer Zeit hierhergebracht. Uebrige Ausstattung modern. Ntaatsratsziinraer südlich vom Hartschiersaal; Ausstattung aus der Zeit Ferdinands Maria in prunkhaftem schwerem Barock und verschwenderischem Goldschmuck. Der Wappengang nördlich vom Hartschiersaal, vor den Steinzimmern. Tonnengewölbe mit Stichkappen, wurde 1614 an Stelle der ursprünglichen Groteskmalereien mit Stuckornamenten von Michael Castelli geziert. Im Fond Gemälde von H. Kapier, darstellend: Religion, Kriegswesen, Fischerei, Salzbau, Isar, Inn, Straubing, Landshut, Bavaria, München, Burghausen, Donau, Lech, Akademie, Jägerei. In den Stichkappen Porträts bayerischer Herrscher, von den merovingi- schen Hausmeiern an. Der Kaisersaal-Trakt (jetzt Rofgartenzinimer) an der Hofgartenseite des Kaiserhofes, 1614—16 von Kurf. Maximilian I. für gekrönte Gäste errichtet. Einfahl tshalle zur Verbindung des Hofgartens mit dem Kaiserhof. 9 Kreuzgewölbe, von 4 toskanischen Säulen aus rotem Marmor getragen; Gewölbe stukkiert und bemalt in Groteskenmanier, das mittlere mit einer Architekturperspektive geschmückt. Von hier Aufgang zur Kaisej-treppe. „einem Meisterwerk der deutschen Renaissancearchitektur \Äufleger-Schmidj“. In der oberen Halle Kreuzgewölbe, deren Grate in weißem Stuck ornamentiert sind, während die Gewölbekappen kleine Genremalereien, die Mittelfelder gemalte Monogramme Maximilians I., die Wappen von Bayern und Lothringen zieren. Von dieser Halle aus durch 2 kleinere und 1 mittleres größeres Portal Zugang zu den ehemaligen 2 großen Festsälen, dem Kaisersaal und dem Vierschimmelsaal (benannt nach dem Deckengemälde mit den feuerschnaubenden Pferden des Sonnengottes Phoebus). Beide unter König Max 1. Joseph zerstört durch Teilung in 2 Geschosse behufs Umwandlung in die „Hofgartenzimmer“; letztere nach Entwürfen des Franzosen Puille im Stil Luis XVI. unter Verwertung der damals modernen pompeianischen Motive. Im Anschluß an den Thronsaal des Festsaalbaues der „Weiße Saal“, gleichfalls von Kurf. Maximilian I. erbaut, von König Max I. im Empirestil ausgestattet. In den äußern Hallennischen die Statuen Kaiser Ludwigs des Bayern, Kaiser Karls des Großen und Herzog Ottos von Wittelsbach. Im untern Teil der Treppe Deckengemälde mit der Apotheose des Herkules (Stukkateure: Matthias Piechl und Kaspar Marold; Maler: H. Thonauer, H. Oherhofer, H. Stroia, J. B. Geyrer und Elias Greither). E. Festsaalbau, 1832—42 im römischen Stil der Hochrenaissance durch Klenze erbaut im Anschluß an den eben beschriebenen „Kaisersaaltrakt“ Maximilians I. (gleichsam als Ersatz für die zerstörten alten „Kaisersäle“), so daß dadurch die gesamte Nordfront der Residenz gegenüber dem Hof garten einen monumentalen Abschluß fand. Die Gesamtfront wickelt sich in einer Länge von fast 240 m mit 57 Achsen ab. Die klar und wirksam disponierte Anlage zeigt einen Mittelbau mit 2 Seitenflügeln, die ihrerseits von Eckpavillons abgeschlossen werden. Der dreigeschossige

 

Mittelbau, der den Thronsaal enthält, überhöht die Flügel um ein Stockwerk und ist zudem ausgezeichnet durch den zweigeschossigen Loggienvorbau, der die Stelle eines Balkons vertritt; er ruht auf massigen, durch Bögen verbundenen Pfeilern und hat im Obergeschoß — das merklich höher als das untere ist und die Empore des Thronsaales enthält — ebenfalls Pfeilerarkaden, aber mit vorgestellten jonischen Säulen; 8 Kolossalstatuen von Schwanthaler, die 8 Kreise Bayerns repräsentierend, flankiert von je einem sitzenden Löwen, stehen auf dem Gebälk. Im Erdgeschoß Rundbogenfenster mit kräftiger Konsolenbrüstung sowie rechteckiger Umrahmung und Verdachung. Mauerwerk mit Quadern und Verputz. In den Flügelbauten mit je 17 Fenstern tragen letztere im Hauptgeschoß horizontalen Sturz nebst Verdachung, die ihrerseits von 2 Konsolen gestützt wird. Die Pavillons haben gleich große Fenster; doch sind deren Gewände durch je 2 jonische Säulen mit Gebälk und Giebel bereichert. An den Ecken erscheinen glatte jonische Pilaster zur Stütze des ringsum laufenden Gebälks. Ueber den Pavillons Attiken mit Balustern, während die Fenster nur einfache Gewände haben. Im Ganzen genommen zeigt der Bau mit seinem überhöhten Mitteltrakt, den Eckpavillons und den in streng kontrastierenden Formen gehaltenen Zwischenflügeln mit den prächtigen römischen Fenstern einen wundervollen Rhythmus und macht, z. B. vom Hofgartentor aus betrachtet, also in der Verkürzung gesehen, einen imposanten Eindruck. Sowohl vom Mittelbau wie von jedem Flügel führen je 3 Portale in die beiden Höfe, nämlich den Küchen- bezw. Kaiserhof, Der Haupteingang ist an die Ostseite (Marstallplatz) verlegt. Das Treppenhaus ist — eine Eigentümlichkeit Klenzes— recht einfach, aber gleichwohl „ein tüchtiges Werk [Rb]‘‘ und in seiner Wirkung w esentlich erhöht durch die Verwendung echten Materials (Marmor, Granit) an Säulen, Stufen, Sockeln und Balustraden — in Verbindung mit dem gutgetönten grünen Stuckmarmor der Wände. Die stattliche Saalreihe des Obergeschosses aber sucht ihresgleichen und zeigt den Meister in mannigfacher Erfindungsgabe auf voller Höhe. In der prachtvollen Ausstattung (nach Klenzes Entwürfen) sind manchmal bedenkliche Surrogate nicht verschmäht; doch gehören die enkaustischen Fresken der Speisezimmer zu den berühmtesten Werken des 19. Jahrh. und die Feuervergoldung der Bronzestatuen im Thronsaal galt damals sogar als Wunder der Technik [Rb]“. Die Disposition der Räume ist durch eine doppelte Aufgabe bestimmt: einmal handelt es sich um einen Ballsaal und dann um einen Thronsaal. Ein Vorzimmer und 2 Empfangssäle führen in den Ballsaal (dem sich Spielsäle mit der Schönheitsgalerie und Banketträume, wie der Schlachtensaal u. a. anschließen) und die 3 Kaisersäle zum Thronsaal. Vorzimmer: in griechischen Formen gehalten, einfach und von kühler Wirkung. Erster Empfangssaal (für die Offizianten): figürlicher und ornamentaler Fries, weiß auf blauem Grund (Entwurf von Schwanthaler). Zweiter Empfangssaal (des Königs), reicher als der erste, auch architektonisch wohlgelungen. Schöne, nach verschiedenen Renaissance-

 

motiven behandelte Decke: ein Spiegelgewölbe, das der Lunettenbildung halber von Stichkappen durchsetzt ist. Wandmalereien von Hiltensperger nach pompejanischen Motiven. Ballsaal. An beiden Schmalseiten eine Musiktribüne mit Karyatiden, die die reich ornamentierte Felderdecke von großer Spannweite tragen. An den Wänden kleine bemalte Gipsreliefs von Schwanthaler, verschiedene Nationaltänze und Spiele darstellend. Unter- und Obergeschoß durch einen weiß-, rot-, goldkolorierten Fries getrennt. Im Parkett Mäanderornament. Möbel reich vergoldet und mit rotem Damast, überzogen. Als Raumschöpfung betrachtet „gibt der Ballsaal nur den großen, ausgedehnten Raum, der erst durch die Gesellschaft und das reichbewegte Farbenspiel der glänzenden Uniformen und großen Toiletten Leben und Wärme erhalten soll; es scheint sogar die Absicht des Architekten gewesen zu sein, durch frostige und dünne Wandbehandlung des weißen Saales den Kontrast zu steigern: alles Ornamentale ist im Verhältnis zum Raum außergewöhn lieh zart und zurückhaltend [W 225j“. Schön- heitsgalerie, ein Gemächerpaar rechts vom Ballsaal abzweigend, dessen Wände in Stuckmarmor ausgeführt und mit den Porträts der sogen. „Schönheitsgalerie“ Ludwigs 1. behängt sind (54 Bildnisse von in- und ausländischen Frauen). Schlachten- oder Siegessaal, im Obergeschoß des nordöstlichen Pavillons, benannt nach den 14 Gemälden von siegreichen Kämpfen bayerischer Truppen in den napoleonischen Kriegen 1805—15: Erstürmung von Bodenbühl (P. Heß), Uebergang von Brieg (Kobell), Belagerung von Breslau (Kobell), Gefechte von Arnhofen (Kobell), Eggmühl (Kobell), Wörgl (Heß), Wagram (Kobell), Po- lozk (Kobell), Borodino (A. Adam), Brienne (Heideck), Bar sur Aube (P. Heß), Arcis rechter und linker Flügel (P. Heß) Sarbrücken (Monten). Bemerkenswert die weiße Balkendecke. Die drei Kaisersäle (westlich vom Ballsaal) „fallen mit ihren historischen Fresken aus der Geschichte Karls des Großen, Friedrichs Barbarossa und Rudolfs von Habsburg gegen das Architekturbild des (ihnen folgenden) Thronsaals merklich ab; dazu mag der Stimmungswechsel zwischen antiker Herrlichkeit, die so leicht die Idealität einer zeitlosen Existenz annimmt, und christlich-mittelalterlicher Historie mit ihrer realen Sachlichkeit, selbst in der halbpoetischen Form der Legende, wesentlich beitragen [W 226]“. Die großen Wandgemälde, in Wachsmalerei von Julius Schnorr aus- gefiihrt, sind sehr nachgedunkelt und zeigen „neben einem großen Zug in der Auffassung bedeutende Mängel im Naturstudium und eine zu starke Anlehnung an die Bilder Raffaels in den Stanzen des Vatikans [Auf- leger-Schmid]“. 1. Saal Karls des Großen. Bemalte und vergoldete Kassettendecke. Im Fries die 12 von Schnorrs Schülern (Gießmann, Palme, Jäger) ausgeführten Friesbilder und an den Wänden die von Schnorr selbst geschaffenen Wandbilder aus dem Leben Karls des Großen (Salbung Karls zum Frankenkönig, Einzug in Pavia, Sieg über Witukind, Christianisierung Sachsens, Synode zu Frankfurt, Kaiserkrönung); an den Fensterpfeilern Bildnisse von dessen 3Freunden: Alkuin, Arno undEgin-

 

hard. 2. Saal Friedrich Barbarossas. Im Frieß weißes Stuckrelief auf Goldgrund von L. Schwanthaler über den Kreuzzug Barbarossas. Hauptschmuck die 6 Wandgemälde Schnorrs aus Barbarossas Leben (Kaiserwahl in Frankfurt, Einzug in Mailand, Aussöhnung mit Papst Alexander III., Reichsfest in Mainz, Schlacht bei Iconium, Barbarossas Tod im Flusse Kalykadnos). Ueber den Türen und zwischen den Fenstern Gemälde über Beziehungen Barbarossas zu Bayern (Eroberung Cremas, Friede zu Konstanz, Empfang seines Sohnes, Verbannung Heinrichs des Löwen, Belehnung Ottos von Wittelsbach mit Bayern). 3. Saal Rudolfs von Habsburg; gehört eigentlich als eine Art von Loge zum folgenden Thronsaal, dessen Säulenreihen zu beiden Seiten in ihm sich fortsetzen, wie er auch statt einer Türe durch einen Säulengang „in antis“ mit ihm verbunden ist. Hier der wertvolle köstliche Kinderfries von M. Schwind, das Aufblühen aller Kulturzweige unter Kaiser Rudolf darstellend — wohl die besten Gemälde im Festsaalbau. 4 Wandgemälde von Schnorr (Rudolf gibt dem Priester auf dessen Versehgang sein Pferd, Kaiserwahl, Schlacht auf dem Marchfeld, Verurteilung der Raubritter). Von hier aus durch den Portikus hübscher Blick in den Thronsaal. Hier im Thronsaal „konnte Klenze wieder auf sein eigenes Gebiet, das er schon seit dem Bau der Glyptothek als Meister beherrschte, treten und sein Feingefühl für hellenische Formen in den Dienst einer feierlichen und streng zeremoniellen Idee stellen: im Thronsaal, wo sich die höchsten Regierungsakte im vollen Glanz der Hofetikette abspielen, war der Ernst der griechisch-römischen Basilika sicher am Platz; selbst wenn er leer und still ist, ist der Eindruck stark und ungemein feierlich — Ludwig I. hatte das Glück, von seinem Baumeister Klenze im Thronsaal eines der gelungen- stenWerke zu erhalten fWl.c.]“. Durch2 Säulenreihen von je 10 korinthischen Säulen (die sonderbarerweise ohne Postamente auf den Boden gesetzt sind) in 3 Schiffe geteilt. An den Langseiten Emporen mit reich ornamentierter Brüstung. „Das alleinige Vorkommen von Weiß und Gold an den Wänden ist gewiß von eleganter und fürstlicher Wirkung und erhöht noch die Schönheit der Kassettendecke mit ihrem einfachen Muster in Weiß, Blau und Gold: so bildet dieser Saal einen imposanten Abschluß der ganzen Saalreihe und eine unzweifelhaft gesteigerte Prachtentfaltung, wie sie Zweck und Lage des Raumes unbedingt erfordern [W 1. c]“. An der Rückwand unter rotsamtenem Baldachin der goldene Thron. Darüber auf dem Säulengebälk die Relieffiguren der Gerechtigkeit, Weisheit und Beharrlichkeit. Zwischen den Säulen die weltberühmten 12 Kolossalstatuen der berühmtesten Ahnen aus dem Hause Wittelsbach, modelliert von Schwanthaler, gegossen und in Feuer vergoldet von Stiglmayer:

  1. Herzog Otto der Erlauchte von Bayern, gestorben 1253;
  2. Kaiser Ludwig der Bayer 1347;
  3. Kaiser Rupprecht von der Pfalz 1410;
  4. Kurf. Friedrich der Siegreiche von der Pfalz 1476;
  5. Herzog Ludwig der Reiche von Bayern-Landshut 1479;
  6. Herzog Albrecht IV. der Weise 1508;
  7. Kurf. Friedrich II. der Weise von der Pfalz 1556;
  8. Herzog Albrecht V. der Großmütige 1579;
  9. 9. Kurf. Maximilian I. 1651;
  10. König Karl XI. von Schweden 1697;
  11. Kurf. Johann Wilhelm von der Pfalz 1716;
  12. König Karl XII. von Schweden 1718.

Im Erdgeschoß die Odysseussäle mit Gemälden von Schwanthaler. F. Köniffsbau. am Max Josephplatz von Klenze 1826—35 errichtet. Im Gegensatz etwas später zu dem in römischer Hochrenaissance erbauten Festsaalbau, der die Residenz gegen Norden durch eine alles zusammenfassende Fassade abschließen sollte, also schon vorhandene Gebäudetrakte zu maskieren hatte, handelte es sich hier um einen eigentlichen Neubau, der nicht nur der Erbauungszeit nach älter ist, sondern auch dem Stil nach auf eine frühere Zeit zurückgreift, nämlich auf das florentinische Quatrocento. Leider fielen ihm große Schönheiten zum Opfer; so büßte namentlich — abgesehen vom alten Witwensitz aus 1580 und dem Speisesaal des Kurfürsten Max III. — nicht nur jener kleine alte Residenzgarten seine Gestalt ein, sondern auch die umringenden Gebäude, ganz besonders die Grüne Galerie, die herrliche Rokokoschöpfung Cuvillies, kam jetzt in einen elenden Hof zu stecken, wo sich der Steinriese Klenzes rücksichtslos gegen sie stemmt. Das ,,Rücksicht- nehmen“, das Komponieren unter Einbeziehung gegebener Elemente ist eben nicht die Sache jener jungen Kunst vom Anfang des 19. Jahrh. gewesen, die sich ganz ausschließlich im Recht glaubte und der das Jahrhundert des Rokoko als ein Jahrhundert des ärgsten Kunst Verderbens, der vollständigen Verwilderung des Geschmackes erschien. Auf des Königs Wunsch nahm sich der Architekt den mächtigen, imposanten Nobile-Palazzo Pitti in Florenz zum Vorbild; doch nur rein äußerlich, der Silhouette nach. Die Aehnlichkeit besteht denn auch tatsächlich nur in dem Zusammenschließen der Massen im obersten Geschoß auf eine kürzere Ausdehnung, wodurch allerdings der Pittipalast in der Gegenwart gerade sein Charakteristikum erhält. In Wirklichkeit jedoch war beim Pittipalast gerade dieser Aufsatz nicht ursprünglich vorhanden, sondern nur eine Zutat aus sehr viel späterer Zeit. Immerhin war des Königs Wunsch sachlich wohl begründet; denn „es mußte mit dem Königsbau annähernd der sich auf 37 m erhebende obere Fronton (Giebelaufbau) des Hoftheaters erreicht werden [B 06]“. Im übrigen ist beim Königsbau so ziemlich alles anders als beim Florentiner Bau, so die Gliederung durch Pilaster, die Gesimsbildung, vor allem aber die Steinbehandlung; nicht derbe Rustica mit dem Charakter des Erdgebornen, des Gewachsenen, sondern Quadern in fein profilierter Bossierung. Immerhin: wenn man sich vom Marienplatze her, etwa durch die Dienerstraße dem Bau nähert und er vorerst nur zum Teil sichtbar wird, so fühlt man doch sofort, daß sich hier auf einmal den gewöhnlichen bürgerlichen Bauten ein wahrhaft „Königlicher Bau“ gegenüberstellt, gewaltig in der Ausdehnung, höchst bedeutend im Verzicht auf alle Schmuckformen, großartig gerade durch die Monotonie der ganzen Fassade. Ueberdies ist es ein Bau, der nicht nur seinem Zweck entspricht, sondern der sich auch dem modernen Geschmack wieder mehr nähert als es noch vor zehn Jahren der Fall gewesen war: jener etwas kühle Ton des Stiles vom Anfang des 19. Jahrh. ist sowohl in der Malerei wie in der Architektur modernen Bedürfnissen nicht ganz fremd. Im übrigen verwendete Klenze „zwar wenige, aber imposante Motive, weil sie allein dem Haus des Königs Majestät einen richtigen Ausdruck verleihen: im Parterre ein dorisches Triglyphengebälk, im Hauptgeschoß eine jonische Pilasterstellung, deren Gebälk einen Fries mit vegetabilischen Ornamenten zeigt, endlich im Obergeschoß eine korinthische Pilasterordnung, deren Gebälk einen Fries mit Konsolen und doppelte Kranzplatten besitzt; nur die drei Einfahrtspurtale der Hauptfront und jenes an der Residenzstraße haben durch Voluten und Blattwerk verzierte Schlußsteinkonsolen — ein den römischen Triumphbögen entnommenes Motiv [B. 06]“. Das ganze Aeußere mit seiner 129 m lang sich erstreckenden und 21 Achsen fassenden Front ist mit dem graugrünlichen Sandstein der Regensburger Brüche verkleidet — ein Zeichen konstruktiver Ehrlichkeit und Gründlichkeit, wie denn in der Tat der Königsbau in München „der einzige Palastbau bis dahin war, in dem man sich über Backstein und Verputzbau erschwang“. In diesem „Königsbau“ richtete der König für sich und die Königin neue Wohngemächer ein, „die in ganz besonders ausgeprägter Schärfe seinem eigentümlichen Geschmack entsprachen: die Möbel- und Tapisserieausstattung ist einfach und haushälterisch in allem Schmuck; die Räume erzählen von einfachen Lebensgewohnheiten; aber desto größer ist der Reichtum an Ideen, der über alle Dekorationen und Malereien verstreut ist; freilich sind diese Ideen nicht künstlerisch, sondern literarisch; ein in allen Literaturen bewanderter Schöngeist hat sich hier seine Lieblingsdichter durch Bilder aus ihren Werken vor Augen führen lassen; überall ist er zu Hause, in den Alten und in den Dichtungen der Neuen: Goethe und Wieland, Pindar und Theokrit, romantische Liebeslyrik und anakreon- tische Erotik, Idyllen und Dramen, deutsche Epen und der alte Homer wechseln in bunter Reihe ab — alles, was der König gerne las, haben ihm seine Maler an die Wände seines Schreib- und Empfangszimmers, sogar in das Schlafzimmer malen müssen; Schwanthaler, H. Heß, Schnorr von Carolsfeld , Rockel, Hiltensperger, W.Kaulbach u. a. waren die ausführenden Künstler. In diesen Königszimmern spiegelt sich der literarische Sinn der Romantik, die aus den Literaturen aller Völ,ker und Zeiten die schönsten Blüten sammelt — im Königsbau verbirgt sich ein Poeten heim [W 175]“.

Die eigentlichen Wohnräume der Königsfamilie liegen im 1. Stock. Zimmer des Königs, ausschließlich geschmückt mit Bildern aus der antik-griechischen Literatur.

1. Vorzimmer: monochrome Darstellung der Argonautensage im Vasenstil. (Schwanthaler);

2. Vorzimmer: polychrom-enkaustische Szenen aus Hesiod (Schwanthaler); Empfangszimmer mit Szenen aus Aeschylos; Servicesaal: Kompositionen Schnorrs aus Homer; Tlironsaal: Gipsreliefs aus Pindar von Schwanthaler-, Speisesaal mit Bildern aus Anakreon von CI. Zimmermann-, Ankleidezimmer und Schreibzimmer mit Darstellungen aus Aristophanes und Sophokles von Schwanthaler; im Schlafzimmer Idyllen nachTheokrit von H. Heß und Röckel. Dekoration der Räume meist pompejanisch. Zimmer der Königin, ausschließlich geschmückt mit Darstellungen aus deutschen Dichtern. 1. Vorzimmer: Walther von der Vogelweide (Gossen); 2. Vorzimmer: Parzifal des Wolfram von Eschenbach (Hermann)] Servicezimmer: Darstellungen f y, aus Bürger (Foltz, Diez, Wendelin); Throns aal: Klopstock (W. Kaulbach); Salon: Wieland (Entwürfe von W. Kaulbach) und Fries von Neu- reuther); Schlafzimmer: Goethe (W. Kaulbach); Schreibzimmer: Schiller (L. Lindenschmitt von Foltz); Bibliothek: Bilder von Tieck Schwind). Tanz-Saal im 2. Stock. Dekorative Malereien von Hiltens- ’ perger und Anschätz. In einem der Nebenzimmer Relieffries mit der Venus-Mythe, eines der besten Werke Schwanthalers. Nibelungen-Säle im Erdgeschoß westlich, mit Fresken von Julius Schnorr; die Gemälde „zeigen eine klare Komposition und lebendige Erzählung des Vorgangs, zeigen aber starken Einfluß der italienischen Kunststudien des Meisters; daher bei manchen Figuren eine theatralische Haltung“.

1. Eingangssaal; Tonnengewölbe mit wirksamen Ornamenten in Schwarz, Grau, Gold, Blaßviolett und Weiß; dazu dekorative und kräftig gefärbte Deckenbilderstreifen auf schwarzem Grund. Enthält die Hauptfiguren des Nibelungenliedes: Gunther und Brunhilde, Siegfried und Chriemhild, Hagen, Volker den Fiedler und Dankwart, Eckart, den Boten und den Zwerg Alberich, den Hüter des Nibelungenschatzes, Dietrich von Bern und Hildebrand, König Etzel und Rüdiger, Siegfrieds Eltern Siegmund und Sieglinde, Königin Uta mit Gernot und Giselher; Hagen horcht der Prophezeiung der Donaunixen. An der Decke: die Wappen von Burgund und die des Siegfried, Etzel und Dietrich; Chriemhildens und Brunhildes Streit beim Kirchgang, Siegfrieds Tod, Chriemhüdens Rache, Etzels Klage.

2. Saal der Hochzeit, mit Stichbogen-Tonnengewölbe, das mit Stichkappen durchsetzt ist; Dekoration an der Decke reicher als an den Wänden; köstlicher Mosaikboden; Fensterbrüstungen und Türwandungen (gleichwie in den übrigen) in prunkvollem Stuckmarmor. Büderinhalt: Erste Ankunft Siegfrieds in Worms; Chriemhild hört von Siegfrieds Taten im Sachsenkrieg; Siegfried zieht mit zwei Sachsenkönigen in Worms ein (Westwand). Der Helden Fahrt nach Island; Brunhildens Ankunft in Worms (Ostwand). Vermählung Siegfrieds mit Chriemhilde (Nordwand). Siegfried teilt seiner Gemahlin das Geheimnis von Brunhildens Gürtel mit (Südwand). Rückkehr Siegfrieds mit Chriemhilde zu seinen Eltern; beide in ihrem Lande; Chriemhilde reicht Siegfried das Söhnchen. In den sechs Lünetten Ritterkämpfe.

3. Saal des Verrates. Spiegelgewölbe gut eingeteilt, mit Lünetten und zarter Dekoration. In den zwölf Lünetten die Jugendtaten Siegfrieds. Deckengemälde: Tötung des Falken durch Geier. Wandfresken: Chnemhildens Traum; Streit zwischen Chriemhild und Brunhild um den Vortritt an der Tür des Münsters; Chriemhild verrät Hagen die verwundbare Stelle Siegfrieds; Siegfried nimmt Abschied; Siegfrieds Tod; Chriemhild findet den Ermordeten vor ihrer Tür; Hagen als Mörder erkannt; Siegmund erfährt seines Sohnes Tod; Hagen versenkt den Nibelungenschatz in den Rhein.

4. Saal der Rache, originelle Anordnung der Decke: Spiegel gewölbe mit Lünetten, das aber an Stelle des mittleren quadratischen Spiegelfeldes eine pompöse, leichtgewölbte Scheibe zeigt. In der Mitte der Decke: Nixen weissagen den Untergang der Helden. Chriemhild stellt Hagen zur Rede wegen der Untreue an Siegfried; sie bittet Etzel, die Burgundern einzuladen; die Helden fahren über die Donau; Chriemhild reizt zum Kampf; sie läßt Feuer anlegen; Kampf vor der brennenden Halle; Hagen tötet Chriemhilds Söhnchen; Rüdiger und Gernot fallen im Kampf; Dietrich überwindet den Hagen im Zweikampf; er übergibt Chriemhilden die gefesselten Günther und Hagen; diese tötet den Hagen, fällt aber selbst von Hildebrands Schwert.

5. Saal der Klage; Tonnengewölbe mit reizend bemalter Kassettierung. Fresken: Bestattung der Toten; Botschaft an Bischof Pilgrim von Passau; Heimkehr der Burgunden (nach Kartons J. Schnorrs, von Barth und Hauschild erst 1867 vollendet).

Wintergarten. 1850 ließ König Max II. den Königsbau mit dem Hoftheater durch die Glashalle eines Wintergartens verbinden, der in Sandsteinkonstruktion eine fünfjochige Pfeilerhalle enthält und von Aug. Voit nach Klenzes Mittelbau am Festsaalflügel errichtet wurde; nur wurden statt der jonischen Freisäulen kannelierte korinthische verwendet und im Fries des verkröpften Gebälks kleine Putten angebracht.

1851 errichtete Kieme im 2. Stock des Königsbaues an der Ecke, dem Max Josephsplatz zu, das sogen. Sanktuarium Max II., eine Schöpfung von ganz individuellem und diskretem Charakter in Form eines langgestreckten Gemaches, das dem König als eine Stätte der Sammlung und Beruhigung diente: Wandvertäfelung in den feinsten Holzarten, reiche Gewölbedekoration in zum Teil vergoldeten Stuckornamenten, Fußboden mosaiziert mit Ahorn-, Mahagoni-, Schwarz- und Amarantholz; Hauptschmuck: großes Oelgemälde von W. Kaulbach: Apotheose eines Fürsten; an den Wänden Sprüche aus der hl. Schrift, den Kirchenvätern, aus der Nachfolge Christi, Aussprüche von Philosophen, Dichtern und Gelehrten; Bilder, die Regententugenden auf Grundlage je eines Vorganges der bayerischen Geschichte schildern; vor einem holzgeschnitzten Kruzifixus ein Betschemel; da und dort auf Piedestalen von marmoriertem Stuck von 31 berühmten Männern der Weltgeschichte Büsten aus der Kgl. Erzgießerei.

Parterre, zwischen den Nibelungensälen und dem Hoftheater Wirtschaftsräume für die Hofküche und die Küchenbediensteten [Franz Jak. Schmitt in B 06; KB; Hans Semper „Ueber Monumentalbrunnen“ in KH 01; L. Zottmann im Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst; Rb; Hugo Steffen in SB 99; JW; BAJ; D; Karl Trautmann in SB 02; Tr; W; O. Aufleger und Dr. W. M. Schmid-. „Die K. Residenz in München“].

 

1) So genannt vom Herzog Christoph, der — unterstützt vom Ritterbund der „Böckler“ — von seinem Bruder Albrecht IV. die Zulassung zur Mitregierung erkämpfen wollte, jedoch unterlag und als Rebell vom Februar 1471 bis Oktober 1472 in diesem Turm gefangen gehalten wurde. Bei Herstellung des Festsaalbaues wollte König Ludwig I. diesen Turm aus Pietät unter allen Umständen geschont wissen und gab, vor Antritt einer Reise, dem Architekten Kieme diesbezügliche strenge Weisung. Als Ludwig, zurückgekehrt, dennoch vom Turm nichts mehr sah, war er überaus entrüstet und konnte sich erst wieder beruhigen, als ihm Klenze — der den Turm unmöglich als freistehend verwerten konnte — über seine Künstlerlist aufklärte und ihm den Turm — maskiert durch einen Ueberbau — unversehrt zeigen konnte.

Zauner - München in Kunst und Geschichte (1914)