Nationalmuseum, Neues

Zauner - München in Kunst und Geschichte (1914)

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Nationalmuseum, Neues, Prinzregentenstr. 3. Vgl. auch „Nationalmuseum, Altes.“ Angeregt durch die Gründung des Kensington- Museums als Sammlung der vaterländischen Kunst- und Kulturwertgegenstände Altenglands, die mit der ersten Weltausstellung m London 1851 verbunden war, ging König Max II. bereits 1853 unter Mitwirkung der beiden Historiker Freih. von Aretin und von Hefner-Alteneck sofort an die Gründung des „Wittelsbacher Museums“ für die im Land zerstreuten wertvollen Denkmäler, soweit sie für die Geschichte des Hauses- Wittelsbach von Bedeutung waren. Alsbald entschloß man sich zur Erweiterung des Programms durch Aufnahme von kunstgewerblichen Erzeugnissen auch der säkularisierten Reichs- und Bischofsstädte und der Klöster und brachte die Sammlung provisorisch in der Herzog Maxburg unter. Da sich nunmehr die Sammlung auf alles erstreckte, was für das Eigentümliche des gesamten bayerischen Volkes überhaupt charakteristisch war, erhielt der Museumsbau in der Maximiliansstraße den Namen „Bayerisches Nationalmuseum“ mit der Widmung des Königs als Aufschrift: „Meinem Volk zu Ehr und Vorbild !“

Da die Sammlung immer weiter wuchs, wurde an der Prinzregentenstraße 1894—1900 von Gabriel Seidl das „Neue Nationalmuseum“ auf einer Fläche von 18000 qm um 5 Millionen Mark errichtet und gilt nunmehr als „eine der glänzendsten Sammlungen der Welt [Ro]“. Dabei bezeichnet tatsächlich der Bau eine glückliche Erlösung vom alten Museumschema, indem ihm der Meister den Gedanken der mittelalterlichen Klöster mit ihrer feierlichen Ruhe hinter den Klostermauern zugrunde legte nach dem Vorgehen der großen kulturgeschichtlichen Sammlungen zu Clugny und Nürnberg, die ihrerseits alte Klosterhöfe und Kirchen hierzu verwendeten — was für ein Museum, das uns in vergangene Zeiten zurückführt, besonders berechtigt ist. So konnte auch die Baumasse hinter der Baulinie frei gruppiert und den vorspringenden Bauteilen eine beliebige Grundform gegeben werden, was für die Stimmung des Ganzen sowohl wie seiner Einzelheiten für die malerische Ausgestaltung, für die Mannigfaltigkeit der Raumbildung und die Lichtzufuhr von weittragendem Gewinn war; denn „nur so konnte das Ganze vor der Eintönigkeit des Eindrucks, der Besucher aber vor allem vor dem Fluche so vieler Museen, vor Abspannung und Ermüdung bewahrt werden [Gmelin]“.

Das Werk baut sich im Geiste der süddeutschen Hochrenaissance auf, die unsern Städten wie Augsburg, Salzburg u. s. w. ihr malerisches Gepräge verleihen; dabei löst sich trotz der mannigfachen innern Bedürfnisse, die in erster Linie zu berücksichtigen waren, die Perspektive der Baugruppen in edelste Harmonie auf (namentlich von der Liebigstraße aus gesehen) und man kann doch im Aeußern schon die Verwendung der Gebäudeteile künstlerisch ablesen: da sind Formen im Geist der mittelalterlichen Architektur, auf der entgegengesetzten Hälfte herrscht heitrer Barock — entsprechend der Gruppierung der Sammlung, die von rechts nach links von der römischen Vorzeit bis zur Epoche Ludwigs II. führt. Besonders festlich und vornehm ist die Fassade des Mittelbaues; „sie hält den Vergleich mit dem weit nüchternerem Augsburger Rathaus des Elias Holl, an das man ohne weiteres denken muß, weitaus. Der östliche Teil, um beinahe 10 m über die Baulinie vorgerückt, wird durch eingebaute Türmchen, Baikone, Erker, ungleich verteilte Wandflächen und Fenster ungleicher Größe und Art reichlich malerisch belebt und er hat trotz der eingebauten Renaissanceformen etwas Mittelalterliches. Der westliche Trakt dagegen mit seinen regelmäßigen, schön gegliederten Fensterreihen, der großem Ruhe überhaupt, verkörpert aufs schönste den abgeklärten Teil der Renaissance. In einem Untergeschoß, 2 Obergeschossen und einem Dachgeschoß sind die reichen Schätze der Sammlung in direkt aufeinanderfolgenden Sälen ohne verbindende Gänge — Korridore betrachtet der Architekt hier als verlorne Plätze — untergebracht: im I. Obergeschoß reihen sich die 48 Säle und Hallen der kulturhistorischen Sammlung aller Zeiten aneinander, beginnend mit den prähistorischen Altertümern; darunter eine Waffenhalle, einSaal für kirchliche Kunst und ein Saal für Gipsabgüsse; im II. Obergeschoß sind in 35 Sälen die Fachsammlungen, nach Materialien geordnet, von den Eisen- gegenständen angefangen zu den Modellen aus Blei, Messing, Kupfer, Silber u. a., Münzen, Holzornamenten, Geweben u. s. w.; im Dachgeschoß ist die Krippensammlung, im Untergeschoß die volkstümliche Kunst (Bauernstuben) sowie die Folterkammer untergebracht.

Seine herrliche innere Ausstattung verdankt der glänzende Bau dem Ehrenkonservator des Museums Prof. Rudolf v. Seitz. Im Vestibül Deckenstukkaturen nach Motiven des 17. Jahrh. Haupttreppe und Bureautreppe aus Marmor, Treppe zur Feuerwache aus Kalkstein, die Nebentreppen aus Büchlberger Granit; die zur Krippensammlung führende Eichenholztreppe ist jene aus dem von Cuvillies erbautem altem Gottahaus in der Theatinerstraße. Als Fußbodenbelag wurde zum Teil Marmor, zum Teil Solnhofer Stein, in den mittelalterlichen Sälen auch Tonfließen, im Souterrain Großhesseloher Pflaster verwendet; der ganze erste Stock, die Bureauräume, die Krippensammlung und die Büfetträume wurden mit Linoleumbelag auf Gipsestrich ausgestattet; viele Säle erhielten Parkettböden. Die Räume mit Steinpflaster erhielten Fußbodenheizung in der Weise, daß unter dem Pflaster im Sande, teilweise auch in Kanälen, die Heizrohren liegen, die das Pflaster selbst erwärmen und gewissermaßen zum Heizkörper machen; im übrigen ist Niederdruckdampfheizung eingerichtet. Der höheren Feuersicherheit wegen erhielten nur das Innere des Verwaltungsgebäudes, die Zentralheizung und das Studiengebäude elektrische Beleuchtung, während die eigentlichen Sammlungsräume nur durch die in den Höfen verteilten Bogenlampen auf hohen Masten erhellt werden können; desgleichen ist auch die Wasserleitung auf das Verwaltungsgebäude, das Treppenhaus im Westtrakt und die Klosetts beschränkt. Von den plastischen Werken sind namentlich jene am Portalbau (von Anton Pruschka) zu erwähnen, so die beiden prächtigen Figuren „Krieg“ und „Frieden“, auf Löwen reitende Genien mit entsprechenden Emblemen; dazwischen steht in erhöhter Nische die Kolossalstatue Konig Max II., des Begründers des „Bayerischen Nationalmuseums“, zu Füßen des Königs halten 2 fischgeschwänzte Männer die Tafel mit der Inschrift: Maximilianus II.

In einem der (7) Höfe des Gebäudes steht unter andern Monumenten auch der sehenswerte Narzißbrunnen von H. Netzer: der antike griechische Götterliebling entdeckt im Spiegel des Wassers die Schönheit seines Antlitzes. —

Auf der Terrasse vor dem Nationalmuseum der Hubertusbrunnen, als Teil des großen „Prinzregentendenkmals“, von Stadt und Staat gestiftet und von Ad. Hildebrand entworfen. Die als „Forum“ vor dem Haupteingang zum Nationalmuseum angelegte streng architektonische Gartenanlage fand durch diesen Brunnentempel auf der östlichen Seite einen Abschluß, wie er feiner und künstlerischer nicht gedacht werden kann. Inmitten eines erhöhten, durch eine Steinbalustrade eingeschlossenen freien Platzes erhebt sich das Tempelchen aus schönem, gelben Muschelkalk, von 4 Ecktürmchen flankiert, die in ihrem Innern Nischen mit Euhebänken aus Marmor enthalten; für die äußern 4 Ecknischen sind Bronzefiguren bestimmt. Nach den 4 Himmelsrichtungen sind Bogenportale angeordnet, die durch zierliche Gitter das Innere abschließen, bezw. den Eingang bilden. Originell und sehr weich in den Formen ist das Kupferdach, bekrönt durch den knienden Jagdpatron St. Hubertus. Im Innern nimmt ein rotes Marmorbecken das spiegelklare Wasser auf; auf der Beckeneinfassung stehen Marmorsäulen, die die luftige Doppelkuppel tragen. Inmitten des Beckens steht ebenfalls auf einem Marmorpostament der hochelegante Bronze-Hirsch, im Geweih das Strahlenkreuz. Das Ganze atmet feierliche Buhe und Würde [Br 141; Bredt in KHOO; GmelininKH 02; Friedr. Hofmann „Pruschka Anton“ in KH 04; SB 00, sowie 04/19 und 07/40; P. 192J.

Zauner - München in Kunst und Geschichte (1914)